Um den Atommüll zu entsorgen, müssen Kraftwerksbetreiber deutlich mehr Geld als bisher für den Rückbau und die Entsorgung zurücklegen. Energieexperten sprechen sich deshalb für einen öffentlich-rechtlichen Atomfonds aus.
Auch wenn Ende des Jahres 2022 das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gegangen ist, werden die Lichter hierzulande nicht ausgehen. Die Stromversorgung bleibt sicher. Das zeigen aktuelle Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „In Deutschland wird bereits heute sehr viel mehr Strom produziert als wir verbrauchen“, erklärt Professorin Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin. Die bevorstehende Abschaltung des Atomkraftwerks in Grafenrheinfeld werde daran nur wenig ändern. „Auch im Jahr 2025 werden wir noch genügend Strom haben und diesen teilweise sogar ins Ausland liefern“, erklärt Kemfert.
Größere Herausforderungen sehen die Wissenschaftler Claudia Kemfert, Christian von Hirschhausen und Cornelia Ziehm beim Rückbau der Atomkraftwerke und er Entsorgung des hochradioaktiven Atommüll. Die von den Atomkraftwerksbetreibern bisher zurückgestellten rund 38 Milliarden Euro reichten dafür nicht aus, erklären Forscher.
Rückstellungen mit Risiken behaftet
Weil die Rückstellungen bei Insolvenzen zudem nicht geschützt seien und die Energiekonzerne sich ihrer Verantwortung durch Konzernumstrukturierungen entziehen könnten, schlagen die Studienautoren einen öffentlich-rechtlichen Fonds vor. In diesen könnten die Rückstellungen für Rückbau und Endlagerung überführt werden. Für die zu erwartenden Mehrkosten sollte der Gesetzgeber eine Nachschusspflicht vorsehen.
Die Betreibergesellschaften der Atomkraftwerke leiten die laut Atomgesetz gebildeten Rückstellungen regelmäßig an ihre jeweiligen Muttergesellschaften weiter. So ergibt sich für die Energiekonzerne eine vergleichsweise günstige Finanzierungsquelle. Fraglich ist dabei, auch aufgrund der Umwälzungen auf dem Energiemarkt und der sinkenden Profitabilität einiger Energieversorger, welchen Wert die Rückstellungen in einigen Jahren überhaupt noch haben werden. „Angesichts dieser großen Risiken sollten die Rückstellungen der Atomkonzerne zeitnah in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt werden“, sagt von Hirschhausen. Hinsichtlich des absehbaren Mehrbedarfs sollten die Energiekonzerne nach Ansicht der Energieexperten verpflichtet werden, die Differenz zu den bereits vorhandenen Rückstellungen auszugleichen.
Sichere Stromversorgung
Die Lichter gehen in Deutschland auch künftig nicht aus. „Wenn das Atomkraftwerk im bayerischen Grafenrheinfeld im Juni 2015 vom Netz geht, werden die energiewirtschaftlichen Konsequenzen gering sein“, sagt Kempert. Den Großteil der insgesamt zehn Terawattstunden Strom, die das Atomkraftwerk bisher pro Jahr erzeugt hat, kompensieren Stein- und Braunkohlekraftwerke sowie Erdgaskraftwerke in Deutschland.
Auch nach 2022 wird das Stromangebot ausreichend sein, lediglich in Spitzenlaststunden ist Deutschland dann wohl auf Stromimporte aus seinen Nachbarländern angewiesen. Die Simulationsrechnungen des DIW Berlin zeigen nur einen leichten Strompreisanstieg.
Hinsichtlich des Rückbaus abgeschalteter Atomkraftwerke und der Endlagerung des Atommülls stehen die wahren Herausforderungen der DIW-Studie zufolge noch bevor: Ein Endlager, in dem die hochradioaktiven Brennstäbe über Jahrtausende sicher gelagert werden könnten, ist bislang nicht in Sicht. Laut aktueller Planung soll der finale Standort frühestens im Jahr 2031 feststehen. Die bisher wenig belastbaren Schätzungen der Kosten für Rückbau und Endlagerung gehen von mindestens 50 bis 70 Milliarden Euro aus. Demzufolge genügten die Rückstellungen der Kraftwerksbetreiber von derzeit 38 Milliarden Euro nicht. (nhp)