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“Die letzte Meile ist entscheidend“

Seit 2013 sind Sie Geschäftsführer von Akasol. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?

Lothar Holder: Es ist eine unglaublich spannende Aufgabe, ein junges und aufstrebendes Unternehmen zu begleiten. Ohne pathetisch werden zu wollen, gibt es auch einen persönlichen Beweggrund. Wenn man Familie hat und sich den Klimawandel und die Umweltverschmutzung anschaut, führt das natürlich dazu, dass man intensiver nachdenkt.

Also auch eine persönliche Herausforderung?

Ab einem gewissen Alter spielen die Zukunftsperspektiven der nächsten Generation und die Nachhaltigkeit dessen, was man tut, eine größere Rolle. Für mich persönlich haben Nachhaltigkeit und Langfristigkeit der Ressourcennutzung enorm an Bedeutung gewonnen. All das spielt bei der Schulz Group, der Muttergesellschaft von Akasol, eine strategisch große Rolle. Neben der Herausforderung, stärker unternehmerisch tätig zu sein und meine internationale Erfahrung in der Weiterentwicklung der Gruppe einzubringen, war das sicherlich ein wesentlicher Faktor, der mich zu dieser Entscheidung bewogen hat.

Wo sehen Sie die großen Wachstumsfelder der Elektromobilität auf der Straße?

Entgegen dem, was pressewirksam jeden Tag diskutiert wird, weniger bei Personenkraftwagen, sondern eher in kommerziellen Anwendungen, sprich im öffentlichen Personen- und Nahverkehr (ÖPNV), in Kommunalfahrzeugen und sicherlich auch bei den Nutzfahrzeugen. Ich sehe die Chancen insbesondere dort, wo es um die letzte Meile im Lieferverkehr geht, also der abgasfreie Betrieb von Lkw und Transportern in den Städten. Dort sehe ich im Moment die dynamischsten Wachstumssegmente.

Akasol liefert auch Batterien für Straßenbahnen. Reichen die Oberleitungen nicht mehr aus?

Wo es Straßenbahnen mit Oberleitungen gibt, braucht man keine Batterien, das stimmt. Wir haben aber zum Beispiel Batterien für Straßenbahnen nach Nanjing in China geliefert, zusammen mit unserem Partner Bombardier. Dort gibt es zum Teil auch oberleitungsfreie Straßenbahnen. Die Infrastrukturkosten für ein flächendeckendes Oberleitungssystem sind signifikant hoch.

Öffnet sich der Markt dort, wo es um die Alternative zu teuren Oberleitungen geht?

Das kann und will sich nicht jede Stadt leisten. Das erlebe ich gerade in meiner Heimatstadt Ulm, wo eine neue Straßenbahnlinie genau aus diesem Grund sehr kontrovers diskutiert wird. Hinzu kommt, dass Oberleitungen die historischen Altstädte unter Umständen verschandeln und ihnen ein ganzes Stück von ihrem Charme nehmen. Ein weiterer Faktor sind Strecken in Vororte, die weniger frequentiert sind und damit solche Infrastrukturmaßnahmen überproportional verteuern. In solchen Fällen kann ein oberleitungsfreies, rein batterieelektrisches Antriebskonzept für die Straßenbahn punkten.

Für wen ist die Elektromobilität schon profitabel?

Das Wort profitabel würde ich in dem Zusammenhang nicht verwenden. Das kann noch gar nicht sein, denn die konventionelle Motorenindustrie hatte mehr als 100 Jahre Zeit, die Verbrennungsmotoren technisch, in der Herstellung und in der Anwendung zu optimieren. Wer heute erwartet, dass er mit einer neuen Technologie kurzfristig die gleiche Wirtschaftlichkeit erreichen kann, macht sich etwas vor. Wir sprechen über die kommerziellen Segmente, die für alternative Antriebskonzepte prädestiniert sind. Das sind all die Anwendungen, mit denen am Ende des Tages Geld verdient werden muss. Die alternativen Antriebskonzepte für diese Anwendungen jetzt wirtschaftlich zu bekommen, das ist die Aufgabe und die Herausforderung für die Elektromobilität.

Also Vorsicht mit zu schnellen Versprechungen ...

Heute müssen Sie noch sehr genau rechnen, um annähernd in den Bereich einer vergleichbaren Wirtschaftlichkeit mit konventionellen Antriebskonzepten zu kommen. Da gehören auch weiche Entscheidungsfaktoren dazu, die solche alternativen Konzepte rechtfertigen. Aber, und davon bin ich fest überzeugt: Wir werden in Zukunft signifikante Kostendegressionen sehen, die im Wesentlichen über Skalierungseffekte und Produktions- und Prozesseffizienz kommen. Wenn wir zum Beispiel bei Akasol einen Faktor zehn im Produktionsvolumen erreichen, dann ist logisch, dass wir über das Einkaufsvolumen und die entstehende Effizienz bei größeren Losgrößen in der Produktion deutliche Kostenverbesserungen erzielen können.

