Am 1. April 2022 waren in Deutschland fast 700.000 Elektroautos zugelassen. Allerdings entspricht das nur etwa einem Prozent des gesamten Fahrzeugbestandes. Um diesen Wert zu steigern, ist neben anderen Faktoren ein massiver Ausbau der Ladeinfrastruktur notwendig. Wenn Mobilität elektrisch erfolgt, benötigt jeder Stellplatz oder jede Garage eine Lademöglichkeit. Zusätzlich muss das Laden auf öffentlichen Parkplätzen, Firmenparkplätzen und Rastanlagen möglich sein.
In allen Fällen ist die Schnelligkeit des Ladevorgangs ein entscheidender Punkt. Zusammen mit steigenden Batteriekapazitäten bedeutet dies allerdings auch, dass Ladestationen mit immer höheren Leistungen und potenziell gefährlichen Strömen arbeiten. Daher ist ein anderes Sicherheitskonzept notwendig als bei herkömmlichen elektrischen Anlagen.
Hohe Leistung aus der Wallbox
Bei der Verwendung eines herkömmlichen Sicherungsautomaten für 16 Ampere lässt sich an einer normalen Haushaltssteckdose maximal eine Scheinleistung von 3.680 Voltampere erzielen. Selbst wenn diese zur Gänze zur Verfügung stünde, würde es immer mehr als einen Tag dauern, um die etwa 100 Kilowattstunden fassende Batterie eines Tesla Model S zu laden.
Das ist für die Nutzer unpraktikabel, zudem sind die Haushaltsinstallationen nicht für Dauerbelastungen mit dieser Leistung ausgelegt. Die häufig mitgelieferten Ladekabel für Steckdosen sind daher lediglich ein Back-up. Für den Dauerbetrieb ist eine Ladestation unbedingt notwendig. Bei Verwendung einer leistungsstarken Elf-Kilowatt-Variante verkürzt sich die Ladezeit für die Batterie (100 Kilowattstunden) auf etwas über acht Stunden.
Die richtige Anschlussart
Bei der Installation leistungsfähiger Ladestationen ist einiges zu beachten. So sehen die Technischen Anschlussregeln Niederspannung eine Bemessungsleistung von 4,6 Kilowatt für den einphasigen Anschluss vor. Höhere Leistungen müssen dreiphasig angeschlossen werden, an den sogenannten Starkstrom oder Drehstrom.
Ist am Installationsort kein 400-Volt-Anschluss vorhanden, müssen Nutzer diesen verlegen lassen. Weiterhin sind Ladepunkte mit mehr als 3,6 Kilowatt beim Netzbetreiber anzumelden. Die VDE-AR-N 4100 spezifiziert notwendige Leitungsquerschnitte: Zehn Quadratmillimeter für Ströme bis 32 Ampere und 16 Quadratmillimeter bis maximal 44 Ampere.
Außerdem muss jede Ladestation an einem eigenen Stromkreis betrieben werden, an dem sich keine weiteren Nebenanschlüsse befinden. Wenn also beispielsweise eine Doppelgarage mit Lademöglichkeiten für zwei Fahrzeuge ausgerüstet werden soll, werden zwei separate Stromkreise benötigt. Jeder dieser Endstromkreise benötigt einen eigenen Leitungsschutzschalter (Sicherung).
Schutz vor Fehlerströmen
Während der Leitungsschutzschalter die elektrische Installation vor Schäden schützt, müssen außerdem die Nutzer der Anlagen abgesichert werden. Hier kommen Fehlerstromschutzschalter (FI) ins Spiel. Bekanntermaßen lösen diese aus, wenn der Strom nicht ordnungsgemäß über den Nullleiter abfließt. Auf diese Weise werden Menschen vor Stromschlägen geschützt.
Der FI-Schalter ist entweder in die Ladestation integriert oder er wird im Verteilerkasten eingebaut. Zu beachten ist allerdings, dass mit den kapazitiven Batterien der E-Autos große Gleichstromlasten auftreten, wie sie bisher in Haushalten unüblich waren. Das hat Auswirkungen auf die Wahl des richtigen FI-Typs.
Typ A reicht nicht aus
Der in Deutschland standardmäßig verwendete Typ A ist auf Wechselstromfehlerströme ausgelegt. Fließt ein Gleichstromfehlerstrom, kann er einen Menschen nicht mehr zuverlässig schützen. Deshalb sollte stets ein FI-Typ B verbaut werden, der auch Gleichstromfehlerströme erfassen kann.
Unabhängig vom Typ weisen alle FI-Schalter ein Problem auf, das sich vor allem auf öffentliche Ladestationen auswirkt: Einmal ausgelöst, muss der Schalter von Hand umgelegt werden, um die Anlage wieder in Betrieb zu nehmen. Fließt durch einen Defekt an einem bestimmten Fahrzeug kurzfristig ein erhöhter Gleichstromfehlerstrom, ist die Anlage für alle anderen Fahrzeuge nicht nutzbar, bis eine elektrotechnisch unterwiesene Fachkraft den FI-Schalter umlegt und die Ladestation wieder ordnungsgemäß in Betrieb nimmt.
