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Kraftpaket vom Niederrhein

Die Energiewende rollt – von unten. Das gilt für die Photovoltaik, das gilt für Stromspeicher, und das gilt auch für die neuen Brennstoffzellen. Was große Haustechnikanbieter bisher nicht geschafft haben, bringen bislang wenig bekannte Firmen auf die Piste. Die Firma Solidpower hat in Nordrhein-Westfalen eine Fabrik für die 1,5 Kilowatt starke Brennstoffzelle Bluegen aufgebaut. Von dort wird auch der Vertrieb organisiert. Heinsberg liegt in Nachbarschaft zu Erkelenz, nahe Düsseldorf.

Mikro-KWK lautet das Stichwort: Mit den neuen Aggregaten wird eine wichtige Lücke gefüllt. Denn bisher musste der Winterstrom zur Gebäudeversorgung aus dem Verteilnetz kommen. Nun können Millionen Solarkunden und Haustechnikinstallateure aufatmen: Die Brennstoffzellen erlauben es, die Grundlast auch im Winter abzudecken.

60 Prozent Wirkungsgrad – Spitze!

Dabei sticht der Bluegen durch eine besondere Eigenschaft heraus: Die Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC) erreicht einen elektrischen Wirkungsgrad von bis zu 60 Prozent. Das ist der höchste elektrische Wirkungsgrad unter allen im Markt verfügbaren KWK-Geräten. Dagegen macht die Abwärme nur einen geringen Anteil aus.

Soll heißen: Der Bluegen läuft stromgeführt und netzparallel. Das kompakte Aggregat wird nicht wie andere Brennstoffzellen-Heizgeräte oder klassische motorische BHKW wärmegeführt, als Heizung, die nebenbei Strom erzeugt. Der Vorteil: Dieser Generator erzeugt im Jahr rund 13.000 Kilowattstunden.

Heinsberg, das ist der äußerste Westen der Republik, direkt an der holländischen Grenze. Hier befand sich früher eine Werkstatt des Start-ups Ceramic Fuel Cells, das mittlerweile von Solidpower übernommen wurde. Die Werkstatt hat sich zur Fabrik gemausert, in der die Brennstoffzellen in Serie produziert werden. „In den vergangenen vier Jahren wurden europaweit über 750 Geräte verkauft und installiert, über zwölf Millionen Betriebsstunden absolviert“, berichtet Andreas Ballhausen, Geschäftsführer von Solidpower in Deutschland. „Jetzt geht es darum, die Stückzahlen nach oben zu bringen, um Skaleneffekte für Preissenkungen nutzen zu können.“

Dynamik wie bei Stromspeichern

Die Branche der Brennstoffzellen steht ungefähr dort, wo die Branche der Stromspeicher vor vier oder fünf Jahren stand. Und ebenso dynamisch dürfte sich ihr Wachstum entwickeln. „Wir bereiten derzeit alle Prozesse auf eine größere Produktion vor, um sie zu automatisieren“, erzählt der Manager. „Da wir auch die Maschinentechnik selbst entwickelt haben, haben wir einen Vorsprung gegenüber den Wettbewerbern.“

Zwischen 2.000 und 3.000 Geräte könnten im Jahr von den Bändern rollen, wenn der Markt in Schwung kommt. Solidpower ist mit dem Bluegen gelungen, was große Anbieter von Haustechnik bisher nicht geschafft haben: Das Aggregat ergänzt die Photovoltaik nahezu ideal. Durch die neue Förderung gemäß KfW-Programm 433 werden Brennstoffzellen mit lukrativen Zuschüssen unterstützt. Vor allem in der Kombination Photovoltaik, Bluegen und Elektromobilität wird die Vollversorgung mit Eigenstrom möglich.

Die nutzbare Abwärme eines Bluegen ist eher gering, gerade ausreichend für die Bereitung von rund 200 Liter warmen Wassers pro Tag. Was wie ein Nachteil klingt, ist ein handfester Vorteil: Das kleine Kraftpaket dürfte die Sektorkopplung vorantreiben. Klassische BHKW mit Gasmotor oder Heizgeräte mit PEM-Brennstoffzellen haben zu viel Abwärme, die man in modernen, energieeffizienten Gebäuden nur schwer nutzen kann. Auch passt der Bluegen in sehr kleine Räume oder Keller für die Haustechnik.

