Die Landwirtschaft durchlebt eine epochale Revolution: der Wandel zum Elektroantrieb, ein echter Kurswechsel hin zu grüner und nachhaltiger Mobilität auch in einer konservativen, historisch vom Verbrennungsmotor geprägten Branche. Diese Umstellung nutzt dem Klimawandel und sorgt aber auch für eine Reduzierung der Kosten für alle landwirtschaftlichen Betriebe.
Mechanisierung begann mit Elektrifizierung
Durch den Siegeszug fossiler Brennstoffe ist in Vergessenheit geraten, dass die Mechanisierung der Landwirtschaft abgesehen von einer kurzen Phase dampfbetriebener Großmaschinen mit der Elektrifizierung begann. Ab etwa 1890 wurden die ersten elektrischen Landmaschinen in Deutschland eingeführt: Max Eyth, der „Vater der Landtechnik“, äußerte damals: „Die Elektrizität wird einmal zur tragenden Energieform der landwirtschaftlichen Kraftversorgung überhaupt werden, denn sie als einzige besitzt den Vorzug der unbegrenzten Teilbarkeit der Energie.“
Werner von Siemens hat zusammen mit seinem Schwiegervater und Vetter, dem Hohenheimer Professor Carl von Siemens, bereits ab 1875 einen elektrischen Pflug entwickelt. Das entsprechende Patent mit der Nummer DRP. 12869 wurde am 12. September 1880 erteilt.
Elektrischer Antrieb hat Vorteile
1895 baute Bensing den ersten, vom Dampfpflug abgeleiteten Elektropflug mit einer Effizienzsteigerung von 45 Prozent. Dieser ermöglichte es, die Ackerflächen für 19 Reichsmark je Hektar zu bewirtschaften, statt wie zuvor für 34 Reichsmark pro Hektar mit dem Dampfpflug.
Es gibt drei wesentliche Vorteile des elektrischen Antriebs gegenüber dem klassischen Verbrennungsmotor. So sind elektrische Systeme, insbesondere Traktoren plus Anbaugeräte, besser dynamisch regelbar. Sie können damit präziser als mechanische oder hydraulische Antriebe arbeiten. Mithilfe von Servomotoren können zum Beispiel Sämaschinen eine genauere Saatgutablage bei hoher Geschwindigkeit erreichen und dies sogar im Zusammenhang mit der Bodenbearbeitung beispielsweise während des Häckselns.
Außerdem arbeiten elektrische Antriebe deutlich genauer, weil sie Sensorik beinhalten, etwa zur Erfassung des Drehmoments und der Motordrehzahl. Zudem arbeiten vollelektrische Maschinen zuverlässiger und praktisch verschleißfrei. In Summe ergibt sich dadurch ein höherer potenzieller Automatisierungsgrad bei reduzierten variablen Betriebskosten.
Agri-PV-Strom vor Ort nutzen
Interessant ist die Tatsache, dass die Elektrifizierung inzwischen ein globaler Trend ist, gerade auch in den Ländern, in denen kleinere mobile Landmaschinen mit einem geringeren Leistungsbedarf im Einsatz sind wie etwa in Indien. Dort unterstützt die Regierung massiv die Elektrifizierung ländlicher Regionen durch Photovoltaikanlagen. Der dort produzierte Strom kann dann direkt in der Landwirtschaft genutzt werden.
Das spart jede Menge Diesel ein. So sind in der deutschen Landwirtschaft nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes etwa 300.000 Traktoren im Einsatz. Jährlich werden zirka 30.000 Fahrzeuge neu zugelassen, über 90 Prozent als Ersatzbeschaffungen. Diese und die andere Landmaschinen verbrennen jährlich zwei Milliarden Liter Diesel. Die dadurch erzeugten fünf Millionen Tonnen CO2 verursachen etwa sieben Prozent aller Klimaemissionen des Agrarsektors.
