Das Kapital von Thomas Schmid ist sein Boden, der liegt ihm am Herzen. Die Energiewende treibt der Landwirt ebenso voran. Warum nicht beides kombinieren? Mit Agrophotovoltaik, kurz auch Agro-PV oder APV genannt, geht das. Sie nutzt die knappe landwirtschaftliche Fläche doppelt, die Flächenkonkurrenz wird abgemildert. Seit Herbst 2016 findet unter Leitung des Fraunhofer ISE in Heggelbach am Bodensee ein Pilotversuch statt. Das Ziel: gleichermaßen einen hohen Ertrag an Strom und Nahrungsmitteln erwirtschaften. Auf einer Fläche der Demeter-Hofgemeinschaft von Bauer Schmid wurden über ein drittel Hektar Solarmodule installiert.
Die eingefahrene Ernte kann sich sehen lassen. Die doppelte Nutzung holt 60 Prozent mehr aus der Fläche, da Solaranlage und Agrarernte je 80 Prozent ihrer Erträge einfahren. Der ISE-Projektleiter Stephan Schindele ist zufrieden: Die APV-Anlage habe sich als praxistauglich erwiesen. „Die Kosten sind bereits heute mit kleinen Solardachanlagen wettbewerbsfähig.“ Noch handelt es sich allerdings um Pilotanlagen. Bis zur Marktreife der Technologie müssen noch weitere Sparten und Anlagengrößen getestet und die technische Integration vorangetrieben werden, weiß Schindele. Aus energetischer Sicht ist diese Doppelnutzung einer Ackerfläche ohnehin sinnvoll. Der reine Anbau von Energiepflanzen nimmt in Deutschland 18 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Beschlag.
Module in fünf Metern Höhe
Als Testkulturen wurden Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras angebaut. Durch einen größeren Reihenabstand zwischen den bifazialen Glas-Glas-Solarmodulen in fünf Meter Höhe und die Ausrichtung nach Südwesten wurde sichergestellt, dass die Nutzpflanzen gleichmäßig Sonnenstrahlung erhalten. Bauer Schmid war gespannt, was unter der Anlage mit dem Boden passieren würde. Auch diese Ausbeute könne sich sehen lassen. Beim Kleegras sei der Ertrag im Vergleich zur Referenzfläche nur um 5,3 Prozent reduziert, sagt Professorin Petra Högy, Agrarexpertin an der Universität Hohenheim. „Bei Kartoffeln, Weizen und Sellerie sind die Ernteverluste durch die Beschattung mit rund 18 bis 19 Prozent etwas stärker ausgeprägt.“
Die Solaranlage generiert überdurchschnittlich viel Strom. In den ersten zwölf Monaten hat die Anlage 1.266 Kilowattstunden Strom pro installiertem Kilowatt Leistung geerntet. Dieses Ergebnis liegt ein Drittel über dem deutschlandweiten Durchschnitt von 950 Kilowattstunden pro Kilowatt. Insgesamt sind in Heggelbach 194 Kilowatt installiert. Genug, um 62 Haushalte zu versorgen. Die 720 Module SW Bisun 270 duo von Solarworld gewinnen Strom nicht nur auf der Vorderseite, sondern nutzen auch die von der Umgebung reflektierte Strahlung auf der Rückseite. Bei günstigen Bedingungen erzielen sie ein Ertragsplus von 15 bis 25 Prozent.
Die Stromernte vom Acker passt zum Hof mit seinen täglichen Lastverläufen. So wurden etwa 40 Prozent des erzeugten Solarstroms in der Hofgemeinschaft direkt für das Betanken des Elektrofahrzeugs sowie die Verarbeitung der Produkte genutzt. Auch das ist wichtig, weil die Anlage keine EEG-Einspeisevergütung erhält. Im Sommer wurde die Last tagsüber fast komplett durch Photovoltaik gedeckt. Den überschüssigen Strom nimmt der Projektpartner Elektrizitätswerke Schönau ab.
