Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich auf wenig ambitionierte 27 Prozent beim Ausbau der erneuerbaren Energien geeinigt. Bei der Wirtschaft und bei Klimaschützern stößt dies auf heftige Kritik. Bundeskanzlerin Merkel hatte viel versprochen, aber nichts für einen stärkeren Klimaschutz getan.
Schon am ersten Tag ihrer Verhandlungen über die energie- und klimapolitischen Ziele haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die Vorschläge der EU-Kommission übernommen. Dementsprechend streben sie ein schwaches Ziel beim Ausbau der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 von 27 Prozent an. Immerhin soll das als Minimum verstanden werden. Doch werden keine verbindlichen Ziele für die einzelnen Mitgliedsstaaten festgelegt. Die deutsche Wirtschaft sieht darin eine Bankrotterklärung der europäischen Energiepolitik und ein wirtschaftspolitisches Desaster. „Die Bundesregierung hat mit ihrer Zustimmung blindlinks alle Chancen geopfert, die künftige Bezahlbarkeit von Energie und damit Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit in Europa sicherzustellen und unabhängig von Energieimporten zu werden“, kritisiert Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF).
Merkel hatte viel versprochen
Noch bei ihrer Ankunft gestern in Brüssel hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von einer „gewaltigen Kraftanstrengung“ gesprochen, um die gesteckten Klimaziele umzusetzen. „Ich möchte, dass wir ein anspruchsvolles Klimaprogramm vorlegen“, sagte sie. Damit hätte Europa Innovation und Zukunftsfähigkeit auf seiner Seite und für die Pariser Klimaverhandlungen 2015 eine gute Ausgangsbasis. Schließlich sollen dort weltweit verbindliche Klimaschutzziel formuliert werden. In ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag hatte sie noch betont, sie könne sich beim Klimaschutz oder beim Ausbau der erneuerbaren Energien durchaus noch ambitioniertere Ziele vorstellen. Doch geschafft hat sie nichts. Denn von ambitionierten Zielen ist im Beschluss nichts mehr zu lesen.
Emissionshandel ist wirkungslos
Immerhin haben sich die Staats- und Regierungschefs noch darauf verständigt, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. „Dabei muss man bedenken, dass es immer noch erlaubt sein wird, 60 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgase in eine bereits hochgradig überlastete Erdatmosphäre zu emittieren“, schimpft Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group. „Festgehalten wird an völlig wirkungslosen Klimaschutzmaßnahmen wie dem Emissionshandel, der bisher absolut nichts zum Klimaschutz beigetragen hat und sicherlich auch in Zukunft nichts beitragen wird, weil er eben strukturell völlig falsch angelegt ist.“ Allein über die Menge an Zertifikaten im Emissionshandel wollen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs noch unterhalten. Das System selbst stellen sie aber nicht in Frage. Fell kritisiert auch, dass die EU am alten Energiesystem festhält, in dem immer noch 73 Prozent des europäischen Energieverbrauchs mit fossilen oder atomaren Energieträgern produziert wird, statt endlich das klare Ziel einer hundertprozentigen Versorgung durch erneuerbare Energien in der EU anzustreben.
Das dritte Ziel, dass der Europäische Rat gestern beschlossen hat, ist die Senkung des Primärenergieverbrauchs um 30 Prozent. Doch auch dieses wenig ambitionierte Ziel stößt auf heftige Kritik. Dieses Ziel liege ohnehin noch unter den sowieso stattfindenden Effizienzfortschritten, kritisiert Christian Noll von der DENEFF. "Zuletzt hatten sich 49 Unternehmen und Wirtschaftsverbände für ein verbindliches 40-Prozent-Ziel ausgesprochen", betont er. (Sven Ullrich)