Es wird enger auf dem Wechselrichtermarkt als noch vor ein paar Jahren. Die Zahl der Hersteller ist gewachsen. Der Wettbewerb ist in vollem Gange. Da müssen sich die Unternehmen etwas einfallen lassen, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Über den Preis allein wird das nicht gehen. Anders als die Modulindustrie durchläuft die Wechselrichterbranche die Lernkurve einer ganz normalen Industriesparte. Einen rasanten Preisverfall wie bei den Solarmodulen wird die Leistungselektronik nicht sehen.
Stattdessen sind Innovation und höchste Qualität gefragt. Was für die Kunden ein Segen ist, ist für die Hersteller eine Herausforderung. Denn die neuen Ideen müssen dem Kunden einen Mehrwert bieten. Der Wechselrichter ist am Ende nicht mehr nur ein Klotz, der den Gleichstrom aus dem Solargenerator in netzkonformen Wechselstrom umwandelt – mit möglichst wenig Verlusten.
Mehr als die Summe seiner Teile
Er wird er immer mehr zu einem zentralen Bestandteil einer intelligenten Steuerung von ganzen Energiesystemen in Gebäuden. Gleichzeitig dürfen die Geräte nicht teurer werden, trotz innovativer Neuentwicklungen. Zusätzlich erwarten die Kunden, dass die Wechselrichter möglichst lange halten.
Der innovative Wechselrichter ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. „Die eigentliche Innovation steckt in der Entwicklung im Vorfeld“, erklärt Markus Vetter. Er ist Marketingleiter bei Kostal Solar Electric, der internationalen Vertriebsgesellschaft von Piko Wechselrichtern des Zulieferers für die Automobilindustrie. „Unsere Ingenieure müssen sich überlegen, auf welche Störfaktoren wie die elektromagnetische Verträglichkeit sie bei der Entwicklung von Wechselrichtern achten müssen. Aber auch auf banale Dinge wie den Platzbedarf im Inneren des Geräts oder dessen Gewicht. In diese Details stecken die Ingenieure viel Arbeit und Ideen rein.“
Das geht bis zum Design. So hatte Kostal bei älteren Generationen einen kleinen DC-Trennschalter auf der Unterseite des Geräts angebracht. „Wir haben dann aus den Rückmeldungen der Installateure erfahren, dass das keine praktikable Stelle ist“, erklärt Vetter. „Wir sind damals davon ausgegangen, dass der Monteur den Wechselrichter aus der Verpackung nimmt und ihn auf die Rückseite legt, während er die Löcher für die Montage in die Wand bohrt. Doch tatsächlich stellt er den Wechselrichter hochkant auf die Unterseite, weil er ihn auch so an die Wand schrauben muss. Dann stellt er ihn aber direkt auf den Trennschalter.“
Aus diesen Überlegungen ist das Design der neuen Wechselrichtergeneration von Kostal entstanden. Sie wird in Hagen produziert, auf neu errichteten Produktionslinien. Die Wechselrichter haben jetzt den Trennschalter an der linken Seite, um zu verhindern, dass er bei der Montage abbricht. Zusätzlich führt ein Sichtstreifen vom Display bis zum Trennschalter, um dem Betreiber im Notfall den Weg zu weisen. „Es wäre noch schöner gewesen, den Schalter auf die rechte Seite des Gehäuses zu integrieren“, überlegt Vetter. „Doch an dieser Stelle mussten wir mit Blick auf das Innenleben des Wechselrichters Abstriche machen. Denn das hätte bedeutet, dass wir das gesamte Gerät noch einmal neu designen müssen, was extrem teuer gewesen wäre.“
Doch damit war die Entwicklung noch nicht zu Ende. Denn neben der Montage steht vor allem die Funktionalität im Vordergrund. Die Frage ist dabei: Was kann und soll der Wechselrichter alles leisten? Damit entscheidet sich, welche Möglichkeiten der Kommunikation eingebaut werden. Diese Entscheidung ist nicht ganz einfach. In einer Bandbreite zwischen dem maximal Möglichen und dem minimal Notwendigen muss der Entwickler ganz genau wissen, was die Kunden brauchen. Nur so kann er das Optimum zwischen Leistung und Preis herausholen.
Eine ganz neue Familie
Schließlich muss der Kunde, der eigentlich gar keine Haussteuerung braucht, ein riesiges Energiemanagement mitbezahlen, wenn es im Wechselrichter integriert ist. Auf der anderen Seite stehen dem Kunden nicht genügend Anschluss- und Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung, wenn er tatsächlich sein gesamtes Haus vernetzen will.