Batterie erhöht Eigenverbrauch
Der Demeter-Bauer Schmid plant nun, sich einen Strompuffer anzuschaffen. Mit der Installation eines Batteriesystems mit 150 Kilowattstunden Kapazität soll der Eigenverbrauch des Solarstroms auf 70 Prozent steigen. „Unser Ziel war es, den Strom aus der Agrophotovoltaik insbesondere für den relativ hohen Stromverbrauch des landwirtschaftlichen Betriebs in den frühen Abendstunden verfügbar zu machen“, sagt Peter Hussinger, Speicherexperte bei der Baywa r.e. Solar Projects. Bei der Konzeption des Systemdesigns galt es, diese Anforderung zu berücksichtigen und zugleich einen Kompromiss zwischen optimaler Eigenverbrauchsquote und vertretbaren Investitionskosten zu finden. „Durch den modularen Aufbau, die einfache Erweiterbarkeit sowie die lange Lebensdauer ist das eingesetzte Fenecon-Batteriesystem bestens für das Projekt geeignet“, weiß Hussinger. So könne der Landwirt die Stromnutzung aus der APV-Anlage in einigen Jahren noch einmal erweitern.
Elektrifizierung der Landwirtschaft
Der Trend, dass sich auch die Landwirtschaft immer stärker elektrifiziert, ist hier zum Greifen nah. Gerade wenn künftig immer mehr Photovoltaikanlagen aus der EEG-Förderung fallen und der Strom selbst genutzt werden muss. Ein Elektrotraktor könnte dann direkt am Feld geladen werden. Der Allgäuer Agrarkonzern Agco teilt diese Vision. Seit vielen Jahren entwickelt und forscht der Hersteller an elektrischen Antriebssystemen. Mit dem Fendt E100 Vario wurde Ende 2017 der erste batterieelektrische Traktor vorgestellt. Auch Konkurrent John Deere hat Anfang des Jahres einen elektrischen Traktor vorgestellt.
Projektziel für die Pilotanlage am Bodensee sei die Entwicklung zu einem marktfähigen Produkt, erklärt ISE-Projektleiter Schindele. „Um den für eine Markteinführung notwendigen Nachweis der Verlässlichkeit im Einsatz zu erbringen, müssen wir weitere techno-ökonomische Anwendungen für Agrophotovoltaik vergleichen.“
Ziel: größere Anlagen bauen
Es gelte, eine Übertragbarkeit in andere Regionen zu demonstrieren und größere Anlagen zu bauen. So sollten die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten unter anderem in Kombination mit dem Anbau von Obst, Beeren sowie Wein und Hopfen getestet werden. Auf technischer Seite müssten Anlagen mit Energiespeicher, organischer PV-Folie und solarer Wasseraufbereitung und -verteilung untersucht werden. Neben Investitionen seitens der Industrie und der Forschungspolitik sei für die erfolgreiche Markteinführung der Agrophotovoltaik auch eine für erneuerbare Energien typische politische Steuerung notwendig, ergänzt Schindele.
Der Forscherkollege Max Trommsdorff vom ISE weiß, warum: „Dem Mehrertrag in der Summe aus Strom und Nahrungsmitteln stehen zusätzliche Kosten beispielsweise beim Montagegestell gegenüber.“ Die Photovoltaikanlage müsse sich mit rund 80 Prozent des Ertrags finanzieren, was die Amortisationszeit verlängert.
Mehrkosten verlängern Amortisation
Beim dem Projekt in Heggelbach stand die Wirtschaftlichkeit allerdings noch nicht im Vordergrund. „Wir wollten möglichst viele wissenschaftliche Erkenntnisse generieren“, betont Trommsdorff. An einer Ausschreibung hätte die Anlage durchaus teilnehmen können. Allerdings hätte das Projekt kaum eine Chance gehabt, über den Preis pro Kilowattstunde einen Zuschlag zu gewinnen.
Die höhere Windlast in fünf bis acht Metern Höhe wurde berücksichtigt, um das Montagesystem entsprechend dafür auszulegen. Das Fundament sollte nicht betoniert werden. Stattdessen kam ein sogenannter Spinnenanker zum Einsatz. Es handelt sich dabei um Bodenplatten, die mit langen Schrauben im Boden verankert werden. So kann die Halterung ohne Rückstände entfernt werden. Allerdings unterlagen diese Fundamente einer deutlich strengeren Statikprüfung. Auch das sind zusätzliche Kosten.
