Das Aus kam überraschend, aber letztlich haben sich die Hoffnungen auf neue Aufträge aus Asien nicht erfüllt. Die Geschäftsleitung des japanischen Konzerns Tokyo Electron hat in seiner Sitzung im Februar beschlossen, die frühere Solarsparte von Oerlikon aufzugeben. Erst vor einem Jahr hatten die Japaner das Dünnschichtgeschäft der Schweizer übernommen und mit den Überresten der Photovoltaiksparte von Applied Materials zusammengeführt. Noch vor wenigen Jahren galten Applied und Oerlikon als Vorreiter in der Siliziumdünnschicht. Nun beginnt im eidgenössischen Trübbach das große Zittern: Von den rund 300 Mitarbeitern werden kaum 100 in eine andere Gesellschaft von Tokyo Electron übernommen, um bestehende Fabriken zu pflegen und die laufenden Verträge mit Bestandskunden zu erfüllen.
Fast 17 Prozent aus dem CIS-Modul
Damit dürfte die Siliziumdünnschichttechnik aus dem Markt verschwinden oder sich zumindest auf eine kleine Nische reduzieren. Denn derzeit ist in Europa nur noch Masdar PV in Ichtershausen mit dieser Technologie unterwegs. Masdar gehört arabischen Eignern, die Fabrik bei Erfurt ist klein. Mit 80 Megawatt Jahreskapazität kann sie großen Konkurrenten wie First Solar oder Solar Frontier nur wenig entgegensetzen. Die entscheidende Frage ist, wie lange die Scheichs dem Projekt die Treue halten. Immerhin: Masdar gibt sich selbstbewusst. Auf dem World Future Energy Summit in Abu Dhabi präsentierte Technikchef Andreas Heidelberg eine Roadmap. Demnach könnten die Module bis Ende 2014 einen Wirkungsgrad von 14 Prozent erreichen. Derzeit schafft Masdar 10,4 Prozent, mit einem Sandwich aus amorphem und mikrokristallinem Silizium. Heidelberg führte aus, dass mit großen Paneelen (5,7 Quadratmeter) mittelfristig Herstellungskosten von 40 US-Cent pro Watt möglich seien.
Dagegen die Produzenten von Solarmodulen auf der Basis von Kupfer-Indium-Halbleitern (CIS/CIGS): Der weltgrößte Produzent solcher Module ist Solar Frontier in Japan. Im Februar kündigte das Unternehmen an, in der Tohoku-Region ein neues Werk zu errichten, mit 150 Megawatt jährlichem Ausstoß. Baubeginn ist im März, ab 2015 sollen die neuen Module vom Band laufen. Die Module werden einen Wirkungsgrad von mehr als 16 Prozent aufweisen und damit polykristalline Module überflügeln. In Miyazaki, am Südzipfel der japanischen Insel Kyushu kann sich Solar Frontier auf eine Kapazität von knapp einem Gigawatt stützen. Im Labor haben die Ingenieure bereits einen Wirkungsgrad von mehr als 19 Prozent erreicht. Nun fließen die Neuerungen sukzessive in die neuen Module ein. In Deutschland ist Solar Frontier derzeit mit Komplettsystemen (Solar Sets) erfolgreich, um die Systemkosten weiter zu drücken.
Der chinesische Fabrikanbieter Hanergy Solar gab unterdessen bekannt, zwei neue Produktionslinien mit rund 600 Megawatt Kapazität aufzubauen. Auftraggeber ist Hebei Caofeidian Hanergy Photovoltaic, das Unternehmen gehört zum selben Konzern. Hanergy hatte vor zwei Jahren die CIGS-Sparte von Q-Cells in Thalheim übernommen, wo die Solibro-Module gefertigt wurden. Auch Miasole und Global Solar aus den USA wurden übernommen. Auch Hanergy wird den Bau im März beginnen. Der jüngste Auftrag ist rund eine Milliarde US-Dollar schwer. Er bildet den Auftakt für ein gigantisches Werk, das im Jahr drei Gigawatt Dünnschichtmodule produzieren soll.
