Elektroautos sind inzwischen keine Exoten mehr im Straßenbild. Immer mehr fahren nicht nur auf Deutschlands Straßen. Auch die Autohersteller bieten ständig neue Modelle und Varianten an. Der Umstieg vom Verbrenner auf den Stromer ist schließlich festgeschrieben. Ab 2035 dürfen in der EU keine neuen Diesel- oder Benzin-Pkw mehr zugelassen werden.
Auch wenn die FDP die E-Fuels in die EU-Regelungen hineinblockiert hat, wird sich diese Technologie kaum durchsetzen. Zu teuer und auf dem Markt nicht zu bekommen, werden sie bestenfalls ein hochpreisiges Nischenprodukt bleiben – erlaubt oder nicht. Essenziell für den Umstieg auf die Elektromobilität ist aber der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur. Hier geht es gut vorwärts. Im Jahr 2022 wurden so viele öffentlich zugängliche Ladepunkte errichtet wie nie zuvor.
Eine Million Elektroautos unterwegs
So wurde im Jahr 2022 nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erneut ein Rekordzubau hingelegt. Ende des Jahres waren 80.541 öffentliche Ladepunkte mit einer Gesamtleistung von 2,47 Gigawatt installiert. Das ist ein Wachstum um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr, als die Ladeleistung noch 1,74 Gigawatt betrug. Die Zahl der Schnellladepunkte mit einer Leistung von mindestens 150 Kilowatt ist sogar um 80 Prozent von 3.851 auf 7.037 angestiegen.
Damit haben die Elektroautos im Vergleich zur dazugehörigen Ladeinfrastruktur ein schnelleres Wachstum hingelegt. Denn in den Jahren 2021 und 2022 hat sich die Zahl der neu zugelassenen, rein elektrisch angetriebenen Pkw jeweils verdoppelt. Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes wurde 2022 endlich die Millionengrenze geknackt – zwei Jahre später als einst anvisiert. Am Ende des Jahres 2022 waren 1.013.000 Pkw mit rein batterieelektrischem Antrieb zugelassen.
Infrastruktur wächst viel zu langsam
Verglichen mit der Zahl der Elektroautos wächst die Ladeinfrastruktur auf den ersten Blick also zu langsam. Denn ursprünglich ging man davon aus, dass für zehn Elektroautos im Schnitt mindestens eine Ladestation zur Verfügung stehen muss, um den Bedarf zu decken. „Doch die Zahlen zeigen deutlich, dass es einen enormen technologischen Sprung bei der Ladeleistung gegeben hat“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Lag die durchschnittliche Ladeleistung vor fünf Jahren noch bei rund 20 Kilowatt pro Ladepunkt, so liegt sie heute bei rund 30 Kilowatt. Die Fahrzeuge können immer schneller laden, die Ladesäulenbetreiber stellen ihre Technik darauf ab und bieten die höhere Ladeleistung an.“
Diese höheren Ladeleistungen werden auch immer öfter mit Speicherunterstützung erreicht. Längst sind die ersten Ladesäulen mit integriertem Batteriepuffer auf dem Markt und installiert. Sie ermöglichen hohe Ladeleistungen auch bei schwächerem Netz oder mehr Ladesäulen in einem Netzbereich.
Software plant Ladesäulen
Auf diese Weise können deutlich mehr Fahrzeuge in gleicher Zeit versorgt werden. „Damit wird deutlich, dass das reine Zählen von Ladepunkten nicht der Technologieentwicklung gerecht wird, sondern dass die installierte Ladeleistung eine zentrale Bezugsgröße für die Bewertung des Ladeangebots ist“, betont Andreae.
Diese technologische Entwicklung werde auch in Zukunft weitergehen, ist sich die BDEW-Chefin sicher. Auch die Planung der geeigneten Standorte von Ladepunkten wird immer einfacher. So hat ITK Engineering mit dem Smart Charging Infrastructure Architect (SCIA) eine entsprechende Planungssoftwareplattform entwickelt. Sie analysiert zunächst das Mobilitätsverhalten der Endnutzer. Mittels einer spezifischen Simulation des Stromnetzes leitet sie daraus das Gesamtsystemverhalten ab. SCIA erlaubt auch den Vergleich verschiedener Ausbauoptionen in Abhängigkeit von mehreren Zielen und ermöglicht somit die Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen – selbst des bidirektionalen Ladens.