In Frankreich zählt nicht nur der Preis
Wir müssen definieren, was es uns wert ist, landwirtschaftliche Flächen weiter zu erhalten und zeitgleich die Energiewende voranzubringen. Die Politik könnte jedem Landwirt beispielsweise einen Hektar für Agrophotovoltaik zugestehen und vergüten. Das wäre ein Anfang. Auch ein gesondertes Ausschreibungsdesign für Agrophotovoltaik kann eine Lösung sein. Ausschreibungen in Frankreich beispielsweise legen mehrere Bedingungen fest – der Preis pro Kilowattstunde entscheidet nicht mehr allein, sondern nur zu 60 Prozent. 40 Prozent werden über die Innovationskraft der Anlage ermittelt und bewertet. „Es wird zumindest ein marktnahes Ausschreibungsmodell umgesetzt“, findet Forscher Trommsdorff. Aber Agrophotovoltaik ist nicht gleich Agrophotovoltaik. Die Projekte unterscheiden sich teilweise deutlich.
Acker fällt aus den EU-Subventionen
Ein Gewächshaus mit Halbüberdachung sei genauso möglich wie ein offenes System wie in Heggelbach. Anlagen auf Gewächshäusern sind konventionellen Anlagen sehr ähnlich, es entstehen kaum Mehrkosten. Für den Landwirt fällt ins Gewicht, dass er keine EU-Subventionen für die Ackerfläche erhält. Der Grund: Im Flächennutzungsplan musste der Versuchsacker umdeklariert werden: von einer landwirtschaftlichen Nutzung zu einem Sondergebiet Agrophotovoltaik der Gemeinde Pullendorf.
Dadurch waren EU-Subventionen im Vorhinein ausgeschlossen. Der Pionier Thomas Schmid wird also erst einmal schlechter gestellt. „Das liegt aber weniger an der EU als an der deutschen Kategorisierung der Flächen“, gibt Trommsdorff zu bedenken. Ein schnelles Umdenken wäre hilfreich, um das neue und innovative Thema der effektiven Flächennutzung voranzubringen. Es gilt, weiter an dem Thema zu ackern.
In Frankreich beispielsweise läuft in diesem Herbst die zweite von drei Ausschreibungen über je 15 Megawatt. Die einzelnen Anlagen für Agrophotovoltaik dürften die Marke von drei Megawatt Leistung nicht überschreiten. Eine politische Förderung wäre wünschenswert.
Exportschlager Agrophotovoltaik
In Japan gibt es bereits mehr als 1.000 APV-Anlagen, weil schon seit 2012 entsprechende Anlagen gefördert werden. Denn die Flächen auf der Insel sind knapp. Eine strenge Auflage ist zudem, dass mindestens 80 Prozent der Agrarerträge noch erreicht werden. Ansonsten müssen die Anlagen wieder abgebaut werden. Das Know-how für Agrophotovoltaik am ISE wurde bereits weltweit abgerufen.
Die Forscher betreuen mittlerweile mehrere Anlagen in Chile und Vietnam. Die Photovoltaik kann das Leben in netzfernen Regionen, die Lebensqualität, Bildung und medizinische Versorgung erheblich verbessern.
Heute haben im subsaharischen Afrika rund 92 Prozent der Landbevölkerung keinen Strom. Durch die Agrophotovoltaik erschließen sich Landwirte neue Einkommensquellen, gleichzeitig sinkt die Abhängigkeit der Landbevölkerung von fossilen Energieträgern, wie Diesel für Stromgeneratoren. Zudem kann man Solarstrom zum Kühlen nutzen. Die Idee ist nicht neu. Der Gründer des Fraunhofer ISE, Professor Adolf Goetzberger, formulierte sie schon 1981. Damit bald mehr solche Anlagen entstehen, muss die Regulierung weg vom reinen Denken an den Preis pro Kilowattstunde.
AGCO
Der elektrische Traktor kommt
Der Allgäuer Agrarkonzern Agco bekennt sich zur Elektrifizierung der Landwirtschaft. Mit dem Fendt E100 Vario wurde im Herbst 2017 der erste praxisgerechte, batterieelektrische Traktor vorgestellt. Bei üblicher Nutzung soll er einen vollen Arbeitstag fahren – ohne nachzuladen.
Der elektrische Traktor verfügt über 50 Kilowatt Antriebsleistung, mit denen er bis zu fünf Betriebsstunden unter realen Einsatzbedingungen arbeiten kann. Die Energiequelle ist eine 650-Volt-Lithiumbatterie mit einer Kapazität von rund 100 Kilowattstunden. Das ist noch etwas mehr als ein Tesla Model S mit 85 Kilowattstunden. Geladen wird laut Fendt entweder mit 400 Volt Spannung und bis zu 22 Kilowatt Leistung über eine genormte CEE-Hofsteckdose oder über einen Supercharger mit Gleichspannung. Mit einem genormten CCS-Typ-2-Stecker kann so die Batterie schon in 40 Minuten bis zu 80 Prozent wieder aufgeladen werden. Zudem kann durch den Elektromotor im Betrieb Energie rückgewonnen werden.