Ist es nicht auch eine Frage der Rahmenbedingungen, dass die Elektromobilität noch nicht profitabel ist?

Da gebe ich Ihnen grundsätzlich recht. Es ist natürlich gerade in einer jungen Industrie mit einer neuen Technologie ganz eng mit den politischen Rahmenbedingungen verknüpft, das heißt mit dem politischen Willen, einer solchen Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. Ich betrachte es aber immer auch von der anderen Seite. Natürlich nehme ich die Politik in die Pflicht und erhoffe und wünsche mir Unterstützung. Am Ende des Tages muss die Elektromobilität aber auch ohne fördernde Rahmenbedingungen wirtschaftlich sein. Denn übermäßige oder fehlgeleitete Subventionen führen sicherlich nicht zu einem reifen und gesunden Markt. Der Photovoltaikmarkt ist dafür ein Negativbeispiel. Auf lange Sicht müssen wir die Elektromobilität ohne große Förderungen wirtschaftlich bekommen. Wichtig sind klare, langfristig planbare und transparente Rahmenbedingungen.

Politiker fordern immer wieder, dass die Fertigung von Batterien und Zellen in Deutschland anzusiedeln sei. Andere sagen, das entscheidende Wissen stecke gar nicht in der Zelle. Was sagen Sie?

Die Zelle ist aus unserer Sicht nicht der einzige Erfolgsfaktor eines qualitativ hochwertigen Batteriesystems. Leistungsfähigkeit, Lebensdauer und Sicherheit eines Systems hängen wesentlich von der gesamten Systemintegration ab. An dieser Stelle kommen sicherlich unsere deutschen Ingenieurstugenden zum Tragen. Insofern wäre es zwar schön, wenn wir eine wettbewerbsfähige Zellproduktion in Deutschland hätten. Aus unserer Sicht ist es aber nicht zwingend notwendig. Wir haben große Prüfstände, wo wir seit Jahren mit unterschiedlichen Zellen verschiedene Tests zur Validierung und Lebensdauer machen. In der Summe unserer Erkenntnisse vertreten wir die Meinung, dass der Erfolg eines Batteriesystems in der richtigen Konfiguration des Gesamtsystems und nicht in der einzelnen Zelle als solcher liegt.

Die großen Autoproduzenten betrachten die Batterieherstellung als ihre Kernkompetenz. Das dürfte es für Sie schwer machen, die Autoindustrie als Kunden zu gewinnen.

Ja, das ist sicherlich ein schwieriges Thema. Wir werden sicherlich nicht der Batterielieferant für Großserienfahrzeuge wie zum Beispiel den Volkswagen E-Up oder E-Golf werden. Das ist eine zukünftige Kernkompetenz der Automobilhersteller, genauso wie es heute die Motoren sind. Diese Kompetenz werden sich die großen Automobilisten nicht nehmen lassen.

Worauf konzentrieren Sie sich?

Wir sind mit unserem Produktangebot im Wesentlichen in kommerziellen Hochleistungsanwendungen unterwegs. Das sind Branchen, in denen es darum geht, rund um die Uhr Leistung zu erbringen, Geld zu verdienen und Wirtschaftlichkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Das sind sicherlich nicht die Großserien wie in der Pkw-Produktion, sondern eher die Anwendungen mit dreistelligen, vierstelligen oder maximal fünfstelligen Stückzahlen. Dort als OEM-Zulieferer die Kompetenz selbst aufzubauen, das muss man sich aus Gründen der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit sehr genau überlegen. Dort können Firmen wie Akasol eine Rolle spielen.

Wenn man heute das Stichwort Elektromobilität hört, fällt nur selten der Begriff erneuerbare Energien. Akasol ist in beiden Branchen tätig. Wie gehören sie zusammen?

Ein elektrisches Fahrzeug ist nur so umweltfreundlich wie der Strom, der für seine Batterie erzeugt wird. Eine deutlich engere Vernetzung von regenerativer Energieerzeugung und Nutzung dieser Energie in batterieelektrischen Fahrzeugen ist zwingend. Das Thema muss weiter an Bedeutung gewinnen. Wir diskutieren es im Moment intensiv bei Eigenheimen, wo die Speicherung von regenerativer Energie in Verbindung mit dem Elektroauto eine immer größere Rolle spielt. Die Frage ist, wie man das Elektrofahrzeug sinnvoll in die regenerative Energieversorgung des Eigenheims einbinden kann. Aber da sind wir noch relativ früh dran. Dafür gibt es noch keine wirklich ausgegorenen Konzepte. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Zahl der Besitzer von Elektroautos in Deutschland noch recht überschaubar ist.

Dennoch ist es doch für viele Anwender gerade auch kommerziell interessant, den Eigenverbrauch von Solarstrom durch Elektroautos zu erhöhen. Oder nicht?

Absolut. Das ist im Moment der klar erkennbare Markttrend – die Optimierung des Eigenverbrauchs. Heute geht es darum, Energie zu sparen und die Energiekosten zu senken. Das reicht vom Einfamilienhausbesitzer über den kleinen Gewerbetreibenden bis hin zu den Stadtwerken. So ist das zum Beispiel mit unseren Batteriesystemen in Solaris-Bussen bei den Verkehrsbetrieben in Braunschweig. Sie sind mit dem Primove-System von Bombardier ausgestattet. Diese Fahrzeuge werden auf ganz normalen Routen eingesetzt. Sie fahren rein batterieelektrisch und werden bei Haltestellenstopps induktiv geladen. Der Ladestrom kommt vollständig aus regenerativen Energien.

Welche staatliche oder politische Unterstützung wünschen Sie sich, um die Elektromobilität zu fördern?

Ein klares politisches Bekenntnis und ein Budget zur flächendeckenden Unterstützung von Städten und Kommunen, um den emissionsfreien öffentlichen Nahverkehr voranzubringen. Und zwar nicht nur in Form von Leuchtturmprojekten. Im ÖPNV liegt meines Erachtens einer der griffigsten Ansatzpunkte. Der öffentliche Nahverkehr wird ohnehin aus öffentlichen Mitteln finanziert. Dort den alternativen Antriebstechnologien zu helfen, wäre deutlich sinnvoller, als die bundesweite Ladeinfrastruktur für Elektro-Pkw mit viel Geld zu unterstützen. In den Städten liegen die meisten Ansatzpunkte, auch im Sinne eines echten Energiewandels, des Klimawandels und der sinkenden Luftverschmutzung.

Welche Probleme bereitet Ihnen der im Moment niedrige Ölpreis?

Die Tatsache, dass die Elektromobilität kommt, ist für mich so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Frage ist nur, in welcher Geschwindigkeit. Da ist zwar ein niedriger Ölpreis nicht unbedingt förderlich. Aber wer heute Elektromobilität einsetzt, macht es ja meist nicht hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen. Bei steigenden Ölpreisen wird natürlich die Wirtschaftlichkeit von alternativen Technologien schneller zur Gewissheit und beschleunigt den Wandel.

Sie sind Geschäftsführer, aber die Gründer von Akasol sind weiterhin in leitenden Positionen im Hause tätig. Ist das eine schwierige Konstellation?

Im Gegenteil, das ist superspannend. Gerade, wenn man frisch dazugekommen ist. Denn ich sehe, dass die Ideen aus der Gründerzeit in den 1990er-Jahren auch heute noch im Unternehmen vorhanden sind. Das zeigt zum einen, dass wir nicht auf eine zwei- oder dreijährige Erfahrung aufsetzen. Sondern dieses Unternehmen kann inzwischen auf 25 Jahre Erfahrung mit Lithium-Ionen-Batteriesystemen blicken. Zum anderen heißt das, dass sich die Gründer des Unternehmens, die alle noch bei Akasol sind, seit 25 Jahren mit Batterietechnologie beschäftigen. Das ist ein enormer Erfahrungsschatz, der sich über diesen Zeitraum angesammelt hat. Insofern sind die beiden Tage, die ich in jeder Woche in Darmstadt bin, ein Quell der Freude und der Neugier. Man merkt, diese Leute sind echte Überzeugungstäter, im positiven Sinne des Wortes. Die machen das nicht, um damit das große Geld zu verdienen. Die haben das angefangen, weil sie sich mit dem Thema identifizieren konnten. Weil sie fasziniert waren und diese Faszination bis heute geblieben ist. Das unterscheidet uns sicher von anderen Herstellern.

Das Gespräch führte Karsten Schäfer.

Akasol

Seit 1989 im Geschäft

Akasol ist ein deutscher Hersteller von Batteriesystemen, der 2008 aus dem schon 1989 gegründeten Verein Akasol e.V. hervorging. Der Verein begann mit dem Bau von Rennsolarmobilen. Im Mittelpunkt standen die Erforschung und Umsetzung alternativer Mobilitätskonzepte. Die Akasol GmbH entwickelt und produziert heute Lithium-Ionen-Batteriesysteme für mobile und stationäre Anwendungen für die Automobilindustrie, die Off-Highway-Industrie, für die Windkraft, Wasserkraft und Solarwirtschaft.

www.akasol.com

Lothar Holder

ist seit 2013 Geschäftsführer der Akasol GmbH in Darmstadt und der Konzernmutter Schulz Group GmbH in Tettnang. Holder ist diplomierter Kaufmann und begann seine Laufbahn 1989 bei MTU Friedrichshafen, wo er im Marketing und Vertrieb tätig war, unter anderem in Kuwait und den USA. 2004 wechselte er zur damaligen Muttergesellschaft Daimler-Chrysler AG in den Geschäftsbereich Mercedes-Benz Lkw. 2007 übernahm er bei der japanischen Konzerntochter Mitsubishi Fuso Truck and Bus Corporation das weltweite Marketing. Zurück in Deutschland war Holder von 2010 bis 2013 Geschäftsführer bei Setra Omnibusse der Daimler-Tochter Evobus GmbH.

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