Bundesregierung und Bundestag können einen Fahrplan zum Ausstieg aus der Kohleverstromung und ein Kohleausstiegsgesetz beschließen, ohne dass die Kraftwerksbetreiber Entschädigungen bekommen. Dafür gelten allerdings gleich mehrere Voraussetzungen.
Die Bundesregierung kann per Gesetz 25 Jahre alte Kohlemeiler stilllegen lassen, ohne dass die Betreiber dafür eine Entschädigung erhalten. Dafür müssen den Kraftwerksbetreibern allerdings angemessene Übergangsfristen eingeräumt werden. Diese umfasst in der Regel ein Jahr nach Inkrafttreten eines Gesetzes zum Kohleausstieg. Wenn von dem Gesetz aber auch der Kohleabbau in Deutschland betroffen ist, sollten die Übergangsfristen länger gewählt werden. Zwar wird der Kohleabbau nicht direkt von einem Ausstieg betroffen. Da die Kohle aber in der Regel vin deutschen Kraftwerke verstromt wird, sollte der Gesetzgeber die Folgen für den Kohleabbau mit berücksichtigen. Auf für KWK-Anlagen sollten längere Übergangsfristen vorgesehen werden. Andernfalls könnten Entschädigungszahlungen anfallen.
Das ist das Ergebnis eines Gutachtens der Anwaltskanzlei von Becker Büttner Held (BBH), das im Auftrag von Agora Energiewende abgefertigt wurde. Die Anwälte haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2016 zum Atomausstieg ausgewertet und sich angesehen, ob ein Kohleausstiegsgesetz analog zum Atomausstieg mit Restlaufzeiten und festen Abschaltdaten verfassungsrechtlich möglich ist.
Kohleausstieg ist keine Enteignung
Dabei geht es darum, ob ein staatlich verordneter Ausstieg ein Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentum an Kraftwerken ist. Hier müsse zwischen diesem Eigentumsrecht des Betreibers und dem Gemeinwohl abgewogen werden. Die Untersuchung ergibt, dass abgeschriebene Kohlekraftwerke ohne Entschädigungsansprüche stillgelegt werden können – genauso wie es bei Atomausstieg passiert. Daraus ergibt sich auch die Grenze der 25 Jahre. Denn innerhalb dieses Zeitraums sind Kohlekraftwerke abgeschrieben und damit ohnehin nichts mehr wert.
Mit seinem Urteil zum Atomausstieg habe das Bundesverfassungsgericht der Politik einen großen energiepolitischen Gestaltungsspielraum zugebilligt, erklärt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Dieser Gestaltungsspielraum gilt auch für den Kohleausstieg“, betont er. „So wie das Atomausstiegsgesetz auf Basis eines Atomkonsenses formuliert wurde, ist auch der Kohleausstieg auf Basis eines Kohlekonsenses möglich. Ein solcher Kohlekonsens sollte zügig vereinbart werden, denn die über die Parteigrenzen im Bundestag hinweg bestätigten Klimaschutzziele 2020, 2030, 2040 und 2050 sind sonst nicht erreichbar.“ (su)