Elektronische Abschaltung
Das ist sowohl für Nutzer als auch Betreiber ärgerlich und unwirtschaftlich. Als Alternative zum FI-Schalter bietet sich daher vor allem für kommerzielle Anlagen eine elektronische Abschaltung an, die aus der Ferne angesteuert werden kann und somit die Wiederinbetriebnahme aus der Ferne oder ein automatisches Reset erlaubt Eine derart ausgestattete Ladesäule kann erkennen, wenn sich das schadhafte Fahrzeug abkoppelt. Sie gibt die Nutzung wieder frei, sobald ein einwandfreies Auto angeschlossen wird.
Neue Schutzkonzepte im Auto
Steigende Ladeleistungen und Reichweiten sowie verkürzte Ladezeiten haben für die Autohersteller oberste Priorität. Daher kann man davon ausgehen, dass sich 800-Volt-Systeme in den nächsten Jahren stärker verbreiten. Mit den steigenden Systemleistungen kann es zu höheren Fehlerströmen kommen.
Das müssen die Autobauer ebenso berücksichtigen wie die steigenden Anforderungen an Schalt- und Schutzgeräte durch höhere Betriebsströme. Die heute übliche Schalt- und Schutzeinrichtung im Fahrzeug ist eine Kombination aus Schütz und Schmelzsicherung. Im Zuge der steigenden Anforderungen wird es in Zukunft schwieriger werden, mit diesem Aufbau ein hinreichendes Sicherheitsniveau bei vertretbarem Wartungsaufwand zu gewährleisten.
Sehr hohe Betriebsströme
Beim Schnellladen mit Gleichstrom kann es zu Betriebsströmen kommen, die an konventionelle Fehlerszenarien heranreichen, was zu Problemen bei der Auslegung von Schmelzsicherungen führt. Das versehentliche Auslösen der Sicherung ist für den Fahrer ärgerlich. Eine augenscheinliche Lösung wäre, die Sicherungen höher zu dimensionieren.
Dabei könnte es zu Problemen in der Koordination mit dem Schütz kommen, das die Batterie im Normalbetrieb schaltet. Die Anforderung bei diesem Aufbau ist, dass die Kontakte des Schützes im Falle eines Fehlerstroms so lange geschlossen bleiben, bis die Schmelzsicherung ausgelöst hat.
Levitation und Lichtbogen
Sehr hohe Ströme können jedoch dazu führen, dass die Kontakte des Schützes abheben. Dafür verantwortlich ist die Lorentzkraft im Leiter. Bei diesem Levitationseffekt kann ein Lichtbogen zwischen den Kontakten entstehen, der für entsprechenden Widerstand sorgt und den Strom derart senkt, dass die Sicherung nicht auslöst.
Durch den sinkenden Strom nimmt wiederum die Lorentzkraft ab, die die Kontakte auseinanderdrückt. Sie können wieder zusammenfallen. Dabei kann es sogar zum Verschweißen der Kontakte und somit zur Zerstörung des Bauteils kommen.
Reaktionsschnelle Hall-Sensoren
Ein neuer Ansatz besteht darin, die Levitationseffekte nicht zu vermeiden, sondern gezielt zur Unterbrechung des Stromflusses zu nutzen. Dieser Aufbau kommt ohne Schmelzsicherung aus.
Erreicht wird dies durch eine äußerst schnelle Abschaltung der Schützspule innerhalb von Mikrosekunden, was dafür sorgt, dass sich die Kontakte nicht wieder schließen. Die Überstromerkennung und nachfolgende aktive Demagnetisierung der Spule erfolgt auf Basis eines reaktionsschnellen Hall-Sensors. Somit ist eine Auslösecharakteristik ohne unerwünschte Nebeneffekte möglich.
Ein solches selbstunterbrechendes Schütz hat den Vorteil, dass der Auslösevorgang nicht irreversibel ist. Das kombinierte Schalt- und Schutzgerät wird einfach wieder eingeschaltet. Wie und unter welchen Bedingungen das geschehen darf, kann der Hersteller festlegen. Denkbar ist eine Art Notfallmodus, der die Fahrt zur nächsten Werkstatt erlaubt, sofern keine weitergehenden Schäden vorhanden sind.
Eaton
Kunden in mehr als 170 Ländern
Eaton ist ein Anbieter von Lösungen für das Energiemanagement. Der Umsatz erreichte 2021 rund 19,6 Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen bietet Lösungen, die den Kunden helfen, elektrische, hydraulische und mechanische Energie effizient, sicher und nachhaltig zu nutzen. Eaton hat zirka 85.000 Mitarbeiter und verkauft Produkte an Kunden in mehr als 170 Ländern.
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Der Autor
Kai Zimmermann
leitet das Produktmanagement (Sales) bei Eaton in Deutschland.
Er begann seine Karriere bei Eaton im Oktober 2010 und war in verschiedenen Funktionen im Produktmanagement und Marketing tätig. Er besuchte die Fachhochschule Niederrhein und schloss das Studium 2009 mit einem Diplom in Wirtschaftsingenieurwesen ab.