BYD ist Vorreiter bei elektrischen Autos. Wie Tesla aus den USA bietet der chinesische Konzern Solartechnik, Lithiumspeicher und Fahrzeuge aus einer Hand an. Ein Besuch in Shenzhen.
Tom Zhao ist ein typischer Chinese: klein und schlank, mit blitzend wachen Augen, die er gelegentlich hinter einer dunklen Sonnenbrille verbirgt. Dann wirkt er eher wie ein zwielichtiges Geschöpf aus der Unterwelt von Hongkong, denn als Solarexperte. Man unterschätzt ihn leicht, aber er ist ein global agierender Manager und Organisationstalent – und vor allem: ein Überzeugungstäter. Wenn er von der Photovoltaik spricht, vom weltweiten Aufbruch, dann nimmt er seine Brille ab. Und dann kann man sehen, wie seine Augen leuchten.
Zhao ist Chef der Geschäftssparte Solar des chinesischen Technologiekonzerns BYD – Build Your Dreams. 2008 kam er ins Unternehmen, das in China etliche Fabriken betreibt. Zuvor war er 17 Jahre lang für Motorola tätig. Zhao war es, der die Solarsparte von BYD aufbaute. Er hat den chinesischen Zulieferer mit Apple ins Geschäft gebracht. Das ist kaum zu unterschätzen: Neben Tesla ist BYD der einzige Weltkonzern, der Photovoltaik, Stromspeicher und Elektroautos unter einem Dach entwickelt, fertigt und vertreibt.
Kein vergleichbares Unternehmen
Weder im Autoland Deutschland gibt es ein vergleichbares Unternehmen, noch in Korea oder Japan. LG oder Samsung fertigen Solarmodule und Lithiumspeicher, aber keine Autos. Im Unterschied zu Tesla baut BYD viel mehr Speichersysteme, von der neuen B-Box bis zu großen Containerstationen, die etliche Megawattstunden fassen. „Unsere Modulwerke haben eine Kapazität von derzeit rund 1,5 Gigawatt“, erzählt Tom Zhao. „Sie fahren mit voller Auslastung. Auch die Batteriefabriken laufen unter Hochdruck.“
Während die Speicherbrache in Europa noch über eine eigene Zellenfertigung grübelt, hat BYD mittlerweile vier Werke für Lithiumzellen aus dem Boden gestampft, mit insgesamt 1,6 Gigawattstunden Gesamtkapazität. Davon gehen 90 Prozent in die Automobilindustrie. „Stationäre Speicher machen zurzeit rund zehn Prozent unseres Absatzes aus“, wie Zhao bestätigt.
Schon 2009 das erste Auto
Das erste Fahrzeug war 2009 ein Hybrid: der F3DM. Das Auto wurde ausschließlich als Flottenfahrzeug an Staatsfirmen, Taxibetreiber, Polizei, Post und die Regierung verkauft. Heute ist die Produktpalette sehr breit, der Schwerpunkt liegt auf vollelektrischen Autos.
Man kann sie nahezu überall in der Welt kaufen, sogar bei den Ayatollahs im Iran. Und neuerdings werden sie über Rotterdam auch nach Europa eingeführt. Zu nennen ist der E6, eine voll ausgestattete, vollelektrische Limousine, die zunächst in Taxiflotten eingesetzt werden soll. Der Crossover hat dank der Batteriekapazität von 80 Kilowattstunden eine Reichweite von 400 Kilometern. Bei einem Preis von knapp 50.000 Euro (plus Mehrwertsteuer) erreicht das Elektroauto einen Systempreis von rund 600 Euro netto pro Kilowattstunde Speicherkapazität. Die Investitionskosten betragen damit 12.500 Euro netto pro 100 Kilometer elektrischer Reichweite.
