Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Volle E-Kraft voraus!

Lautlos gleitet das große Fährschiff an den Verladekai. Wasser plätschert, als die zwei großen Schiffsmotoren mit je 450 Kilowatt die 80 Meter lange und 20 Meter breite Fähre abbremsen. Mehr ist nicht zu hören. Erst als die Bugklappe der „Ampere“ öffnet und die Lastwagen an Bord ihre Motoren starten, hat die Stille ein Ende.

Die „Ampere“ ist die weltweit erste batterieelektrische Auto- und Passagierfähre. Sie fährt täglich 34 Mal über den Sognefjord in Norwegen zwischen Lavik und Oppedal. Gebaut wurde sie von der norwegischen Werft Fjellstrand im Auftrag der Reederei Norled in Zusammenarbeit mit Siemens.

Während die bis zu 120 Autos und 360 Passagiere die Fähre verlassen und die nächsten Autos und Fahrgäste an Bord kommen, wird die zehn Tonnen schwere Batterie in nur zehn Minuten für die nächste Überfahrt geladen. „Wenn wir nun kurzzeitig so viel Energie vom Mittelspannungsnetz in die Fähre pumpen, gehen in allen Häusern die Waschmaschinen aus“, sagt Odd Moen, Ingenieur bei Siemens und geistiger Vater des Antriebssystems der „Ampere“.

Damit das nicht passiert, steht an den Kais in Lavik und Oppedal je eine 260-Kilowattstunden-Pufferbatterie, die ihre Energie in den zehn Minuten an den Schiffsakku abgibt und anschließend wieder über das Stromnetz geladen wird.

Weil der Strom aus dem norwegischen Netz zu fast 100 Prozent aus Wasserkraft stammt, fährt die Ampere auch bilanziell fast völlig frei von Schadstoffen und Emissionen.

Eine konventionelle Dieselfähre würde auf der gleichen Route rund eine Million Liter Kraftstoff pro Jahr verbrauchen und dabei 2.680 Tonnen Kohlendioxid und 37 Tonnen Stickoxide in die Luft blasen.

Zurück zum E-Antrieb

Ganz wie beim Auto und sogar bei Lastwagen nimmt die Elektrifizierung der Antriebe auch bei Booten und Schiffen Fahrt auf. Und ebenfalls wie beim Auto sind elektrische Antriebe für Boote keineswegs neu. Ihr erstes goldenes Zeitalter hatten elektrische Bootsantriebe genau wie beim Auto vor über 100 Jahren, zwischen 1890 und 1920. Das erste bekannte Elektroboot fuhr sogar schon 1839 in St. Petersburg. Es konnte 14 Passagiere befördern und brachte es auf knapp sechs Stundenkilometer.

Schon 1894 gründete sich die Bergen Elektriske Fargeselskap (BEF) in der norwegischen Stadt Bergen und betrieb eine kleine Flotte von elektrischen Passagierbooten. 1926 wurde das letzte dieser Boote auf Dieselantrieb umgerüstet.

Erneut umgerüstet – nach 100 Jahren

Anfang des Jahres hat eines dieser Boote, die 100 Jahre alte „Beffen“, wieder einen batterieelektrischen Antrieb erhalten. Mit zwei Zehn-Kilowatt-Elektromotoren und einer Lithium-Ionen-Batterie (60 Kilowattstunden) war es das erste elektrische Passagierschiff in Norwegen. Die „Beffen“ macht täglich 70 Fahrten mit bis zu 20 Passagieren.

Auf vielen Binnengewässern hat die Elektroschifffahrt eine lange Tradition und sogar seit Anfang des 20. Jahrhunderts Bestand. Wie etwa auf dem bayerischen Königssee bei Berchtesgaden, wo in den letzten 100 Jahren rund 45 Millionen Fahrgäste mit der Schiffsflotte der „Bayerischen Seenschifffahrt“ elektrisch über den See geschippert wurden.

Schon 1909 mit Bleibatterien

Das erste dieser Boote wurde 1909 angeschafft, war komplett aus Mahagoni gefertigt und bot Platz für 38 Personen. Eine Bleibatterie verlieh dem zwölf Meter langen und gut zwei Meter breiten Kahn eine Geschwindigkeit von zehn Stundenkilometern und 100 Kilometer Reichweite. Heute verkehren täglich 18 Elektroschiffe täglich auf dem Königssee.