Chinesen sind teuer
Als der Deal an der Börse bekannt wurde, sprang die Hanergy-Aktie kurzzeitig um fast 50 Prozent nach oben. Hanergy bezifferte die Investition auf rund eine Milliarde Dollar. Das entspricht rund 1,8 Dollar je Watt. Solar Frontier hatte seine Gigawattfabrik in Myiazaki in Südjapan für einen Dollar das Watt errichtet – vor drei Jahren. Offenbar stellt Hanergy die neuen Kapazitäten nur auf den chinesischen Photovoltaikmarkt ab. Im globalen Preiskampf dürften die Hanergy-Module gegen die japanische Konkurrenz wenig Chancen haben.
Eher könnte sich ein deutscher Anbieter zurückmelden, der sein Werk in Torgau im vergangenen Jahr vorübergehend stillgelegt hatte. Mitte Februar meldete der Modulhersteller Avancis einen Sprung im Wirkungsgrad von CIGS-Modulen. In Torgau befindet sich die Fabrik, die Ingenieure arbeiten in München. Auf einem Labormodul mit 30 Zentimetern Kantenlänge schafften sie 16,6 Prozent Wirkungsgrad. Bald sollen die neuen Module aus der Fabrik rollen. Die Power-Max-Module könnten dann rund 160 Watt je Quadratmeter leisten.
Avancis mit neuem Rekord
Das getestete CIS-Rekordmodul entstammte bereits der Serienfertigung in Torgau, wurde in München zusätzlich prozessiert. So wurde die Pufferschicht aus Indium und Schwefel optimiert, um die Bandlücke und die Energieübertragung bei kurzen Wellenlängen zu verbessern. Außerdem konnten die Entwickler den Schichtwiderstand des gesputterten Frontkontaktes (TCO) aus Zinnoxid und Aluminium verbessern. Ein extrem schneller Laser verringert die Totzone zwischen den seriell verschalteten Zellen. Eine Pikosekunde ist der millionste Teil einer Mikrosekunde.
Mit Wirkungsgraden jenseits von 16 Prozent kann Dünnschicht bessere Module anbieten als polykristallines Silizium. Die Dünnschichtmodule sind robuster gegen Teilverschattung und Schwachlicht.
Außerdem nutzen sie ein breiteres Lichtspektrum und vertragen höhere Temperaturen besser. Ihr temperaturabhängiger Leistungsgradient ist nur halb so hoch wie bei multikristallinen Paneelen. Vor allem: Es ist nicht notwendig, die Module exakt nach der Sonne auszurichten. Die Aufständerung entfällt, was gerade bei großen Industriedächern ein erheblicher Vorteil sein dürfte. Sogar in der Vertikalen als Fassadenmodule kann man sie verbauen.
Schon jetzt sind die Dünnschichtmodule in der Lage, der polykristallinen Konkurrenz Paroli zu bieten. First Solar aus den USA nutzt Cadmiumtellurid als Halbleiter. Ende Februar meldete das Unternehmen einen neuen Rekord: Die Ingenieure in Perrysburg im US-Staat Ohio schafften einen Wirkungsgrad von 20,4 Prozent.
Im Zuge der Konsolidierung hatte First Solar nicht nur sein Werk in Frankfurt/Oder aufgegeben. Die Firma hatte zudem mit General Electric einen Deal eingefädelt. Jahrelang hatte GE an der CdTe-Technik geforscht und ein eigenes Werk geplant. Diese Pläne wurden verworfen. First Solar übernahm die Technik und die Patente. Im Gegenzug stieg GE mit 1,75 Millionen Aktien bei First Solar ein und ist nun ein starker Partner im globalen Kraftwerksgeschäft. GE hatte vor wenigen Jahren den Wechselrichterhersteller Converteam in Berlin übernommen. Dort wird beispielsweise der Großwechselrichter Prosolar hergestellt, der 1.500 Volt Gleichspannung am Eingang verarbeiten kann.