„Bei uns im Produktmanagement gab es schon die Überlegung, den Wechselrichter zu einer Energiezentrale im Gebäude zu machen“, erinnert sich Markus Vetter. „Auf der einen Seite hat der Anlagenbetreiber verschiedene Geräte – weiße Ware, braune Ware, eine Ladesäule für Elektroautos“, ergänzt Dennis Hollenbeck, Produktmanager bei Kostal. „Auf der anderen Seite hat er den Wechselrichter. Dann braucht er in der Mitte ein Gerät, das den Hut aufhat, einen unabhängigen zentralen Energiemanager. Aber dieser kommt nicht vom Wechselrichterhersteller, sondern von verschiedenen Unternehmen, die sich auf den Bereich der automatisierten Haussteuerung spezialisiert haben.“
Aber auch in diesem Szenario spielt der Piko eine zentrale Rolle. Er versorgt den Energiemanager mit allen notwendigen Leistungs- und Verbrauchsdaten, damit dieser verschiedene Haushaltsgeräte oder Ähnliches steuern kann.
Aus diesen Überlegungen entstand eine ganz neue Wechselrichterfamilie, die mit den Geräten mit einer Ausgangsleistung zwischen 4,2 und sieben Kilowatt Ende Februar dieses Jahres komplettiert wurde. Inzwischen produziert Kostal ein nagelneues Portfolio von elf Stringwechselrichtern der Leistungsklassen zwischen drei und 20 Kilowatt. Alle Geräte haben ausreichend Schnittstellen, um damit eine Verbrauchssteuerung von Wärmepumpen oder Klimaanlagen zu realisieren und um mit Energiemanagern zu kommunizieren.
Auf ein üppiges Energiemanagement im Wechselrichter selbst haben die Hagener verzichtet. Mit den vorhandenen Anschlüssen können die Wechselrichter aber die steuerbaren Lasten in Einfamilienhäusern abdecken.
Alle dreiphasigen Wechselrichter der neuen Generation von Kostal können mit einem separaten Sensor auch ein komplizierteres Erzeugungs- und Lastmanagement für Einfamilienhäuser bereitstellen. Eine Ausnahme bildet nur der ganz kleine Inverter mit einer Ausgangsleistung von drei Kilowatt. Für die Laststeuerung von größeren Gewerbebetrieben muss allerdings ein externer Energiemanager her.
Auf die Anforderungen reagiert
Aber vor allem an den Installateur haben die Hagener gedacht. Ihm das Leben, sprich die Montage, leichter zu machen, war ein Ziel bei der Entwicklung. So haben die neuen Wechselrichter von Kostal nicht nur einen großen DC-Trennschalter, der bei der Installation nicht mehr im Weg ist oder gar abbricht. Am Gehäuse haben die Hagener regelrechte Griffe angebracht, an denen der Monteur den Wechselrichter hochheben und an der Wand fixieren kann, während sein Kollege das Gerät festschraubt. Zwar bringt der Kleinste der Kostal-Familie 22 Kilogramm auf die Waage, doch für eine Installation des Gerätes durch einen Monteur ist selbst dies ein zu großes Gewicht.
Auch die Auslegung der Anlage haben die Hagener für die Installateure einfacher gemacht. Wenn es darum geht, höhere Leistungen aufs Dach zu bringen, muss der Installateur genau planen, wie er die Strings auslegt. Nicht selten sind diese dann unterschiedlich lang oder unterschiedlich verschattet. Kostal hat darauf reagiert, indem die Entwickler den neuen Wechselrichtern einerseits mehrere MPP-Tracker spendierten. Um dem Installateur mehr Freiheit bei der Auslegung der Anlage zu geben, stellen diese MPP-Tracker andererseits jeweils unabhängig voneinander den maximalen Leistungspunkt am Wechselrichter ein. So können an einem Gerät mehrere Strings mit völlig unterschiedlicher Leistung und völlig unterschiedlicher Verschattungssituation angeschlossen werden. Selbst der Anschluss von zwei oder drei Strings mit verschiedenen Modultechnologien ist möglich.