Ein Treiber für kleine batterieelektrische Boote und Schiffe sind die Verbote von Verbrennungsmotoren auf vielen Binnengewässern besonders in Österreich und Deutschland. Grund sind vor allem die Schadstoffemissionen und die Lärmbelastung in Erholungsgebieten.

Strenge Regeln für Dieselschiffe

Aber auch die Emissionen von großen Seeschiffen werden in Häfen, nationalen Hoheitsgewässern und selbst in internationalen Gewässern zunehmend reguliert. So ist in der EU seit 2015 der Schwefelgehalt von Schweröl – Raffinerieabfall und Schiffstreibstoff – auf 0,1 Prozent begrenzt. In internationalen Gewässern sind es noch 3,5 Prozent, ab 2020 sind dort nur noch 0,5 Prozent erlaubt.

Um diese Grenzwerte zu erreichen, brauchen Schiffe Entschwefelungsanlagen oder müssen Marinediesel bunkern. Beides ist teuer. Und die Regulierung wird fortschreiten. Ab 2018 müssen alle Schiffe, die einen Hafen in der EU anlaufen, ihren Kohlendioxidausstoß erfassen und melden. Für Ruß und Stickoxide plant die EU Grenzwerte einzuführen.

Vom Kajak zum Rennboot

Effiziente und umweltfreundliche Schiffsantriebe werden daher für viele Reeder immer interessanter. Auch bei Sportbooten und Yachten rücken die Betriebskosten immer mehr in die Aufmerksamkeit der Eigner. Hinzu kommt, dass diese Boote für Freizeit und Erholung gedacht und gebaut sind. Komfort spielt eine große Rolle. Er wird mit leisen elektrischen Antrieben erheblich gesteigert.

Die Firma Torqeedo hat sich in den vergangen Jahren in diesem Bereich ganz gezielt positioniert. Erst vor zehn Jahren gegründet, ist das Unternehmen inzwischen „mit großem Abstand Marktfuhrer im wachsenden Segment fur elektrische Bootsantriebe weltweit“, wie es im Firmenprofil heißt. Torqeedo hat derzeit 25 elektrische Bootsantriebe im Programm, von ein bis 80 Pferdestärken.

Dabei setzt die Starnberger Firma auf moderne Technik. So haben fast alle Antriebe ein integriertes GPS (globales Positionsbestimmungssystem), das die aktuelle Geschwindigkeit erfasst. Der Bordcomputer errechnet über die Leistungsaufnahme des Motors die verbleibende Reichweite der Batterie. Über die sogenannte Torqtrac-App lassen sich sämtliche Information des Außenbordmotors auf dem Smartphone abrufen und die Navigation mithilfe von Kartendiensten erweitern.

Verschiedene Lithiumzellen

Bei den Batterien setzt Torqeedo auf Zellen aus Lithium-Eisenphosphat und Lithium-Nickel-Mangan-Kobaltoxid. Sie werden als 24-Volt-Batterie mit einer Kapazität von 2.685 Wattstunden und als 345-Volt-Batterie mit 12,8 Kilowattstunden angeboten. Die Außenbordmotoren haben eine Leistung von ein bis 80 Pferdestärken, die Innenborder von 40 bis 80 Pferdestärken.

Im August hat Torqeedo eine Zusammenarbeit mit dem schwedischen Hersteller Nimbus Boats angekündigt. Das Nimbus 365 Coupé soll alsbald serienmäßig mit Torqeedo-Innenbordern laufen, für das 6,5-Tonnen-Boot allerdings als Hybridantrieb in Kombination mit einem Dieselmotor und Generator.

Auch andere Hersteller und Zulieferer setzen auf E-Mobilität auf dem Wasser. So kombiniert der Generatorhersteller Fischer Panda aus Paderborn seine Schiffsgeneratoren inzwischen mit Batterien und Elektromotoren und bietet seinen Kunden maßgeschneiderte Hybridantriebe an.