Jedes Jahr ein Prozent mehr
Zurzeit produziert First Solar die Dünnschichtmodule mit einem Wirkungsgrad von 14,1 Prozent, in den beiden Werken in Ohio und Malaysia. „Ab dem zweiten Quartal werden sie auch in Europa ausgeliefert“, bestätigt Stefan Degener, Chef der First Solar GmbH in Mainz. „Der Wirkungsgrad unserer Module der Serie FS 3 black plus bezieht sich auf Standardtestbedingungen (STC), gemessen bei 25 Grad Celsius Modultemperatur. Bei Betriebsbedingungen im Feld werden regelmäßig höhere Modultemperaturen erzielt, und der Vorsprung der polykristallinen Module schmilzt dahin.“
Der nominale Wirkungsgrad eines Solarmoduls sagt wenig darüber aus, wie viel Energie es während des Betriebs auf dem Dach oder auf der freien Fläche tatsächlich liefert. Nun holen die Dünnschichtmodule bei der Flächeneffizienz auf. Somit können sie ihre technologischen Vorteile bei Verschattung und Ausrichtung voll ausspielen. „Im nächsten Jahr werden wir in der Serienfertigung mehr als 15 Prozent Wirkungsgrad erreichen“, stellt Degener in Aussicht. „2016 sollen es 16,2 bis 16,9 Prozent sein. 2017 vielleicht sogar über 17 Prozent. Jedes Jahr ein Prozent mehr, das schafft die polykristalline Konkurrenz nicht.“
Ein gallisches Dorf
Klar ist: Wenn die Dünnschichtmodule die Leistungsfähigkeit der polykristallinen Paneele knacken, werden sie ihren Marktanteil sehr schnell und sehr deutlich ausbauen – vor allem auf Dächern, wo sie bislang eher eine Seltenheit sind. Ein Beispiel ist Calyxo, ein kleiner Hersteller von Cadmiumtelluridmodulen, mit Sitz in Thalheim bei Bitterfeld.
Bisher hatte das Unternehmen nur eine kleine Linie mit 25 Megawatt Kapazität im Jahr. Calyxo geht auf die Cadmiumtelluridsparte von Q-Cells zurück, die später von Solar Fields übernommen wurde. Fünf Jahre hat es gedauert, bis die ursprünglichen Pläne einer größeren Fabrik umgesetzt werden konnten.
Im Februar war es dann so weit, Firmenchef Florian Holzapfel eröffnete das neue Werk. Die Investition betrug 54 Millionen Euro. Für ihn ist Calyxo das letzte gallische Dorf. „Zumindest haben wir uns in den vergangenen Jahren manchmal im Solar Valley so gefühlt“, sagt er in Anspielung auf „Asterix und Obelix“. Die Römer sind in diesem Fall asiatische Solarkonzerne, die in Bitterfeld-Wolfen zuerst Solibro und später Q-Cells schluckten. Auch Calyxo setzte die Solarkrise zu. Vier Jahre forschte das Unternehmen an neuen Herstellungsverfahren. Nun glaubt die Calyxo-Führung, die Formel für den „Zaubertrank“ gefunden zu haben.
Immerhin: Calyxo hat im letzten Jahr mehrere interessante EPC-Projekte akquiriert und realisiert. Die Cadmiumtelluridmodule leisten zwischen 75 und 85 Watt.
Sie eignen sich für kleinere Installationen auf Einfamilienhäusern bis hin zu großen Megawattanlagen auf Freiflächen. Für die Entwicklung der Produkte hat das Unternehmen unter anderem mit dem Fraunhofer-Institut für Siliziumphotovoltaik in Halle kooperiert. Perspektivisch kann die neue Fabrik auf 100 Megawatt ausgebaut werden.
Gebäudeintegration
Fassade mit CIGS
Baraclit ist ein italienisches Unternehmen, das im Betonfertigbau tätig ist. Der Hauptsitz mit 350 Mitarbeitern befindet sich in Bibbiena. Der Ort befindet sich auf halbem Weg zwischen Florenz und San Marino, in Mittelitalien. Seit 2009 ist Baraclit auch in der Gebäudeintegration von Photovoltaikprodukten engagiert.