Die Abwärme ist kein Problem

Wer mehr Heizwärme braucht, kann die Brennstoffzelle mit einer Wärmepumpe koppeln. Im Sommer wird der Stromerzeuger durch Photovoltaik unterstützt, etwa in der Hotellerie oder in der Landwirtschaft, wo es um elektrische Kühlung geht. Bis zu sechs Bluegen können in einer Kaskade laufen, am selben Abgasstrang. Zwei Bluegen werden laut KfW 433 wie ein Drei-Kilowatt-Gerät gefördert.

Herzstück der Brennstoffzelle ist der sogenannte Stack. „Den fertigen wir in Heinsberg selbst“, erläutert Andreas Ballhausen beim Rundgang. „In den SOFC befindet sich eine Keramik, die Sauerstoffionen durchlässt, aber Elektronen sperrt.“ Auf diese Weise erfolgt die Ladungstrennung, der Generator gibt Gleichspannung ab. Der integrierte Wechselrichter stellt daraus netzfähigen Wechselstrom bereit, wie in einem Solarakku. Die Geräte werden netzparallel geführt. Bricht das Netz ein, schaltet der Wechselrichter die Brennstoffzelle ab.

SOFC-Geräte brauchen hohe Temperaturen, im Falle des Bluegen zwischen 750 und 850 Grad Celsius. Bis der Stack so weit aufgeheizt ist, vergeht ein Tag. Deshalb sind die Brennstoffzellen eher für den Dauerbetrieb geeignet, nicht für Teillast oder Stop-and-go. „Die Geräte kommen überall dort zum Einsatz, wo ein gleichbleibend hoher Strombedarf existiert“, betont Ballhausen, der schon bei Ceramic Fuel Cells den Vertrieb leitete. Er kennt die Technik und seine Kunden genau. „Zusätzlicher Strombedarf im Sommer wird durch die Photovoltaik abgedeckt. Unsere Brennstoffzelle bietet sich für Privatleute mit gehobenen Ansprüchen, aber auch für Gewerbebetriebe und größere Wohngebäude an.“

Das Aggregat nutzt das Prinzip der internen Dampfreformierung, um aus dem Erdgas (Methan) Wasserstoff zu gewinnen. Dadurch erreicht der Bluegen seine besonders hohe Effizienz, da die Wasserstoffgewinnung im Stack erfolgt und kein zusätzlicher Reformer benötigt wird. Zum Anlaufen braucht das Gerät also entsalztes Wasser, bis ein geschlossener Kreislauf wirksam ist. Denn während des Betriebs wird der Dampf aus dem Kondensat gewonnen und erneut genutzt. Im Betrieb werden die Geräte jedoch nur handwarm, weil der Stack dick in Wärmedämmung eingepackt ist.

Integrierter Reformer macht Dampf

Um die Brennstoffzelle möglichst schonend an den Start zu bringen, wird der Reformer langsam auf Temperatur gebracht. Auch der eigentliche Stack, der Zellenstapel des Generators, wird durch einen Gasbrenner auf Betriebstemperatur gebracht.

Wenn das Prozessgas aus dem Reformer bereitsteht, wird der elektrolytische Prozess in Gang gebracht und die Brennstoffzelle für die Stromabgabe freigeschaltet. „Wir arbeiten daran, die Anlaufphase deutlich zu verkürzen“, bestätigt Ballhausen. „Im Moment sind die Geräte noch für durchgehenden Grundlastbetrieb vorgesehen. In der Zukunft sind vielleicht auch schneller schaltende Systeme denkbar. Eine Inselvariante gibt es bislang gleichfalls nicht, wäre aber mit einer Speicherbatterie möglich.“

Bricht das regionale Verteilnetz aus irgendeinem Grund zusammen, trennt der Wechselrichter die Brennstoffzelle und fährt sie in den Selbsterhaltungsmodus. Dann gibt sie keine Energie mehr ab, hält aber die Prozesstemperaturen im Innern aufrecht. Schaltet das Netz den Wechselrichter wieder frei, kann das Aggregat sofort weiter stromen.

Netzparallele Anbindung

Eine separate Speicherbatterie braucht der Bluegen für den wirtschaftlichen Betrieb nicht. Sie wäre notwendig, wenn der Installateur einen Solargenerator kombinieren will. Der Anschluss ist Elektrofachkräften vorbehalten, wie üblich bei Generatoren im Niederspannungsnetz.

