Im Ausflugslokal Windbeutel-König am Ufer der Okertalsperre im Harz gibt es nicht nur diverse Teigkreationen. Neben Kilokalorien bietet der Windbeutel-König und Chef Erik Holste auch Kilowatt an. Eine Ladestation mit zehn Schuko-Steckdosen bietet neuerdings Strom für Elektrofahrzeuge, vornehmlich für E-Motorräder. Denn die kommen regelmäßig, um hier in doppelter Hinsicht aufzutanken. Das Gebiet rund um die Okertalsperre liegt mitten auf einer Strecke für geführte E-Motorrad-Touren, durchgeführt von der MMS Concept. Die verleiht nicht nur Elektrofahrräder, sondern bietet auch die geführten E-Motorrad-Touren an. Dafür stellt sie zehn Brammo Enertia Plus und eine Brammo Empulse bereit. Die Tour und die Motorradnutzung sind für die Teilnehmer kostenlos. Dafür müssen sie am Ende der Tour lediglich einen Fragebogen ausfüllen. Das Geld für die Aktionen kommt vom „Schaufenster Elektromobilität“.
Es ist kein Zufall, dass MMS Concept auf die beiden Modelle von Brammo setzt. Auch andere Konzeptveranstalter, Verleiher und Verkäufer verbinden mit den E-Motorräder von Brammo große Hoffnungen und Erwartungen.
Wandel in der Kundschaft
„Jetzt geht es richtig los“, erzählt Masimo Tasken, verantortlich für den Vertrieb bei Elenio, dem E-Bike-Spezialisten aus Starnberg. Elenio ist ein E-Bike-Shop, der nicht nur Fahrräder und Mofas mit elektrischen Antrieb verkauft, sondern auch Motorräder. Bei den Mofas konstatiert Tasken mittlerweile eine sinkende Nachfrage. Anders bei den Motorrädern. In tatsächlichen Verkaufszahlen macht sich das zwar noch nicht bemerkbar. Aber der erfahrene Vertriebler hat ein Gespür für Trends und bekommt das Interesse und die Nachfragen der potenziellen Kunden direkt mit. Mit Brammo Enertia, der neuen Brammo Empulse und der Zero SR des kalifornischen Herstellers Zero Motorcycles beispielsweise sind jetzt Motorräder auf dem Markt, die anspruchsvollen Motorradfahrern etwas zu bieten haben.
Brammo ist ein US-amerikanischer E-Motorradbauer mit Sitz im Bundesstaat Oregon, gegründet von Craig Bramscher, der jetzt CEO von Brammo Inc. ist. Mit Enertia brachte Brammo 2009 sein erstes kommerzielles E-Motorrad heraus, im Oktober 2010 folgte die Enertia Plus. Im darauffolgenden Jahr kam die Empulse auf den Markt, im Dezember 2012 verkaufte Brammo schließlich die ersten Empulse R. „Die ersten Kunden waren eher Fanatiker“, urteilt Tasken, „bereit, viel Geld auszugeben, nur um ein E-Motorrad zu fahren. Aber das wird sich wandeln.“ Neben dem Umweltaspekt und den niedrigeren Betriebskosten führt er vor allem die leichte Handhabbarkeit der Maschinen an, gepaart mit ihrer Kraft in jedem Drehmoment. „Bis zu einer Kubikzahl von 650 bis 750 Kubik sind sie jedem herkömmlichen Motorrad absolut überlegen.“ An ein herkömmliches Motorrad erinnert bei der Brammo Empulse die 6-Gang-Schaltung. Sie sorgt beim Schub für das optimale Drehmoment.
Bei aller Begeisterung gibt Tasken allerdings auch zu: „Für grenzenlose Freiheit stehen die derzeitigen E-Motorräder noch nicht.“ Dafür sind die Batterien immer noch allzu schnell runter. Circa 80 bis 159 Kilometer seien drin, je nach Fahrweise. Dann müssen die Maschinen an den Stecker. „Ich muss ständig nachdenken, wohin ich fahre und wo ich nachladen kann.“
Das müssen die Teilnehmer bei den geführten Touren durch den Harz zum Glück nicht. Meist sind es Gruppen, die eine E-Affinität haben, beispielsweise Solarunternehmen mit ihren Kunden. Während ihre Maschinen draußen nachladen, erhalten sie drinnen Informationen. Das alles bei 20 Windbeutelversionen oder deftigem Mittagessen. Den Strom gibt es kostenlos. Dafür hat Windbeutel-König Holste Schließfächer für die Helme im Angebot, das Stück für einen Euro. Damit hat er die Stromkosten wieder raus.
Brammo Empulse R
Der Kraftprotz
Motor: bürstenloser Permanentmagnetmotor
Kühlung: Wasser
Leistung 40 kW (54 PS)
Drehmom.: 90 Nm
Batterie: Lithium-Ionen NCM 10,2 kWh (max.)
Spitze: 177 km/h
Reichweite: 206 km (Stadt)
93 km (Autobahn/Landstraße)
129 km (kombiniert)
Getriebe: 6 Gänge
Gewicht: 213 kg
Preis: € 17.493
Brammo Enertia Plus
Die Leichte
Motortyp: burstenloser Permanentmagnetmotor
Kühlung: Wasser
Leistung: 12,7 kW (18 PS)
Drehmom.: 40 Nm
Batterie: Lithium-Ionen NCM 6,2 kWh
Spitze: 105 km/h
Reichweite: 129 km (Stadt)
72 km (Landstraße/Autobahn)
93 km (kombiniert)
Gewicht: 150 kg
Preis: € 7.330
zero SR
Das R für noch mehr Reserven
Motortyp: burstenloser Permanentmagnetmotor
Kühlung: Luft
Leistung: 50 kW (67 PS)
Drehmom.: 144 Nm
Spitze: 164 km/h
Batterie: Lithium-Ionen 11,4 kWh, wahlweise 14,2 kWh
Reichweite: 220 km bzw. 275 km (EPA-Stadtzyklus)
Gewicht: 185 kg bzw. 205 kg
Preis: € 16.990 bzw. € 19.370
Kurz nachgefragt
„Ein völlig neues Fahrgefühl“
Warum erobern gerade jetzt neue Elektromotorräder den Markt?
Hans Eder: Die Modelle Brammo Empulse und Empulse R sind die ersten wirklichen Motorräder im Segment der Elektrozweiräder. Diese Modelle verfügen über eine Kupplung und ein 6-Gang-Getriebe. Sobald der Fahrer den Gasdrehgriff schließt, bremst der Motor, um die Fahrdynamik eines gewohnten motorradtypischen Fahrstils zu gewährleisten. Darüber hinaus spürt man schon bei der ersten Fahrt, dass diese Fahrzeuge das Motorradfahren erleichtern. Keine Unregelmäßigkeiten im Motor durch Bewegungen von Kolben oder Kurbelwelle stören das Fahrzeug, stets erzeugt das Gasgeben Druck, und der „falsche Gang“ gehört der Vergangenheit an. Der Fahrer kann beispielsweise den stressigen Verkehr der Großstadt mit vollem Fokus auf das Verkehrsgeschehen problemlos ohne Schaltvorgänge und ohne Kupplungseinsatz bewältigen, um dann auf der Landstraße wieder motorradtypisch zu kuppeln und zu schalten und die volle Performance zu spüren. Das Gefühl des Fahrers ist ein neues, weit dynamischeres Empfinden des Motorradfahrens. Es begeistert!
Welches Zielgruppen bedienen die jeweiligen Modelle?
Die Modelle Brammo Empulse und Empulse R zielen auf die Motorradfahrer ab. Brammo Enertia Plus wendet sich dagegen eher an urbane Nutzer, als Ersatz für Pkw, Bus und Bahn.
Welches sind die Alleinstellungsmerkmale der E-Motorräder von Brammo?
Die E-Motorräder von Brammo sind die einzigen Serien-Elektromotorräder mit Schaltung. Es sind auf der Rennstrecke entwickelte Fahrzeuge. Der sportliche Gedanke stand vornan. Die Fahrdynamik hat sich gegenüber den Benzinkonkurrenten erhöht. Die Modelle verfügen über die kürzeste Ladezeit aller Serienelektromotorräder ohne spezielles Zubehör, Drei-Kilowatt-Lader sind im Fahrzeug verbaut. Im Vergleich zu traditionellen Motorrädern hat der Kunde echte Kostenvorteile: kein Tanken, kein Motoröl, keinerlei Wartungs- oder Servicearbeiten am Motor. Für die Batterien geben wir fünf Jahre oder 80.000 Kilometer Garantie. Außerdem zahlt der Halter zehn Jahre lang keine Kfz-Steuer. Die Versicherungseinstufung folgt nach Nominalleistung und nicht nach Spitzenleistung. Ein Beispiel: Eine Empulse hat 40 Kilowatt, aber die Nominalleistung beträgt nur 22 Kilowatt. Deshalb müssen auch nur 22 Kilowatt bezahlt werden. Damit erfolgt auch eine Einstufung für die erste Motorradführerscheinstufe A2 der 18-Jährigen, die eigentlich nur bis 34 Kilowatt bewegen dürften.
Was hat sich bei der Batterienentwicklung getan?
Brammo entwickelt und baut seine Batterien selbst, was den Vorteil hat, dass wir Batterien mit maximaler Energiedichte auf kleinstem Raum bauen können. Brammo-Batterien, auch BPM (Brammo Power Modul) genannt, sind derzeit auf dem höchsten technischen Stand. Hier kann man defintiv von High-End-Batterien im Automotive-Bereich sprechen. Die Batterie wird je nach Bedarf gekühlt oder geheizt und arbeitet so im Bereich von 17 Grad Celsius. Dazu kommt ein eigenes Batteriemanagementsystem. Soft- und Firmware ermöglichen das optimale Zusammenspiel der einzelnen Komponenten. Dies alles macht die Maschinen zuverlässig und garantiert die Performance auch bei widrigen Umständen wie Kälte im Winter oder Hitze im Sommer. Erst durch das Zusammenspiel all der im Motorrad qualitativ hochwertigen Komponenten können Eigenschaften wie hohe Reichweite (Batterie), herausragende Performance (Motor und Steuergerät ) sowie schnelle Ladezeiten (Ladegerät) erreicht werden. Es liegt also nicht ausschließlich an der Batterie, dass unsere Fahrzeuge weit fahren oder besonders stark im Drehmoment sind. Es liegt an der gesamten Ingenieursarbeit, die unsere Bramm-Bikes einzigartig macht.
Wie ist der Motor konstruiert, um die Dynamik zu erreichen?
Bei unserem Motor handelt es sich um einen bürstenlosen Drei-Phasen-Wechselstrommotor, der an ein patentiertes Sechs-Gang-Getriebe geflanscht ist. Durch das Getriebe haben wir den Vorteil, bei jeder Geschwindigkeit das maximale Drehmoment abrufen zu können. So haben wir ein Motorrad geschaffen mit diesem beim Anfahren für elektrisch angetriebene Fahrzeuge typischen starken Drehmoment, das sich bei jedem Gang wiederholt und somit maximale Performance bietet. Zudem operieren wir mit einer Rekuperation, die den Motor bei jedem Schließen des Gasgriffs automatisch zu einem Generator umfunktioniert und somit Energie in die Batterien zurückspeist. Dies hat zum einen den Vorteil, dass die Batterie bei jedem Rollen des Motorrads wieder etwas geladen wird, und zum anderen haben wir so eine simulierte Motorbremse für das gewohnte, aber auch durchaus sportliche Fahrverhalten.
Das Gespräch führte William Vorsatz.
Teslas Model S hat es gezeigt: Elektrofahrzeuge können heute genauso sportlich sein wie Benziner. Auch bei den Zweirädern hat sich viel getan. Neue E-Motorräder wie die Brammo Empulse lassen beim Beschleunigen die Spritschlucker hinter sich. Und das ist wörtlich zu nehmen.
Die Batterien der Brammo-Maschinen bestehen aus Zellen mit Kathodenmaterial der Elemente Lithium, Nickel, Mangan und Cobalt , wie sie beispielsweise auch für Elektrofahrräder verwendet werden.
Brammo setzt auch auf den Rennsport. Davon verspricht sich der Hersteller neben dem Imagegewinn auch einen Technologieschub.