Diesel und E-Antriebe kombiniert

Das Potdamer Start-up Amperetta kombiniert Volvo-Penta-Schiffsdiesel mit einem Elektromotor, Generator und einer Batterie im Antriebssystem. Auch das schwedische Unternehmen Green Star Marine bietet elektrische Antriebe zur Nachrüstung an. Sie sind für Segelboote gedacht.

Um zu zeigen, dass elektrische Antriebe auch auf dem Wasser zu Superlativen fähig sind, hat der amerikanische Hersteller Cigarette zusammen mit Mercedes AMG das erste rein elektrisch angetriebene Rennboot entwickelt, die „Cigarette AMG Electric Drive“. Sechs Elektromotoren verleihen ihm eine Leistung von insgesamt 1.656 Kilowatt oder 2.220 Pferdestärken bei einem Drehmoment von 3.000 Newtonmeter. Die Batterie hat eine Kapazität von 240 Kilowattstunden und eine elektrische Belastbarkeit von 2.400 Kilowatt. Motoren und Batterien stammen aus dem Mercedes AMG SLS Coupé Electric Drive.

Bei großen Seeschiffen bauen Werften und Reeder immer öfter Hybridantriebe ein. Wobei der diesel-elektrische Antrieb ohne Batterie in Schiffen nicht ganz neu ist. Bei den ersten Dampf- und Dieselschiffen wurden Elektromotoren noch zum Rückwärtsfahren eingesetzt, weil es damals nur wenige Schiffsgetriebe mit Rückwärtsgang gab.

Ebenso wie bei Eisenbahnen sind die Vorteile solcher Antriebe schon länger bekannt und werden, wo es ökonomisch Sinn macht, genutzt. Grundsätzlich treiben dabei die Verbrennungsmotoren Generatoren an, die Strom erzeugen. Dieser Strom versorgt sowohl die elektrischen Antriebsmotoren mit Energie als auch die vielen anderen Verbraucher auf großen Schiffen, die sogenannten Hotellasten. Das Prinzip entspricht dem sogenannten Range Extender, der in einigen Autos genutzt wird.

Der große Vorteil diesel-elektrischer Antriebe ist, dass die Generatoren die meiste Zeit im optimalen Leistungspunkt laufen und so erheblich weniger Treibstoff verbrauchen als ein direkter Dieselantrieb. Elektromotoren haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie einen wesentlich höheren Wirkungsgrad haben, der inzwischen um die 98 Prozent liegt, und zwar unabhängig von der Drehzahl. Obendrein haben sie ein enormes Drehmoment schon ab der ersten Umdrehung.

Schiffspropeller arbeiten umso effizienter, je größer sie sind und je langsamer sie drehen. Doch dafür braucht es große Drehmomente. Zu guter Letzt lassen sich Elektromotoren viel schneller und präziser ansteuern. Das ist zum Beispiel nötig, um etwa für Bohrarbeiten im freien Wasser eine exakte Position zu halten oder in Gefahrensituationen schnell gegensteuern zu können.

Außerdem haben Seeschiffe ohnehin mehrere Generatoren an Bord, um die Bordsysteme, Hotellasten und Arbeitsgeräte wie Deckkräne zu versorgen. Auch für die Generator-Diesel-Hybridmotoren gilt, dass sie bei Nennlast am effizientesten arbeiten. Die Stromerzeugung muss sich im Bordnetz mit dem Stromverbrauch die Waage halten. Der Verbrauch wiederum kann stark schwanken. Solche Schwankungen lassen sich durch mehrere Generatoren, die je nach Bedarf an- und abgeschaltet werden, ausgleichen.

Die Batterie ist der Schlüssel

Wesentlich günstiger und schneller federt eine große Pufferbatterie solche Lastschwankungen ab. Obendrein hat sie den Vorteil, dass sie von bestimmten Verbrauchern – wie etwa Deckkränen – zurückgewonnene Energie (Rekuperation) speichern kann.

Die erst 2009 gegründete kanadische Firma Corvus Energy hat sich in kurzer Zeit als Hersteller von riesigen Batterien für maritime Anwendungen etabliert. So hat Corvus Energy sowohl die vollelektrische „Ampere“-Fähre der Reederei Norled mit ihrer Ein-Megawattstunden-Batterie ausgestattet als auch sechs Hybridfähren der Reederei Scandlines, die unter anderem die Vogelfluglinie von Puttgarden nach Rødby betreibt.