Für die Installateure sind die Brennstoffzellen nicht nur eine sinnvolle Ergänzung der Systeme, die sie ihren Kunden anbieten können. Die neuen Aggregate bieten obendrein deutlich mehr Marge als die Photovoltaik. Der Listenpreis für den Bluegen beträgt 25.000 Euro. Für private Kunden gibt es eine stattliche Förderung nach KfW 433. Berücksichtigt man die Installationskosten, landet der Kunde bei rund 30.000 Euro netto.

Rechnet man den Eigenstrom gegen die Kosten des Einkaufs von elektrischem Strom aus dem Netz, kann sich ein Bluegen innerhalb von sieben bis acht Jahren amortisieren. Für das Gerät gewährt die KfW 12.450 Euro Zuschuss, bleiben als Investition für den Kunden 17.550 Euro.

Hohe Verfügbarkeit der Geräte

Entscheidend ist eine hohe Verfügbarkeit der Geräte. „Wir bieten unseren Fachpartnern aus dem installierenden Handwerk und ihren Kunden einen Vollwartungsvertrag an“, erzählt Andreas Ballhausen. „Darin garantieren wir, dass der elektrische Wirkungsgrad des Stacks innerhalb von zehn Jahren im Durchschnitt nicht unter 50 Prozent sinkt. Andernfalls tauschen wir den Stack auf unsere Kosten aus.“

Mittlerweile sind über 750 Bluegen in Betrieb, die Zahl ihrer Laststunden hat die Zwölf-Millionen-Grenze längst überschritten. Damit konnte Solidpower in wenigen Jahren sehr viele Betriebserfahrungen sammeln. „Die Geräte der jüngsten Generation haben kaum noch Wirkungsgradverluste“, resümiert Ballhausen. „Und sie sind deutlich robuster beim Anlauf.“

Die meisten Geräte stehen in deutschen Kellern, in den Beneluxstaaten, in Großbritannien und Italien. Man kann die wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Brennstoffzelle auch anders ausdrücken: „Mit dem Bluegen erzeugen wir die Kilowattstunde Strom für acht Cent“, rechnet Ballhausen vor. „Dieser Wert hängt wesentlich von den Brennstoffkosten ab. Hinzu kommen etwa 4,5 Cent für die Wartung und die Durchsichten, sowohl der elektrischen Anlage als auch der Gastechnik und des Abgasstrangs. Hinzu kommt die Abschreibung der Investition. In der Summe kostet die Kilowattstunde rund 18 Cent.“

Starkes Duo mit Elektroautos

Richtig schlagkräftig zeigt sich der Bluegen, wenn die Wärmeversorgung durch Wärmepumpen unterstützt wird. Sie können ihren Antriebsstrom aus der Brennstoffzelle beziehen.

Der stärkste Hebel ist jedoch die Elektromobilität. „Viele meiner Kunden, die sich für eine Brennstoffzelle entschieden haben, tun dies wegen der E-Autos“, bestätigt Elektroinstallateur Jürgen Hohnen, der bereits 34 Bluegen installiert hat, vornehmlich in Nordrhein-Westfalen. „Den BMW I-3 kann man mit sechs Ampere laden, das sind 1,5 Kilowatt. Auch einen Tesla kann man damit laden, über Nacht.“

Mittlerweile wurde die Anzahl der Teile im Aggregat deutlich gesenkt, auf insgesamt 800. Der eigentliche Kniff ist die Fertigung der sensiblen Zellenstacks, in denen die elektrochemische Reaktion abläuft. Die Zellen selbst kommen aus China, dort werden sie nach Spezifikationen der Ingenieure von Solidpower gefertigt. Zwischen den Zellen befinden sich Interkonnektoren, die aus Australien stammen.

204 Zellen ergeben den Stack eines Bluegen, alle Geräte werden nach der Fertigung durchgeprüft. Hinzu kommen die Einschübe mit der Leistungselektronik und die Patronen zur Aufbereitung des Wassers, um Dampf für den Reformer zu erzeugen. Die Platinen für den Wechselrichter werden vorkonfektioniert ins Werk geliefert und dort mit dem Power Manager (Steuerungssoftware) ausgestattet.