Für die Alltagsnutzung spricht auch die Schnellladefähigkeit der Batterien: An den weit verbreiteten, öffentlichen Typ 2-AC-Ladestationen kann der E6 mit bis zu 40 Kilowatt geladen werden. Damit ermöglicht bereits eine Zwischenladung von einer halben Stunde weitere 100 Kilometer Reichweite. Eine Vollladung ist in zwei Stunden erreicht. Die Lebensdauer der Batterie wird mit 1,4 Millionen Kilometern angegeben. Dieser Wert ergibt sich aus 4.000 Ladezyklen, die BYD für die Batterie garantiert, bei einer Restkapazität von 75 Prozent. Die Garantie auf das Fahrzeug selbst liegt bei zwei Jahren oder 150.000 Kilometern.
Derzeit 16 Fahrzeugmodelle
Der E6 ist serienmäßig mit sechs Airbags ausgestattet, darunter zwei seitliche Airbags. ESP und ein Bremsassistent sind ebenso ab Werk enthalten. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 140 Kilometern pro Stunde, die der Elektromotor dank 450 Newtonmetern Drehmoment und einer Maximalleistung von 90 Kilowatt erreicht. Das Kofferraumvolumen beträgt 450 Liter. Im Gegensatz zu den meisten anderen Elektroautos kann der E6 auch andere Elektroautos „betanken“ (Vehicle to Vehicle) und steht als mobile Stromquelle zur Verfügung (Vehicle to Load). Insgesamt hat BYD 16 Fahrzeugmodelle vom Kleinwagen bis zum SUV, allesamt vollelektrisch.
Darüber hinaus wurde der E-Bus entwickelt, der zwei 2014 als Gelenkbus auf den Markt kam und seit 2016 auch als Doppeldeckerbus verfügbar ist. Der BYD C9 war 2016 der weltweit erste, rein elektrische Reisebus. Neben den Personenwagen hat BYD mehrere elektrische Lastkraftwagen aufgelegt, Terminal-Zugmaschinen und mit dem T9 die weltweit erste, dreiachsige und vollelektrische Sattelzugmaschine. Leider gibt es diese Maschine bisher nur in Asien und den USA. Hinzu kommen Gabelstapler und Niederhubwagen.
China ist der globale Leitmarkt in der Elektromobilität, und BYD ist darin der größte Fisch. Nach einer aktuellen Studie der Wirtschaftsagentur Bloomberg New Energy Finance verkauft BYD sogar mehr E-Autos als Tesla. 2016 lieferten die Chinesen rund 102.500 E-Fahrzeuge aus, mit dem Schwerpunkt in China. Tesla setzte dagegen nur 75.000 Autos ab. Allerdings machte Tesla mehr Umsatz als BYD, weil die amerikanischen Modelle teurer sind. Bloomberg schätzte den Umsatz der Amis 2016 auf 6,35 US-Milliarden Dollar, bei BYD auf 3,88 US-Milliarden Dollar.
Den Massenmarkt im Blick
Offenbar haben die Chinesen den globalen Massenmarkt im Blick. Ihre Wachstumsaussichten sind deutlich besser als bei Tesla, denn die Amerikaner haben den Sprung in die Massenfertigung noch längst nicht geschafft – weder bei den Autos, noch bei stationären Speichern. Technologisch spielen die Chinesen gleichfalls ganz vorne mit: Die drei am meisten verkauften Elektroautos im vergangenen Jahr weltweit waren der Tesla Model S, der Nissan Leaf und der Tang von BYD. Mit dem Model X hat Tesla ein zweites Modell unter den Top Ten, BYD insgesamt sogar drei.
Weltweit wurden 2016 rund 700.000 Elektroautos verkauft, davon etwa die Hälfte in China. Damit hatte sich der Markt im Reich der Mitte innerhalb eines Jahres verdoppelt. In diesem Jahr (2017) könnte der Zubau sogar noch stärker wachsen, die ersten Quartale waren sehr viel versprechend. Gegenüber dem gesamten Markt für Automobile (2016: 88 Millionen) wirkt das sehr klein. Aber genauso hat es in der Photovoltaik auch begonnen.
In den USA wächst der Markt für Elektroautos jährlich um ein Drittel, in Norwegen ist jeder dritte, neu zugelassene Wagen ein E-Auto. Für 2017 prophezeien die Experten von Bloomberg New Energy Finance, dass dieser Markt – global gesehen – um 55 Prozent zulegen wird. (HS)
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