Elektrotraktoren am Markt
Dabei gibt es durchaus Alternativen. Leichte E-Traktoren mit bis zu 100 Kilowatt Leistung – das sind 136 PS –, die in Ställen und bei der Hofarbeit sowie im Gemüseanbau oder im Weinbau genutzt werden, sind verfügbar. Viele große Landmaschinenhersteller haben bereits Modelle im Angebot oder in der Entwicklung.
Doch Deutschland hinkt noch hinterher. In Schweden, das bereits für das Jahr 2030 eine fossilfreie Landwirtschaft zum Ziel hat, ist die Umstellung auf elektrische Antriebe auf vielen Höfen schon erfolgt. Dort wird der von Arvid Örde entwickelte Traktorarvid mit 88 Kilowatt häufig eingesetzt. Dieser ist auch für Feldarbeiten geeignet.
Kleintraktoren mit großer Bedeutung
Die Entwicklungen dort geben die Richtung vor: Die in der Entwicklung befindlichen Modelle fahren selbstständig und tauschen auch ohne menschliche Eingriffe den Akku aus, der dann in der Ladestation auf dem Hof oder im Feld wieder geladen wird – auch mit dem Strom aus der Agri-PV-Anlage.
Traktoren mit Elektroantrieb sind für sie nicht nur deswegen interessant, weil Strom im Vergleich zum üblichen Diesel ein günstiger Treibstoff ist, vor allem wenn er selbst produziert wird. Elektroantriebe haben einen wesentlich geringeren Wartungsaufwand und gelten als besonders zuverlässig. Außerdem lassen sich Elektromotoren sehr präzise ansteuern und liefern genauere Sensordaten, etwa zu Drehmoment und Motordrehzahl. Elektroantriebe fungieren in Verbindung mit genauen GPS-Positionsdaten als Wegbereiter für „Precision Farming“ und die zunehmende Automatisierung in der Landwirtschaft.
Boden weniger belasten
Im Vergleich zu schweren, konventionellen Traktoren bieten elektrisch betriebene, leichte Modelle, auf die sich die Hersteller bei der Elektrifizierung der Traktoren konzentriert haben, nicht nur eine ökologischere Lösung, sondern verbessern auch die Wendigkeit auf dem Feld. Diese Traktoren minimieren nicht nur den Ressourcenverbrauch, sondern reduzieren auch die Bodenverdichtung, was besonders auf kleineren und hügeligen Anbauflächen von Vorteil ist.
Der Bodendruck hat bei den immer größeren Maschinen eine wachsende Bedeutung. Als neuer Ansatz wird daher der Einsatz mehrerer kleiner Arbeitseinheiten diskutiert, dem sogenannten Feldschwarm. Statt einer riesigen Landmaschine nutzt man kleine Roboter, die untereinander kommunizieren und möglichst effizient zusammenarbeiten. In der Summe leisten die Roboter dann das Gleiche wie die große Maschine, belasten den Boden aber weniger stark.
Präzise arbeiten
Ein weiterer großer Trend ist die Einzelpflanzenerkennung und -behandlung. Bislang wird nach dem Gießkannenprinzip vorgegangen und der gesamte Acker gespritzt und gedüngt. Das große Ziel ist aber, umwelt- und ressourcenschonend vorzugehen und jede einzelne Pflanze so zu versorgen, wie es für sie nötig ist.
Schon heute können Teile des Ackers erkannt und teilflächenspezifisch unterschiedlich behandelt werden. Dies wird als „Precision Farming“ bezeichnet. Die Maschinen und Geräte verwenden zur Positionsbestimmung Navigationssysteme und GPS-Empfänger, die auf digitale Karten zugreifen, die mittels geografischer Informationssysteme erstellt wurden.
Auf der nächsten Stufe, der angestrebten Einzelpflanzenerkennung, muss ein Roboter zum Beispiel zwischen Nutzpflanzen oder Unkraut differenzieren können, um entsprechend zu reagieren. Danach kann der Roboter auch lernen, was genau die Kulturpflanze benötigt und ob sie zum Beispiel krank ist. Für große Ackerflächen ist das noch Zukunftsmusik, im Gemüsebau wird das aber jetzt schon erfolgreich eingesetzt.