Mehr elektrische Lkw auf den Straßen
Auch die Reichweiten der Elektrofahrzeuge werden steigen. „Wichtig ist, dass diese Entwicklungen bei den Ausbauzielen berücksichtigt werden. Das Ladeangebot wird häufig zu Unrecht kritisiert, da sich viele an den im Koalitionsvertrag vermerkten eine Million Ladepunkten bis 2030 orientieren. Um es klar zu sagen: Dieses Ziel ist technisch überholt, da es die Ladeleistung nicht berücksichtigt“, stellt BDEW-Chefin Andreae klar.
Auch im elektrisch angetriebenen Last- und Personentransport hat sich einiges getan. Bei den Elektro-Lkw ist die Bestandszahl in den letzten beiden Jahren jeweils um gut ein Drittel gewachsen. Im Jahr 2021 wurden 11.500 Elektro-Lkw neu zugelassen. Im Jahr 2022 waren es 17.000 Fahrzeuge.
Ähnlich moderat steigt die Nachfrage nach Bussen mit Elektromotor. Hier stieg die Zahl der Neuzulassungen von 560 im Jahr 2021 auf 597 im Jahr 2022. Immerhin. In diesem Segment hat es der rein batterieelektrische Antrieb schwerer, sich gegen die Dieselflotte durchzusetzen. Schließlich geht es hier einerseits um Fahrzeuge mit höheren Laufleistungen, die nicht stundenlang an einer Ladesäule stehen können. Andererseits müssen diese Fahrzeuge größere Lasten transportieren, was den Energieverbrauch in die Höhe treibt.
Entsprechend sind die Anteile der elektrisch angetriebenen Busse und Lkw im Vergleich zum Pkw noch relativ gering. So fahren nur 0,4 Prozent der Lkw in Deutschland rein elektrisch. Bei den Bussen liegt der Anteil immerhin bei 0,7 Prozent, während inzwischen zwei Prozent der Pkw ausschließlich elektrisch unterwegs sind.
Ein Megawatt Ladeleistung
Doch auch für die elektrische Schwerlastmobilität tut sich einiges auf technologischer Seite. So entwickeln Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zusammen mit Projektpartnern gerade ein Hochvoltladesystem für Lkw und Busse. Denn dies ist eine Voraussetzung für den weiteren Umstieg von Transportunternehmen auf die Elektromobilität.
Das neue System wird auf dem bekannten CCS-Standard beruhen. Er soll allerdings so weiterentwickelt werden, dass in Zukunft auch Ladeleistungen im Megawattbereich möglich werden. „Das stellt sowohl die Leistungselektronik als auch das Kontaktsystem vor neue Herausforderungen“, beschreibt Projektkoordinator Stefan Reichert vom Fraunhofer ISE die Probleme bei solchen Systemen.
Leistungselektronik anpassen
Diese wollen die Forscher mit der Entwicklung unter anderem von leistungselektronischen Wandlern angehen. Diese trennen die Fahrzeugbatterie galvanisch vom Netz und müssen die höheren Leistungen vertragen können. Außerdem werden in dem Hochvoltsystem auf der Netzseite Gleichrichter verbaut und DC/DC-Wandler modular zusammengeschaltet. Letztere sorgen für die Anpassung der Ladespannung an die Fahrzeugbatterie. Gleichzeitig werden für die hohe Ladeleistung auch effizientere Schaltungstopologien und Halbleiter sowie induktive Übertrager mit sehr hohen Taktfrequenzen benötigt. Diese sollen durch Halbleiterschalter aus Siliziumkarbid erreicht werden.
Mit diesen und weiteren neuen Komponenten wollen die Projektpartner zunächst ein System mit vier Ladepunkten mit jeweils 250 Kilowatt Leistung aufbauen. Das System soll aber einen möglichst großen Bereich an Ladespannungen abdecken, um möglichst viele Fahrzeugtypen laden zu können. Deshalb muss es auch abwärtskompatibel sein.
Stecker für hohe Ströme
Schon als Produkt verfügbar ist aber ein Ladesteckersystem mit Kühlung, das dauerhaft mehr als ein Megawatt Ladeleistung verträgt. Das von Paxos Consulting & Engineering entwickelte System Charging Plug Cool-Load Megawatt kann kurzzeitig sogar bis zu zwölf Megawatt Ladeleistung übertragen. Die ringförmige, radiale Verbindung zwischen Stecker und Buchse gewährleistet aufgrund einer einzigartig großen Kontaktfläche einen geringen Übergangswiderstand und damit die direkte Kühlung der Kontaktringe.