Insgesamt dauert es eine Woche, bis eine Brennstoffzelle durch die Fabrik gelaufen ist. Die Zellen und Interkonnektoren werden bei 800 Grad Celsius gebacken und gesintert, das ist der kritische Prozessschritt. Für sehr eilige Aufträge gibt es ein kleines Zwischenlager. Normalerweise dauert die Lieferzeit rund zwei Wochen.

Technik hat sich bewährt

Die Technik steht, sie hat ihre Zuverlässigkeit in zahlreichen Anwendungen nachgewiesen. Nun kommt es darauf an, die neuen Geräte für die Energiewende zu nutzen. Die unabhängige Eigenstromversorgung ist auch in kleinem Maßstab möglich. Als nächsten Schritt will Solidpower ein bundesweites Netz von Fachpartnern aus dem Elektrohandwerk aufbauen, um den Vertrieb weiter anzukurbeln.

Technik der Brennstoffzellen

PEM oder SOFC?

Bei den Brennstoffzellen dominieren zwei unterschiedliche Systeme den Markt. Aus der Technik ergeben sich verschiedene Geräte und Anwendungen.

Bei der Festoxid-Brennstoffzelle (solid oxide fuel cell – SOFC) besteht der Elektrolyt im Stack aus einer hauchfeinen Keramikschicht, die Sauerstoffionen leiten kann, aber Elektronen sperrt. Die SOFC brauchen Betriebstemperaturen von 650 bis 1.000 Grad Celsius.

Dagegen laufen die Brennstoffzellen mit Protonenaustauschmembran (proton exchange membrane – PEM) mit halbdurchlässigen Kunststoffmembranen (Ionomeren), die für Protonen durchgängig, für Gase jedoch gesperrt sind. Sie brauchen nur rund 80 Grad Celsius als Betriebstemperatur. Um auch die Wärmeversorgung in einem Gebäude abdecken zu können, werden PEMFC meist mit Gasthermen als Brennstoffzellen-Heizgeräte gekoppelt.

Bei SOFC ist der Stromanteil im Aggregat höher, deshalb werden sie vorzugsweise stromgeführt angesteuert. PEMFC hingegen werden aufgrund der kombinierten Heiztechnik in der Regel wärmegeführt – wie klassische BHKW mit Gasmotor.

Eine aktuelle Marktübersicht zu den Brennstoffzellen finden Abonnenten unserer Fachzeitschrift in unserem Onlinebereich:

www.photovoltaik.eu/themen

SolidPower

Bluegen bietet 1,5 Kilowatt elektrische Leistung

Die SOFC-Brennstoffzelle des Herstellers Solidpower bietet eine elektrische Leistung von 1,5 Kilowatt, gehört also zur Mikro-KWK. Als Brennstoff kommt Erdgas zum Einsatz, das im integrierten Reformer umgesetzt wird. Das Aggregat ist für die Grundlastabdeckung konzipiert, sollte also durchlaufen. Aufgrund des hohen elektrischen Wirkungsgrades von 60 Prozent erzeugt der Bluegen im Jahr rund 13.000 Kilowattstunden Strom.

Rechnet man die nutzbare Abwärme (35 Grad Celsius) mit ein, erreicht das System einen Gesamtwirkungsgrad von 85 Prozent. Die maximale Abgastemperatur beträgt 200 Grad Celsius. Bis zu sechs Bluegen können auf einen Abgasstrang geschaltet werden.

Bei einer Intersport-Filiale in Landau wurde ein solches Aggregat installiert. Es läuft in Kombination mit 15 Kilowatt Photovoltaik. Die Laufzeit der Brennstoffzelle wurde auf zehn Jahre berechnet. Der Betreiber des rund 900 Quadratmeter großen Geschäfts spart rund 12.700 Euro Energiekosten für Strom und Wärme.

www.bluegen.de

Tipp der Redaktion

Alle Aggregate in der Marktübersicht

Für unsere Abonnenten haben wir im Internet eine topaktuelle Übersicht über alle Brennstoffzellen im Markt hinterlegt, stromgeführte Systeme wie den Bluegen oder kombinierte Heizgeräte. Mit den Brennstoffzellen bekommen die Installateure eine neue Produktgruppe an die Hand, um ihre Kunden tatsächlich autark vom Stromnetz zu machen. Schauen Sie auf unserer Website nach, bei den Marktübersichten im Menüpunkt Themen.

Heiko Schwarzburger

Chefredakteur

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