Qualitätsoffensiv gedacht
Zusätzlich hat Kostal in den neuen Produktionslinien ein umfangreiches Prüfkonzept umgesetzt. Die Linien gingen im vergangenen Jahr in Betrieb. Die einzelnen Prüfstationen kommen von der Kostal-Tochter Soma, einem Hersteller von Prüfsystemen aus Schalksmühle, nur 20 Kilometer südlich von Hagen.
Der Mitarbeiter in der Endmontage legt zunächst ein vorbereitetes Gehäuse auf einen Prüfwagen. Dieser ist nicht nur der Montagetisch, sondern auch mit den notwendigen Anschlüssen versehen, damit er zusammen mit dem fertigen Wechselrichter in die Prüfschränke geschoben werden kann.
Danach befestigt der Mitarbeiter mit einem speziellen Schraubersystem die einzelnen Komponenten im Gehäuse. „Dieses garantiert, dass alle Komponenten mit dem richtigen Drehmoment und vor allem auch bei Sacklöchern mit dem Schraubenkopf aufliegend verbaut werden“, erklärt Jürgen Temp, Leiter der Wechselrichterproduktion bei Kostal. „Mithilfe dieses Schraubersystems können theoretisch vorkommende menschliche Nachlässigkeiten bei der Montage nahezu vollständig ausgeschlossen werden –das nennen wir qualitätsoffensives Denken.“
Auf diese Weise setzt ein Mitarbeiter den Wechselrichter aus den Einzelteilen zusammen. Am Ende schiebt er den Wagen, auf dem der Wechselrichter liegt, in den ersten Prüfschrank. Zwei Zentrierstifte sorgen dafür, dass der Wagen an die richtige Stelle fährt und alle Kontakte hergestellt sind. Im ersten Schrank bekommt der Wechselrichter die Software, und zum ersten Mal wird eine Spannung angelegt. „Dabei finden die unterschiedlichen Komponenten, Prozessoren und die anderen Bauteile zueinander“, beschreibt Jürgen Temp. „So wird das Gerät entsprechend seinen Leistungsdaten so getrimmt, dass die Komponenten die Leistung auch vertragen und alles so funktioniert, wie es soll.“
Von Test zu Test
Diese Prüfung dauert etwa 20 Minuten. Danach schiebt der Produktionsmitarbeiter den Wagen in einen sogenannten Run-in-Prüfschrank. Dort werden die Wechselrichter gut drei Stunden lang unterschiedlichen Spannungen ausgesetzt. „Bei diesem Härtetest müssen sie beweisen, dass sie klaglos bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen ihre Arbeit verrichten“, erklärt Jürgen Temp.
Signalisiert ein Gerät bei dieser Prüfung eine Störung, nimmt der Mitarbeiter es sofort aus der Linie. Übersteht das Gerät den Härtetest jedoch ohne Probleme, dann kann Kostal gewährleisten, dass es auch im Feld seine Arbeit verrichtet und nicht bei jeder Belastung gleich aussteigt. Danach kommt der Wechselrichter noch in einen dritten Prüfschrank, wo er noch einmal auf seine grundlegende Funktion hin getestet wird. „Hier fragen wir noch einmal kurz ab, ob die Leistung kommt und das Gerät im funktionsfähigen Zustand ist und wir in der Run-in-Prüfung nichts übersehen haben“, sagt Temp. Dem Wechselrichter wird simuliert, dass er an ein Modulfeld angeschlossen wird. Wenn er sich aufschaltet, ist er in Ordnung.
Jedes Gerät ist individuell
Erst danach bekommt er einen Deckel und ein Typenschild. Dort steht neben den Leistungsdaten auch drauf, welcher Mitarbeiter den Wechselrichter gebaut hat. Denn jedes Gerät wird von Anfang bis Ende von einem Mitarbeiter in der Produktion zusammengeschraubt und geprüft. Am Ende nimmt der Mitarbeiter in der Versandabteilung noch einmal eine Sichtprüfung vor, verpackt den Wechselrichter und macht ihn für den Versand fertig.
Diese Prozedur klingt aufwendig. Sie ist es auch. Doch vom Verschrauben der einzelnen Komponenten mit einem Roboter will Jürgen Temp nichts wissen. Ein solcher könnte den Wechselrichter auch nicht viel schneller zusammensetzen. Zumal das Aufwendige nicht die Montage, sondern die Prüfung ist. Diese kann Kostal aber nicht abkürzen. Denn der Kunde soll ein Gerät bekommen, das die gesamte Lebensdauer der Solaranlage übersteht.