Der größte Stromspeicher (2,6 Megawattstunden) steckt in der „Prins Richard“. Die 142 Meter lange Fähre nimmt auf der Vogelfluglinie einen ganzen ICE-Zug an Bord und wurde in den Jahren 2013 und 2014 zusammen mit der „Prinsesse Benedikte“ auf Hybridantrieb umgerüstet.

Norwegen treibt Umstellung voran

Es waren die beiden ersten Fährschiffe mit Hybridantrieb weltweit. „Batterien haben eine zehnmal höhere Wertschöpfung in Schiffen als in Autos“, sagt Geoff Davenport, President International Business von Corvus Energy. „Bei der Prinsesse Benedikte sehen wir eine Kraftstoffeinsparung von 15 bis 20 Prozent. Der Return on Investment liegt bei einer Größenordnung von etwa drei Jahren.“

Entsprechend attraktiv ist ein Hybridantrieb für Reeder und Schiffseigner. Inzwischen hat Corvus Energy auch etliche Schlepper, Versorgungsschiffe und Yachten mit seinen Batterien ausgestattet.

Ein großer Treiber elektrischer Schiffsantriebe und nachhaltiger Seefahrt ist Norwegen. Dort hat das Parlament beschlossen, bei allen Ausschreibungen für Fährverbindungen nur noch emissionsfreie Antriebe oder solche mit sehr geringen Emissionen zu berücksichtigen. In den nächsten Jahren werden daher eine ganze Reihe neuer Fährlinien mit vollelektrischen oder hybriden Schiffen in Betrieb gehen.

Auch in Versorgungsschiffen verrichten bereits die ersten Hybridantriebe ihren Dienst. So setzt die norwegische Reederei Østensjø bereits die beiden Hybridschiffe „Edda Ferd“ und „Edda Freya“ ein.

Østensjø setzt auf Hybridantriebe in Kombination mit Flüssigerdgas als Kraftstoff für die Motoren. Damit sinkt der Schadstoffausstoß erheblich. Eidesvik hat die beiden Versorgungsschiffe „Viking Lady“ und „Viking Queen“ im Einsatz, die Ölplattformen beliefern.

Die noch in Bau befindliche niederländische Hybridfähre „Texelstroom“ setzt noch einen drauf. Das 135 Meter lange Schiff lässt sich mit Erdgas antreiben und hat zusätzlich 700 Quadratmeter Solarmodule auf dem Oberdeck installiert.

Der Trend ist eindeutig

Die „Texelstroom“ und die „Ampere“ zeigen, wohin die Reise in der Schifffahrt geht: effiziente Antriebe und Bordsysteme, erneuerbare Energien und Hightech-Materialien. Denn um vollelektrisch fahren zu können, haben die Entwickler die „Ampere“ ordentlich abgespeckt. Mit ihrem Aluminiumrumpf wiegt sie nur halb so viel wie eine gleich große Fähre aus Stahl. Außerdem wurde der Stromverbrauch aller Bordsysteme optimiert. Und so kann sie nach einer zehnminütigen Ladezeit erneut ablegen und den wunderschönen Sognefjord ein weiteres Mal völlig lautlos und umweltfreundlich überqueren.

Bootsmesse in Düsseldorf

Neue E-Boote und Photovoltaikfür Yachten und Marinas

Vom 23. bis zum 31. Januar 2016 findet in Düsseldorf die nächste Fachmesse rund um Boote, Schiffsantriebe, Yachting, Tauchsport und Marinas statt. Die weltgrößte Messe für Boote und Wassersport hatte 2015 rund 240.000 Besucher. Sie reisten aus 60 Ländern an. In 17 Messehallen präsentierten 1.741 Aussteller ihre Ideen und Produkte rund um das kühle Nass: mit Bootspremieren, neuen Wassersportgeräten, Ausrüstungen und maritimen Dienstleistungen.

www.boot.de

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ PV E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus PV: Sonderhefte (PDF)
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
+ Adresseintrag im jährlichen Ratgeber
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen