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“Versorger wollen in den Markt“

Die Rahmenbedingungen für Solarparks haben sich drastisch verändert. Gibt es überhaupt noch die Möglichkeit, Anlagen wirtschaftlich zu bauen?

Christopher Burghardt: Die Rahmenbedingungen haben sich so geändert, dass es eher interessanter wird, Solaranlagen zu bauen. Zumindest im Segment der Großanlagen, in dem wir unterwegs sind. Diese werden entweder an Investoren verkauft oder wir vermarkten den produzierten Strom an Industriekunden über Stromlieferverträge – sogenannte PPAs.

Das ist ein Modell aus den USA. Wie sieht es bei uns in Europa aus?

In Europa sind die Rahmenbedingungen inzwischen so, dass es möglich ist, auf einer wirtschaftlich gesunden Basis Solarstrom zu produzieren. Natürlich gibt es da große Unterschiede in den einzelnen Ländern, was die Förderung und die Hürden angeht. Aber allgemein können wir sagen, dass sich die Solarindustrie in den letzten Jahren so entwickelt hat, dass es jetzt wirklich darum geht, dass wir ein wirtschaftlich sinnvoller Teil des Strommixes sind. Das wird auch von Investoren, von Energieanbietern und Verbrauchern so gesehen.

In Deutschland ist die erste Ausschreibungsrunde von Solarparks gelaufen. Sie haben in den USA bereits Erfahrungen gesammelt. Ist die Ausschreibung ein taugliches Modell?

Das kann man nicht einfach miteinander vergleichen, da in den USA ein anderes System existiert. Die Stromanbieter sind verpflichtet, einen gewissen Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix zu haben. Woher der Versorger diesen Anteil bekommt, ist mehr oder weniger seine eigene Entscheidung. In der Regel läuft dies über Stromlieferverträge. Zumindest geht es in den USA darum, solche Verträge mit den Versorgern abzuschließen, die Anlagen dann zu bauen und zu vermarkten. Das ist in Europa anders. Hier hat immer noch der Staat mit seinen Abnahmetarifen für Strom die Hand im Spiel.

Wäre dies auch ein Modell für Europa?

Absolut. Es wäre auch in Europa viel sinnvoller, einen Markt zu schaffen, in dem Energieverbraucher bestimmen, welchen Strom sie beziehen wollen. Außerdem müssten auch hier die Versorger verpflichtet werden, einen bestimmten Prozentsatz Ökostrom in ihrem Mix zu haben. Dann würde es auch zu einem stärkeren Wettbewerb zwischen den einzelnen Technologien kommen. So könnte man auf wirtschaftlicher Basis einen Ausbau generieren, den man über diesen verpflichtenden Anteil allmählich steigern kann.

Doch derzeit stagniert der Zubau von Großanlagen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Knoten zu lösen?

Wir haben bisher Projekte im Umfang von neun bis zehn Milliarden US-Dollar weltweit entwickelt. Natürlich einen sehr großen Anteil in Amerika, aber auch in Europa. Wir sind in England gerade mitten in der Finanzierung verschiedener Portfolios. Ich glaube, dass Investoren auch in Europa ihr Geld in Anlagen stecken wollen und dies als Finanzprodukt sehen. Die Frage ist aber, wie neue Investoren inklusive Energieversorger in den Markt hineinkommen. Diese Entwicklung und das Interesse zeichnen sich deutlich ab. Die Energieversorger wollen aktiver auf dem Solarstrommarkt werden. Stadtwerke waren schon immer dort aktiv. Aber auch die größten Versorger schauen sich den Markt mit verschiedenen Konzepten neu an, und wir werden sehen, wie sich das in den nächsten Monaten und Jahren entwickeln wird.

Kommen Sie mit Energieversorgern zusammen oder haben Sie noch keine richtigen Kontakte?

Das fängt jetzt an. Wir sind in den ersten Gesprächen mit Energieversorgern. Ich bin zuversichtlich, dass wir da Ansatzpunkte finden. In Europa gehört EDF zu einem unserer größeren Kunden. In Amerika arbeiten wir mit mehreren großen Stromanbietern zusammen. Die größeren Energieversorger, größere Stadtwerke und unabhängige Versorger sind dort unsere Stammkunden. Auch in Europa zeichnet sich dieser Trend ab, und es ist eine Frage der Zeit, bis Energieversorger und Stadtwerke in das Solargeschäft einsteigen.

Mit dem Versorger hat man oft auch gleich den Netzbetreiber mit im Boot. Welche Vorteile hat das?

In Amerika schließt der Energieversorger mit dem Investor einen Vertrag ab. Wenn der Versorger auch Abnehmer der Energie ist, dann will er eine regelbare Anlage haben. Er will Garantien haben, dass zur richtigen Zeit genügend Strom geliefert wird. Er will aber auch ein stabiles Netz, das er über die Systemdienstleistungen der Solaranlage bekommt. Liefert ein konventionelles Kraftwerk diese Dienstleistungen, werden sie honoriert. Aber auch für den Betreiber einer Photovoltaikanlage wird dieses Geschäft in Zukunft noch interessant. Zudem werden die Stromversorger deshalb verstärkt die Anlagen selbst bauen, um diese Dienstleistungen zu bekommen, die normalerweise von den Netzbetreibern und Energieversorgern kommen. Für uns bedeutet dies, noch bessere Anlagen zu bauen, die einen positiven Einfluss auf das gesamte Netz haben.

Bisher nutzen die Netzbetreiber die Dienstleistungen noch gar nicht so üppig, wie es möglich wäre. Wie wird sich das ändern?

Das Problem ist, dass die Anlagen meist Finanzinvestoren gehören, gerade in Europa. Diese Investoren wollen vor allem ein attraktives Finanzprodukt. Der Netzbetreiber ist nur Abnehmer der Energie und steht etwas außerhalb der Erzeugung. Das wird sich ändern, wenn die Energieversorger selbst stärker in den Solarmarkt einsteigen. Sie betrachten die Anlage auch als Produktionsstandort und wollen natürlich wissen, wie viel Strom sie herausbekommen. Zudem sind sie meist Netzbetreiber und werden deshalb ein größeres Interesse an den Systemdienstleistungen haben.

Haben Sie sich an der ersten Ausschreibungsrunde in Deutschland beteiligt?

Als Entwickler haben wir uns nicht beteiligt. Wir schauen uns gerade an, ob wir Projekte in Deutschland mit Partnern entwickeln können. Das liegt daran, dass wir keine Erfahrungen mit der Projektentwicklung in Deutschland im eigenen Hause haben und auch nicht haben wollen. Wir sind hier vor allem als Technologielieferant und als Systemanbieter aktiv. Wir führen Gespräche mit verschiedenen Partnern, die an der ersten Ausschreibungsrunde teilgenommen haben oder an den weiteren Runden teilnehmen. Darunter sind auch Projektentwickler, die eine Marktprämie gewonnen haben.

Sie bauen vor allem Solarparks, weniger Dachanlagen. Wird sich dies im europäischen Markt ändern?

Am Ende geht es uns darum, preiswerten Solarstrom anzubieten. Die größte Akzeptanz erfährt Solarstrom über seine Wettbewerbsfähigkeit. Ob die Anlage auf einem Dach gebaut wird oder auf einer Freifläche, ist die Entscheidung des Kunden. Aber das Dach ist immer eine teurere Fläche, auf die man eine Solaranlage bauen kann. Wenn die Anlage teurer wird, weil die Fläche teurer zu bebauen ist, dann wird der Strom natürlich auch teurer. Eine Kostenoptimierung geht, wenn ein Industriebetrieb enorme Hallen hat und diese Hallendächer nutzen möchte.

