Schnittig sieht er aus, der E-NV200. Deutlich besser als sein rauchender Bruder, der NV200 mit Verbrennungsmotor. Das liegt vor allem am fehlenden Kühlergrill und den dynamischer geformten Scheinwerfern. Auffällig sind die kleinen Räder, die auf eine nicht ganz so hohe Geschwindigkeit hinweisen. Statt des Kühlergrills hat der Elektro-Van eine kleine Klappe an der Spitze der Front, auf der das Markenlogo prangt. Darunter befinden sich die Ladeanschlüsse.
Nach dem Einstieg fällt im E-NV200 die erhöhte Sitzposition angenehm auf. Man sitzt höher als in vergleichbaren Großraumlimousinen wie dem Touran oder dem etwas größeren Sharan von Volkswagen, eher wie in einem Kleinbus – auf jeden Fall auf Augenhöhe mit den Fahrern von SUVs.
Großzügige Ausstattung
Unser Testwagen ist ein Nissan E-NV200 Evalia Tekna mit großzügiger Serienausstattung. Damit fällt der Wagen in die Kategorie Kombi. Er ist entsprechend wohnlicher ausgestattet als der von Gewerbebetrieben oft eingesetzte Kastenwagen. Der Innenraum ist durchgehend mit Teppich ausgekleidet, der Himmel geht bis hinten durch. Die Vordersitze sind bequem und geben guten Seitenhalt.
Ein Zündschloss gibt es nicht. Nicht nur weil es in einem Elektroauto keine Zündung gibt, sondern weil es ausreicht, den Schlüssel im Fahrzeuginneren zu haben, damit Sensoren ihn per Funk detektieren und die Wegfahrsperre entriegeln. Ein Druck auf den großen Ein- und Ausschalter erweckt die Bordsysteme zum Leben und macht den Wagen startklar. Vorausgesetzt, der Fahrer hat den Fuß auf der Bremse.
Vergisst er die Bremse, durchläuft das System beim Drücken des Schalters verschiedene Zustände, die den Wagen aber allesamt nicht fahrbereit machen. Auch ein späterer Tritt auf die Bremse vorm Schalten des Fahrhebels auf „D“ hilft nicht weiter. Der Nissan verweigert dann die Fahrt.
Laufruhe und starkes Drehmoment
Hatte man den Fuß dagegen gleich vor dem Einschalten auf der Bremse, genügt es, den Schalthebel von „P“ auf „D“ umzulegen. Schon rollt der kleine Transporter los. Tritt der Fahrer leicht auf das Fahrpedal (ein separates Gaspedal gibt es nicht mehr), nimmt der Wagen zügig Fahrt auf und es ertönt ein Fiepen wie in der U-Bahn. Das Geräusch kommt allerdings nicht vom Elektromotor, sondern wird vom s ogenannten Fußgänger-Warnsystem (Vehicle Sound for Pedestrians, VSP) erzeugt.
Netterweise gibt es neben dem Lenkrad einen Schalter, um das Warnsystem auszuschalten. Somit ist die Ruhe des elektrischen Fahrens ungestört. Nach dem nächsten Betätigen des Hauptschalters ist VSP allerdings wieder aktiv – und fiept lästig.
Dann kommt das Beste am elektrischen Fahren: die Laufruhe und das enorme Drehmoment des Motors vom Stand weg. Auf diese Art ist man geradezu leichtfüßig unterwegs. Beim Anfahren reicht ein leichter Druck aufs Fahrpedal, schon hat man die meisten Autos hinter sich gelassen und die innerorts erlaubten 50 Stundenkilometer erreicht. Weil dabei kein Verbrennungsmotor unangenehm aufheult, macht es großen Spaß.
Vom Handwerker getestet
Lutz Oeltjen ist Elektroinstallateur und Inhaber von Elektro-Riera in Lehrte bei Hannover. Seit 2005 führt Oeltjen den Handwerksbetrieb, den er von seinem Onkel mit dem spanischen Namen Riera übernommen hat. Seine Frau hilft ihm bei der Betriebsführung. Oeltjen hat fünf Angestellte und einen Fuhrpark mit drei Opel Vivaro, einem Opel Combo und einem Smart. Etwa 100 Photovoltaikanlagen hat Elektro-Riera schon installiert. Die Photovoltaik macht rund die Hälfte des Umsatzes aus. Früher hat Oeltjen Anlagen bis zu einer Leistung von 100 Kilowatt aufgebaut. Durch die verringerte Einspeisevergütung des neuen EEG werden jetzt vor allem kleinere Anlagen auf Einfamilienhäusern nachgefragt. „Das passt natürlich mit der Elektromobilität sehr gut zusammen“, findet Oeltjen. Mit einem Elektroauto lässt sich der Eigenverbrauch in die Höhe treiben, der wirtschaftlich sinnvoller ist, als Strom aus dem Netz zu beziehen.
Der Solarspezialist ist vom E-NV200 sehr angetan. „Auch für meine Frau wäre das was“, sagt Oeltjen. Wenn seine Frau mittags nach der Arbeit nach Hause fahre, könne sie den Sonnenstrom vom Hausdach zum Laden des Elektrofahrzeugs nutzen. Für ihn und seine Installateure sei das schon schwieriger. „Wir fahren ja nicht viel“, meint Oeltjen. „Wir fahren zum Kunden. Dort steht der Wagen die ganze Zeit vor der Tür. Wenn wir beim Kunden auch laden könnten, wäre das was anderes.“ Oeltjen ist sich sicher, dass in Zukunft kein Weg an der Elektromobilität vorbeiführt. Allerdings hatte er bislang noch keinen Kunden mit Elektroauto, auch unter den vielen Solarkunden nicht.
