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Internationalisierung

„Den Erfolg fortschreiben“

Baywa r.e. hat angekündigt, die Handelssparte verkaufen zu wollen. Das hat viele Akteure in unserer Branche überrascht. Bevor wir uns vertiefen: Wie viele ­Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind betroffen?

Frank Jessel: Weltweit geht es um 21 Gesellschaften und mehr als 1.400 ­Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Niederlassungen oder Vertriebsbüros gegründet oder gekauft, unter anderem in Österreich, Polen, Lettland, Litauen, Bulgarien und Tschechien. Allein im vergangenen Jahr haben wir rund 500 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt.

Wo liegt der Schwerpunkt Ihres Handelsgeschäfts?

Aktuell auf Europa. Hier haben wir allein 14 nicht deutschsprachige ­Gesellschaften und rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr haben wir in Europa rund zwei Milliarden Euro Umsatz erzielt. Darüber hinaus wachsen wir auch in Amerika und in Asien beziehungsweise im pazifischen Raum sehr stark.

Ist das Geschäft mit Solarkomponenten profitabel?

Ja, unser Solarhandelsgeschäft war noch nie so erfolgreich wie im Jahr 2022, und wir konnten unsere Position als einer der weltweit führenden ­Solarhändler weiter verstärken. Natürlich setzen auch uns Probleme in der Lieferkette zu, wie anderen Akteuren in unserer Branche auch. Aber wir konnten unsere Ergebnisse deutlich steigern. Weltweit hatten wir 2022 ­einen Umsatz von 2,76 Milliarden Euro. In den vergangenen beiden Jahren haben wir es zudem geschafft, unsere Roherträge zu steigern. 2022 haben wir 3,5 Gigawatt Solarmodule und 4,6 Gigawatt Wechselrichterleistung verkauft.

Warum wollen Sie das Geschäft veräußern?

Durch den Verkauf haben wir die Möglichkeit, die Erfolgsgeschichte des Solarhandels fortzuschreiben. Solar Trade hat das Potenzial, den jährlichen Absatz von Solarmodulen und Wechselrichtern auf jeweils mehr als zehn Gigawatt zu steigern. Baywa r.e. hat sechs große Geschäftsbereiche. Beim Solarhandel gibt es die Chance, das Geschäft zu veräußern, damit es sich entsprechend den Märkten entwickeln kann. Baywa r.e. möchte sich durch diese strategische Neuausrichtung auf die weltweite Solar- und Windprojektentwicklung, den Ausbau der Geschäftsfelder Betriebsführung und Energielösungen sowie den Ausbau des IPP-Portfolios konzentrieren. Der Verkauf dient zugleich der Re-Allokation des eingesetzten Kapitals. ­Deshalb suchen wir nach einem Investor, der unsere Werte trägt und das globale Handelsgeschäft übernehmen will.

Der Einstieg der Baywa r.e. hat den Solarhandel von MHH seinerzeit durch die Krise gebracht. Ist es nun an der Zeit, wieder eigene Wege einzuschlagen?

So kann man es sehen. Die globale Energie- und Klimakrise führt zu einem beschleunigten Übergang zu erneuerbaren Energien. Dies führt zu einem hochdynamischen Marktumfeld mit enormem Potenzial für alle Marktakteure. Unsere Shareholder wollen sich in diesem Kontext verstärkt auf Solar- und Windkraftwerke konzentrieren. Deshalb soll das Projektgeschäft bei Baywa r.e. weiter ausgebaut werden. Auch das ist ein Geschäft mit enormen Wachstumschancen.

Wollen Sie das komplette Handelsgeschäft abgeben oder nur ausgewählte Dependancen?

Den gesamten Solarhandel, auch für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Nur mit einem neuen, starken Investor können wir das enorme Wachstum, das vor uns liegt, dauerhaft stemmen.

Stichwort: Lieferengpässe. Welche Herausforderungen lauern im Handelsgeschäft?

Neben den aktuellen Engpässen werden die Verkaufspreise für Module, Wechselrichter oder Speicher perspektivisch fallen. Sie müssen fallen, um den Zubau weltweit weiter anzukurbeln. Wir müssen also mehr Ware zu ­sinkenden Roherträgen durchschleusen. Das erfordert digitale Prozesse. Da befindet sich die Photovoltaikbranche fast noch in der Steinzeit. Viele Installateure bestellen noch per Telefon oder E-Mail. Das muss viel digitaler werden. Wir müssen den E-Commerce weiter ausbauen, von der Planung bis zur Auslieferung.

Was bedeutet das für den Bedarf an Investitionen?

Das kann ich Ihnen sagen. Bislang haben wir einen Millionenbetrag in digitale Lösungen investiert. Bis 2025 werden wir rund eine Milliarde Euro jährlich mit E-Commerce umsetzen. Wir haben weltweit bisher 52 Lager­standorte und 105.000 Quadratmeter neue Solarlager in Planung. Oft wird unterschätzt, wie schwierig es ist, sehr gute Standorte zu vernünftigen Preisen zu bekommen. Das sind echte Herausforderungen, will man dem Wachstum unserer Branche gerecht werden.

Die Entscheidung zum Verkauf ist gefallen. Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter?

Seit der Ankündigung können wir uns über mangelndes Interesse nicht ­beklagen. Derzeit führen wir erste lose Gespräche. Der Teaser wird im Sommer rausgehen, bis dahin haben wir die interne Due Diligence abgeschlossen. Im Herbst starten die Managementpräsentationen. Wenn alles gut läuft, könnten wir den Prozess im Verlauf des kommenden Jahres abschließen.

Wie ist die Stimmung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Verständlicherweise gibt es eine gewisse Unsicherheit. Wir setzen auf Beständigkeit und Vertrauen, denn der Einstieg eines neuen Investors soll die Zukunft unseres Geschäfts sichern und weiteres Wachstum ermöglichen. Er soll darüber hinaus natürlich zu unseren Werten und unserer großartigen Unternehmenskultur passen, auf die wir sehr viel Wert legen. Deshalb führen wir mit den Kolleginnen und Kollegen der Handelssparte sehr viele ­Gespräche, um den notwendigen und richtigen Schritt zu erläutern.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

Die Ausweitung des Geschäfts in internationalen Märkten fordert die Großhändler heraus.

Foto: Baywa r.e.

Die Ausweitung des Geschäfts in internationalen Märkten fordert die Großhändler heraus.
Baywa r.e. will künftig das Projektgeschäft ausbauen.

Foto: Baywa r.e.

Baywa r.e. will künftig das Projektgeschäft ausbauen.

Im Interview

Frank Jessel
ist seit 2016 Global Director Solar Trade bei Baywa r.e. 2011 war er dem Unternehmen als Leiter der internationalen Aktivitäten im ­Solarhandel beigetreten. Zuvor war er ­unter ­anderem für MHH und Celadon tätig. Frank Jessel ist diplomierter Betriebswirt der ­Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen. Er hat fast 20 Jahre ­Erfahrung im ­Handel, davon fünf Jahre in den USA.