Boden neu bewerten
Aber es ist nicht nur die Landtechnik, die die Landwirtschaft nachhaltiger macht. Notwendig ist weiter eine Neubewertung des Bodens. Jeder Landwirt hat ein Interesse daran, dass der Boden als sein wichtigstes Produktionsmittel gesund, aber auch produktiv ist. Früher wurde intensiv gepflügt. Da das Pflügen der energieaufwendigste Teil in der Landwirtschaft ist, verbraucht diese intensive Bodenbearbeitung viele Ressourcen und stößt viel CO2 aus. Heute nutzt man in den meisten Fällen die sogenannte konservierende Bodenbearbeitung, bei der sehr viel weniger CO2 freigesetzt wird. Der Boden wird dabei zum Beispiel mit Scheibeneggen oder sogenannten Grubbern bearbeitet, die die Erde auflockern, aber nicht umpflügen.
Dadurch werden die Bodenstruktur und das Kapillarsystem besser erhalten. Das ist gerade in Gegenden mit wenig Niederschlag wichtig, weil Feuchtigkeit im Boden gehalten wird und nicht so schnell verdunstet. Da hierfür wesentlich leichtere Maschinen gebraucht werden, ist die Notwendigkeit, schwere Traktoren vorzuhalten, viel geringer.
Die skizzierten Entwicklungen treiben die Agrarbranche in Richtung Nachhaltigkeit und Effizienz. In diesem Zusammenhang steht der verstärkte Einsatz von Photovoltaik als Treiber für die Elektrifizierung von Höfen durch Eigenstrom verbunden mit innovativen Technologien insbesondere bei der Batterie- und Ladetechnik.
Landwirte als PV-Pioniere
Die Landwirtschaft war insbesondere in Süddeutschland ein starker Motor für das Wachstum der Ausbauzahlen der Photovoltaik. Die Entwicklung war in den Jahren 2005 bis 2012 besonders dynamisch aufgrund der im Vergleich zu den Installationskosten relativ hohen Einspeisevergütung. Eine Eigennutzung des erzeugten Stroms war in diesen Jahren nicht wirtschaftlich.
Ein Umdenken erfolgte erst aufgrund der starken Steigerung der Strompreise in den letzten Jahren. Diese führte dazu, dass sich etablierte Geschäftsmodelle wie beispielsweise die monatelange Lagerung und Kühlung von Obst und Kartoffeln nicht mehr rechneten.
Elektrifizierung ist wirtschaftlich
Die Lösung kam in Form von Solarstrom. Durch diese Entwicklung hat das Interesse an einer hofnahen Erzeugung von Solarstrom etwa durch die Agri-PV-Anlagen kräftig zugenommen. Dass eine Elektrifizierung von Höfen auch wirtschaftlich außerordentlich interessant ist, zeigt die nachfolgende Fallstudie einer 1,5-Megawatt-Trackeranlage einschließlich einer Batterie mit einem Fassungsvermögen von zwei Megawattstunden zur Eigennutzung des erzeugten Stroms im Betrieb beispielsweise für Kühlanlagen sowie das Laden der E-Maschinen:
Die große Hürde ist die hohe Investition. Doch diese könnte auch von lokalen Energiegemeinschaften aufgebraucht werden. Sie stellen den erzeugten Strom den Mitgliedern direkt zur Verfügung und lagern Überschüsse in kleineren gemeinsamen Speichern zwischen. Diese Batteriezentren können zentral im Ort oder auch dezentral verteilt an Knotenpunkten verschiedener Felder installiert werden. Die Landmaschinen können diese selbstständig zum Laden oder zum Tausch von Batterien ansteuern.
Darüber hinaus können die Speicher Lastmanagement-Dienstleistungen erbringen und dadurch bei der Entlastung des Stromnetzes mithelfen. So könnten interessante Zusatzerträge erwirtschaftet werden. Für entlegene Regionen ist das ein absolutes Zukunftsmodell. Es ermöglicht, den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen und unter Beibehaltung des Stromnetzes bis zu einem gewissen Grad autark zu sein.