Vorheizen an der Ladesäule
Bei Temperaturen um null Grad ist es bei unserem Test im Wageninneren entsprechend kalt. Um den Stromverbrauch der elektrischen Raumheizung zu senken, hat Nissan dem E-NV200 vorne Sitzheizungen spendiert. Der Fahrer darf sich über eine Lenkradheizung freuen, wie sie bisher nur Motorradfahrer kennen und schätzen gelernt haben. Beides zusammen lässt den Fahrer deutlich weniger frösteln, trotz der Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Für mehr Komfort bei niedrigem Energieverbrauch lässt sich die Raumheizung mit geringer Leistung nur in den Fußraum lenken. So bleiben die Füße warm. Und die Leistungsaufnahme ist mit rund 1,5 Kilowatt knapp halb so groß wie bei der Automatikeinstellung der Klimaanlage. Das verrät die Anzeige „Energie-Info“ des Fahrzeuginformationssystems, die alle wichtigen Daten des Elektromotors, der Klimaanlage und der anderen Verbraucher darstellt.
Schnell fahren kostet Reichweite
In der kalten Jahreszeit ist es am besten, den Elektro-Nissan jede Nacht an der Steckdose zu haben. Man kann die Heizung vor Fahrtantritt per Zeitschaltuhr oder Fernsteuerung einschalten, solange der Wagen noch am Stromnetz hängt. Auf diese Art wird das Wageninnere vorgeheizt, ohne die Batterie zu entladen und die Reichweite zu mindern.
Theoretisch hätte das Einschalten der Heizung bei unserem Testwagen mit der Nissan Carwings-App funktionieren sollen. Trotz mehrfacher Versuche und Hilfe von der freundlichen Hotline gelang es aber nicht, das Fahrzeug mit dem Nissan-Server zu verbinden, über den die App den Kontakt mit dem E-NV200 aufnehmen könnte.
Mit vollgeladener Batterie gibt der Nissan zu Beginn der Fahrt eine Reichweite von knapp 150 Kilometer an. Je nach Fahrstil und Geschwindigkeit sinkt diese Angabe mehr oder weniger schnell ab. So ist der Energieverbrauch, entgegen der Erfahrung mit Verbrennungsmotoren, in der Stadt am niedrigsten und somit die Reichweite am höchsten. Anders als Verbrennungsmotoren gewinnen Autos mit Elektromotor beim Bremsen den größten Teil ihrer Bewegungsenergie zurück.
Hinzu kommt, dass Stadtfahrten deutlich langsamer sind als Fahrten übers Land oder auf der Autobahn. Bei höheren Geschwindigkeiten fällt der exponentiell wachsende Windwiderstand ins Gewicht, besonders bei hohen Autos mit großer Stirnfläche wie dem E-NV200.
Diesen Zusammenhang zeigt der Momentanverbrauch sehr eindrucksvoll. Bei Tempo 100 nimmt der Elektromotor 20 Kilowatt auf. Bei 120 Stundenkilometern sind es schon 40 Kilowatt – eine glatte Verdopplung.
Um mit der kostbaren Energie besser zu haushalten, gibt Nissan dem Fahrer den Eco-Modus an die Hand. Im Eco-Modus agiert die Klimaanlage sparsamer, die maximale Leistungsaufnahme des 80-Kilowatt-Motors ist auf 60 Kilowatt beschränkt. Effektiver dürften allerdings das im Eco-Modus trägere Ansprechverhalten des Fahrpedals und der ab 40 Kilowatt Leistungsaufnahme erhöhte Pedalwiderstand sein. Damit wird dem Fahrer vermittelt, dass es viel Energie kostet, wenn er so richtig auf die Tube drücken will.
Drei Systeme zur Betankung
Um Energie zu tanken, bietet der E-NV200 drei Möglichkeiten: Die erste ist der gegen Aufpreis erhältliche Schnellladeanschluss nach dem japanischen Chademo-Standard. Zwar hat man sich in Deutschland für den weiteren Ausbau von Schnellladestationen auf das Combined Charging System (CCS) geeinigt. Aber auch Chademo wird in Deutschland weiter ausgebaut und ist immer häufiger zu finden. Mit einem solchen Anschluss lässt sich der Van mit bis zu 50 Kilowatt Gleichstrom laden, was die Batterie in 30 bis 60 Minuten auf 80 Prozent ihrer Kapazität bringt.
Die beiden anderen Ladeverfahren erfolgen per Wechselstrom entweder über ein Modus-3-Kabel mit Typ-2-Stecker und maximal sechs Kilowatt oder über ein Modus-2-Kabel mit integriertem Steuerkasten und Schukostecker mit maximal drei Kilowatt. Damit kann der Ladevorgang bei vollständig entladener Batterie schon einmal bis zu 15 Stunden dauern.
Das Laden von Elektrofahrzeugen wäre auch im Installationsbetrieb von Lutz Oeltjen kein Problem. Seine drei Opel Vivaro stehen nachts sogar in einer Halle mit Drehstromanschluss. Einzig in der Größe des E-NV200 sieht Oeltjen ein Problem. Seinen Opel Combo könnte er damit wohl ersetzen. Doch mit dem Combo fährt immer nur ein Installateur raus, meist hat er nur Material für kleinere Reparaturen dabei. Die großen Vivaro haben vorne drei Sitze und ein viel größeres Werkzeugsortiment an Bord. „Die nehmen schon mal eine große Kabeltrommel mit zur Baustelle“, sagt Lutz Oeltjen.
Dennoch gibt es genügend Installationsbetriebe, die sogar kleinere Autos als den E-NV200 als Monteurfahrzeug einsetzen. Für sie ist der Kastenwagen mit seinen beiden Schiebetüren und der sehr großen und hohen Heckklappe sicher ein guter Firmenwagen, um auf Elektromobilität umzusteigen.