Die schwarzgelbe Bundesregierung hat den Atomkonzernen eine Blaupause für Schadensersatzklagen über insgesamt 882 Millionen Euro geliefert. Das geht aus einem nun veröffentlichten Briefwechsel hervor. Die Grünen streben einen Untersuchungsausschuss an.
Die schwarzgelbe Bundesregierung hat der Atomindustrie offenbar zu Klagen in Millionenhöhe verholfen. Das geht aus einem bisher unveröffentlichten Briefwechsel hervor, der dem ARD-Magazin Monitor vorliegt. Darin bittet der damalige RWE Vorstandsvorsitzende, Jürgen Großmann, den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier ausdrücklich um ein Schreiben, das heute als wesentliche Grundlage für Schadensersatzklagen der Atomkonzerne dient. Vorausgegangen war demnach offenbar eine Vereinbarung mit dem damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. Heute sitzt Pofalla im Vorstand der Deutschen Bahn.
„Der Brief ist von RWE bestellt worden und die Politik hat geliefert“, sagt Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. „Ein solcher Vorgang hat mit Rechtstaatlichkeit nichts mehr zu tun“, urteilt der ehemalige Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium Wolfgang Renneberg. „So sind die Millionen-Klagen der Atomkonzerne erst möglich gemacht worden.“
Schadenersatz über 882 Millionen Euro
Hintergrund: Bis Ende 2014 haben die Atomkonzerne RWE, Eon und EnBW ihre Klagen auf Schadenersatz gegen den Bund und die zuständigen Länder eingereicht. Die Klagen richten sich gegen die von der Bundesregierung nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschlossene vorübergehende Stilllegung der ältesten deutschen Atomkraftwerke. Bilanz: Die Konzerne fordern einen Schadenersatz über insgesamt rund 882 Millionen Euro. Weder Bouffier noch Pofalla oder Großmann wollten sich auf Anfragen von Monitor dazu äußern.
Sylvia Kotting Uhl hält die „Nähe zwischen Politik und Energiekonzernen, um den Steuerzahler um sein Geld zu bringen“, für empörend, sagt die atompolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion. Die Grünen planen deshalb einen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag zu berufen. Laut Grundgesetz kann auf Antrag eines Viertels der Mitglieder im Bundestag ein Untersuchungsausschuss initiiert werden. (nhp)