Doch auch bei den Wallboxen und der Ladeinfrastruktur in Unternehmen hat sich viel getan. Inzwischen können die ersten Wallboxen und Ladesäulen mit dem Open Charge Point Protocol (OCPP) kommunizieren. Damit ist das dynamische Lastmanagement einer wachsenden Zahl von Ladestationen in Unternehmen möglich. Entsprechende Softwareplattformen sind ebenfalls bereits auf dem Markt. Schon im vergangenen Jahr hat Fronius mit Emil eine solche Lösung vorgestellt.
Wallboxen werden intelligenter
Jetzt hat es eine solche Lösung von Hive Power in das Finale der Awards der Power2Drive geschafft. Mit dem Flexo Smart Charge wird nicht nur die Steuerung der Ladeinfrastruktur möglich, sondern auch die Abrechnung von bidirektionalem Laden.
Auch im Eigenheim können die ersten Wallboxen mit anderen kommunizieren, um auch dort die Ladeleistung auf mehrere Fahrzeuge optimal zu verteilen, ohne dass der Netzanschluss überlastet wird. Immer mehr Wallboxen sind auch auf die optimale Nutzung von überschüssigem Solarstrom getrimmt. Eine einfache Lösung ist die automatische Umschaltung von einphasigem auf dreiphasiges Laden und zurück. Dabei ist allerdings immer noch Vorsicht angebracht. Denn vor allem einige ältere Automodelle können dies nicht verarbeiten, was das Bordladenetz in Gefahr bringen könnte. Hier sollte unbedingt ein Blick in die Bedienungsanleitung des Autos geworfen oder der Hersteller befragt werden. Einige Hersteller bieten auch ein Softwareupdate an, das die automatische Umschaltung ermöglicht.
https://www.photovoltaik.eu/e-mobilitaet
Power2Drive
Marktübersicht Ladesysteme aktualisiert
Die Veranstalter der Leitmesse der Elektromobilität Power2Drive Europe haben die Marktübersicht Ladeinfrastruktur in einer neuen, aktualisierten Auflage veröffentlicht. Diese bietet allen Elektroautobesitzern und Installateuren einen herstellerunabhängigen Überblick über die aktuellen Ladesysteme am Markt. Sie enthält die wichtigsten Parameter und technischen Daten von Ladesystemen.
Die Marktübersicht enthält auch Informationen zu den verschiedenen Steckersystemen, zur Ladeleistung und zur Anzahl der Ladepunkte, die die Geräte jeweils unterstützen. Auch die Integration von intelligentem Lademanagement in die Systeme ist aufgelistet. Zudem wird für jede Ladesäule oder Wallbox angegeben, auf welche Art sie installiert und wie sie in ein Gebäude-, Energie- oder Flottenmanagement eingebunden wird.
Die Marktübersicht enthält 260 Produkte von 87 Herstellern, sowohl nach Ladesäulen und Wallboxen als auch in AC-Normalladestationen und DC-Schnellladestationen geordnet. Die aktuelle Marktübersicht Ladesysteme steht in deutscher, französischer, italienischer, spanischer und englischer Sprache zum Download zur Verfügung.
VDE Verlag
Fachbuch: Ladepunkte richtig planen und installieren
Mit dem Fachbuch „Ladeinfrastruktur für Elektromobilität im privaten und halböffentlichen Bereich“ hat der VDE Verlag einen Leitfaden für die Auswahl, die Planung und die Installation von Ladepunkten und Ladesäulen veröffentlicht. Schließlich gibt es jede Menge Wallboxen und Ladesäulen, die alle ihre Stärken haben. Bei dieser Vielfalt kommen bei Planern und Installateuren immer wieder Fragen nach den unterschiedlichen Lademöglichkeiten, den Eigenheiten der Ladesysteme und Anschlussvarianten und auch nach den Leistungsvarianten der Fahrzeughersteller auf.
Das Fachbuch gibt dem Fachhandwerker eine Hilfestellung für die Beratung, die Auswahl des richtigen Ladepunktes oder der Ladestation und die Installation dieser Komponenten. Der Autor Jürgen Klinger berücksichtigt dabei alle aktuellen Regelungen, Vorschriften und Gesetze wie beispielsweise das Gebäudeenergiegesetz. Er beschreibt auch die erforderlichen Sicherheitseinrichtungen in den Ladesäulen und gibt Informationen zu eichrechtskonformen Ladepunkten. Auch die Wartung ist mit berücksichtigt.
Das Fachbuch ist inzwischen in der dritten, überarbeiteten und erweiterten Auflage beim VDE Verlag oder im Buchhandel unter der ISBN 978-3-8007-5746-6 erhältlich.