In Bibbiena wurde 2012 eine interessante Solarfassade mit 420 CIGS-Modulen von Solar Frontier realisiert. 57,75 Kilowatt wurden nach Süden ausgerichtet, 5,25 Kilowatt nach Osten. Im Kontrast mit dem hellen Beton wirken die schwarzen Module als Blickfang. Die Wechselrichter wurden von Power-One geliefert. Die Anlage leistet in der Summe 63 Kilowatt. Ihr prognostizierter Ertrag liegt bei rund 52.245 Kilowattstunden im Jahr.
Calyxo
Deutsche Module für Namibia
Calyxo aus Thalheim wurde als EPC-Anbieter für ein Solarsystemprojekt in Swakopmund in Namibia beauftragt. Vergeben wurde das rund 300 Kilowatt große Aufdachprojekt von der Firma Soltec. Die Cadmiumtelluridmodule wurden auf einem Lebensmittelmarkt der Superspar-Kette errichtet. Swakopmund liegt im Westen Namibias und grenzt an die Wüste Namib, direkt am Atlantik. Die Gegend wurde früher Skelettküste genannt, heute ist Swakopmund eine Hochburg für deutsche Pensionäre, die das milde Klima und die Seeluft genießen. Auch zieht Swakopmund jedes Jahr Hunderttausende Touristen an, auf einen kurzen Abstecher aus der Etosha-Pfanne und den historischen Diamantminen im Süden des Landes.
Die Dünnschichtmodule von Calyxo wurden eigens für küstennahe Installationen vorbereitet. Sie durchliefen aufwendige Salznebeltests (IEC 61701), um das aggressive Seeklima auszuhalten. Neben den CX3-Modulen lieferte Calyxo auch das selbst entwickelte Einlegesystem MX, das geringe Installationszeiten erlaubt und die Module schonend lagert.
CIGS-Dünnschicht
Drei Sets für Ost-West-Dach
Auf beiden Dachseiten einer Doppelhaushälfte in Ennepetal in Nordrhein-Westfalen wurden Mitte 2013 insgesamt drei Solar Sets von Solar Frontier installiert. Das nach Osten ausgerichtete Dach bietet Platz für zwei Sets mit 6,9 Kilowatt Leistung. Jedes Set besteht aus 42 CIGS-Modulen. Zusätzlich wurde auf der kleinen Westdachseite ein Set mit 18 Modulen montiert (Leistung: drei Kilowatt). Die Anlage mit einer Gesamtleistung von 16,8 Kilowatt erzeugt im Jahr rund 14.600 Kilowattstunden Sonnenstrom.
Die Solar Sets bestehen aus Wechselrichtern, Modulen, Verbindungskabeln, DC-Kabeln, Steckern und Buchsen, die allesamt aufeinander abgestimmt sind. Jedes Solar Set kann auf unterschiedliche Weise montiert werden, sogar auf Dachflächen mit Verschattung. Die Dächer der Anlage in Ennepetal weisen nach Osten und Westen. Aufgrund des guten Schwachlichtverhaltens arbeiten die CIGS-Dünnschichtmodule auch am frühen Morgen und bis in den späten Abend.
Der spezifische Ertrag ist höher als bei polykristallinen Paneelen. „Ich bin schon seit Jahren ein großer Fan von Solar Frontier, da diese Module meiner Meinung nach die beste Leistungsfähigkeit haben“, urteilt Hartmut Bauer, Geschäftsführer der Lean Solar GmbH. „Durch die Solar Sets spare ich pro Anlage alleine in der Planung mindestens 90 Minuten, da ich Wechselrichter und Verkabelung nicht mehr selbst auslegen muss. Hinzu kommt die Zeitersparnis in der Beschaffung und Montage.” Lean Solar hat beispielsweise eine Eigenverbrauchsanlage in Castrop-Rauxel mit Modulen von Solar Frontier und Wechselrichtern von Kaco aufgebaut. Der Generator leistet 620 Kilowatt. Das Dach hat eine Neigung von zwölf Grad.