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Ein Bus für Banker

Die Meldung ließ die Zeitung am südlichen Ende der Couch sanft erzittern. Auslöser des Bebens war jedoch keine gerade entdeckte Verwerfung im eigenen Depot, sondern ein wahres Drama, ein Sündenfall zweier Ikonen. „Aston Martin und Foster haben zusammen etwas entworfen“, erklang es gequält. „Ausgerechnet einen Omnibus!“

Auf die Frage nach dem Warum kann es nur eine Antwort geben: die Finanzkrise. Sie hat London hart getroffen. Längst ist die boomende Finanzindustrie in der City und im Büroviertel Canary Wharf nicht mehr der Stolz des Landes, sondern sein Albtraum. Banken wanken, Shoppen ist abgesagt, und tritt ihm ein Schlipsträger unter die Augen, verliert manch Brite spuckend und schimpfend gar seine sprichwörtliche Contenance. Die Idee von Bürgermeister Boris Johnson zur Befriedung seines Wahlvolks war einfach: Ein Wettbewerb musste her à la „Unsere Stadt soll schöner werden“. Herausforderung: Wer malt den schönsten Routemaster für London? Immerhin gehörten die Doppeldecker mit dem einladenden Hinterteil einst zu den Wahrzeichen der Stadt, und ihre Wiederbelebung steht auf der Liste von Johnsons Wahlversprechen – allerdings sollen die roten Busse künftig eine grüne Seele haben, dank Elektroantrieb und Photovoltaik im Dach.

Über 700 Bilder haben der Bürgermeister und sein Team gesichtet. Zwei haben ihnen so gut gefallen, dass sie jetzt von Busproduzenten auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft werden. Den einen Entwurf haben Zeichner der Nutzfahrzeugschmiede Capoco eingereicht. Der andere jedoch stammt von Designern, die sich sonst eher mit schnittigen Sportwagen und futuristischen Gebäuden beschäftigen: Autobauer von Aston Martin und Architekten von Foster + Partners.

Wer als Ergebnis dieser ungewohnten Paarung eine Kreuzung zwischen Auto und Reichstag erwartet, liegt gar nicht mal falsch – immerhin hat der neue Routemaster Räder und ein Glasdach. Und dazwischen haben die Designer jede Menge Stil gepackt, auch wenn der Bus mit seinen elektrischen Radnabenmotoren und vielen Rundungen wenig schnittig daherkommt: Die komplette Gestaltung, die Beleuchtung und die Holzfußböden sollen Wärme ausstrahlen und das Gemeinschaftsgefühl fördern. Vor allem die Polsterung der Sitze soll den Insassen eine Wohnzimmer-Atmosphäre vermitteln – ein kuschliges Plätzchen inmitten des rauen Alltags.

Solarzellen im Dach

Allein muss sich dort niemand fühlen, denn der Fahrer kann dank der panoramaartigen Konstruktion der Fahrerkabine das komplette erste Abteil überblicken und über Bildschirme das Geschehen im oberen Geschoss beobachten. Außerdem soll es einen Busbegleiter geben, der mit den Fahrgästen direkt und mit dem Fahrer via Funk kommuniziert. Und das Glasdach erlaubt den Fahrgästen auf dem oberen Deck den weiten Blick über die Londoner Straßen. In dieses Dach sind Solarzellen integriert – als Stromquelle für das Licht im Innenraum und als Schattenspender an warmen Tagen.

Bürgermeister Johnson enthält sich eines Kommentars, aber es geht bei seinem Projekt um mehr als um einen Bus für London. Wie aus gut informierten Kreisen verlautete, soll der neue Routemaster nebenbei zur Demokratisierung der Wirtschaft beitragen und soziale Spannungen abbauen: Wo Aston Martin draufsteht, kann auch ein Banker ohne Gesichtsverlust einsteigen und Volksnähe demonstrieren. Bei weiter ausbleibenden Boni lässt sich ein Ticket leichter finanzieren als die eigene Limousine. Und die Solarzellen im Dach sind als kleiner Hinweis auf nachhaltige Investitionsmöglichkeiten gedacht.

Petra Hannen

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