Mit dem E100 Vario ist der Einsatz von konventionellen als auch elektrifizierten Anbaugeräten möglich. Ausgestattet ist der E-Traktor mit zwei AEF-konformen Leistungsschnittstellen für elektrische Arbeitsgeräte. Die Batterie kann kurzzeitige Boost-Leistung bis zu 150 Kilowatt für die Geräteantriebe freigegeben. Es gibt sowohl einen Standard-Zapfwellenanschluss, als auch die übliche Hydraulikversorgung für Anbaugeräte.
Der Fendt E100 Vario ist daher mit vorhandenen Arbeitsgeräten ohne Einschränkungen einsetzbar, aber auch für die Vorteile elektrischer Geräte gerüstet. Die Effizienz des Stromtraktors wird durch ein innovatives Thermomanagement noch gesteigert. Eine geregelte elektrische Wärmepumpe übernimmt die Klimatisierung der Kabine, aber auch der Batterie und Elektronik. In diesem Jahr ist der Vario bereits in ausgewählten Betrieben und in Kommunen im Einsatz.
Fraunhofer ISE
Exportschlager für Chile und andere Märkte
Die Verbindung von Solarstrom und landwirtschaftlicher Produktion auf der gleichen Fläche hat sich bereits in Pilotprojekten in mehreren europäischen Ländern bewährt. Auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat in Kooperation mit der Innovationsgruppe „APV-Resola“ an einer großen Forschungsanlage am Bodensee die Kombination erprobt. Im nächsten Schritt gehe es nun darum, die Systemtechnik der Agrophotovoltaik in Entwicklungs- und Schwellenländern zu etablieren, wo sie ihre Stärken aufgrund der höheren Solareinstrahlung noch besser ausspielen könne, erklärt Stephan Schindele. Er leitet das Projekt Agrophotovoltaik am Fraunhofer ISE.
In einem Pilotprojekt für Agrophotovoltaik in Kooperation mit Fraunhofer Chile wurden drei Anlagen mit einer Leistung von je 13 Kilowatt in den Gemeinden El Monte, Curacaví und Lampa getestet. In dem von der Metropolregion Santiago de Chile unterstützten Projekt wird untersucht, welche Kulturpflanzen von einer weniger starken Sonneneinstrahlung profitieren. Sensoren erfassen meteorologische Daten wie Sonneneinstrahlung und Luftfeuchte, aber auch Bodenfeuchte und -temperatur. Diese Daten werden auch für die Optimierung der Bewässerungszyklen genutzt.
Die landwirtschaftlichen Betriebe wiesen dabei sehr unterschiedliche Profile auf: Im ersten Fall kam die Anlage in einem landwirtschaftlichen Betrieb zum Einsatz, der mit professionellen Methoden Brokkoli und Blumenkohl anbaut. Der Solarstrom wird in den Veredelungsprozessen wie Reinigung, Verpackung und Kühlung verwendet. Die zweite Pilotanlage wurde in einem Familienbetrieb errichtet, der darunter Kräuter anpflanzt. Im dritten Fall, in einer abgelegenen Region mit schwach entwickelter Infrastruktur und unzuverlässiger Stromversorgung, stellt die APV-Anlage die Stromversorgung für sieben Familien sicher, so auch für einen Inkubator zum Ausbrüten von Hühnereiern.
Das Potenzial der Agrophotovoltaik in Gebieten in Nord- und Zentralchile wird als sehr groß eingeschätzt, da dort große Teile der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben, die von Trockenheit, Wüstenbildung und Wassermangel infolge des Klimawandels besonders stark betroffen ist. Durch die partielle Verschattung von Ackerflächen senken Agrophotovoltaikanlagen den Wasserbedarf und bieten Nutztieren Schatten. Auch Fruchtarten, die aufgrund des trocken-heißen Klimas und der starken Sonne nicht wachsen, können in einem APV-System kultiviert werden. Gleichzeitig wird der produzierte Solarstrom für Wasserpumpen oder Entsalzungsanlagen genutzt.