Also entscheidet das Dach maßgeblich über die Kosten für die Solaranlage?

Wenn das Dach für eine Solaranlage ausgelegt ist, wird die Anlage billiger. Optimal wird es, wenn man Flächen nutzt, die für Solarstrom bestens geeignet sind. In Europa gibt es wenige Regionen wie im Südwesten von Amerika, wo man sehr große Wüstenflächen findet. Vielleicht im Süden von Spanien oder Italien. Dennoch haben wir genügend Flächen in Europa. Vor allem wenn man sich anschaut, wie wenig Fläche Solarstrom eigentlich braucht. Im Vergleich zur verfügbaren Gesamtfläche ist die Flächennutzung nicht unbedingt das Problem. Die Frage ist vielmehr, wie schafft man ein gutes Konzept, diese Flächen für Solarstrom zu nutzen. Die Bürger müssen verstehen, warum eine Solaranlage auf einem früheren Acker errichtet wird.

Dann bekommt man schnell das Problem der Flächenkonkurrenz, vor dem der Bauernverband im Vorfeld der Ausschreibungen gewarnt hat. Sehen Sie das anders – mit Ihren Erfahrungen aus den USA?

Die USA sind groß. Es kommt sehr darauf an, über welche Staaten man spricht. Wir haben unter anderem Anlagen in Maryland gebaut. Der Staat ist ungefähr so groß wie Belgien. Dort gibt es nicht so viele Flächen wie in Arizona oder Nevada. Auf der anderen Seite hat Maryland einen sehr hohen Stromverbrauch. Der Bau einer Anlage in der Nähe zur Stromnutzung hat natürlich auch Vorteile. Schließlich will auch niemand einen riesigen Netzausbau. Das heißt, man muss einen Kompromiss schließen.

Wie kann ein solcher Kompromiss aussehen?

Wichtig ist, die Stromerzeugung und die Agrarnutzung zu akzeptablen Kosten zu erreichen. Die Produktion und der Verbrauch des Stroms müssen aufeinander abgestimmt sein. Wir blicken in dieser Hinsicht zuversichtlich auf die Initiativen, einen europäischen Strommarkt zu schaffen. Denn je größer der Markt, desto mehr Flächendiversität gibt es. So bekommen wir einen besseren Ausgleich hin, was die Flächennutzung betrifft.

Stromnutzung und Stromproduktion in unmittelbarer Nähe spricht aber ein bisschen gegen die Ackerflächen. Denn die sind weit draußen. Wären da Konversionsflächen nicht eigentlich besser, wenn auch etwas teurer?

Das ist eben gerade Teil dieser Kompromisslösung. Hochproduktive Ackerflächen sollte man nicht für den Bau von Solaranlagen nutzen. Auf der anderen Seite haben wir Ackerflächen, die nur schlecht für die Landwirtschaft nutzbar sind. Dazu kommt, dass man mit dem Bau von Solaranlagen Wertschöpfung und Arbeitsplätze in die ländlichen Regionen bringt.

Dazu reichen die sogenannten Konversionsflächen nicht aus?

Ich glaube nicht, dass wir nur Konversionsflächen für Solarenergie nutzen sollten. Sondern wir wollen Flächen nutzen, die günstig sind, um preiswerten Strom anzubieten. Das ist auf Konversionsflächen nicht immer möglich. Aber wir wollen dies auf Flächen tun, die langfristig nachhaltig für Solarstrom genutzt werden. Aus dem einfachen Grund, weil die Anlage auch in 20 Jahren noch steht. Außerdem wollen wir auch in 20 Jahren noch neue Solaranlagen bauen. Da ist uns die Akzeptanz natürlich sehr wichtig.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

Christopher Burghardt

ist Vizepräsident von First Solar. Beim amerikanischen Modulhersteller und Projektierer ist er verantwortlich für das Geschäft in Europa.

www.firstsolar.com

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