Wie viele andere erfolgreiche Veranstaltungen entstand das Staffelsteiner Photovoltaik-Symposium ohne viel Tamtam – eher im Verborgenen. So schildert es rückblickend Eckardt Günther, der 1985 im Ostbayerischen Technologie-Transfer-Institut (OTTI) in Regensburg als Abteilungsleiter für erneuerbare Energien angefangen hatte. Bald darauf bekam er überraschend Besuch von Udo Möhrstedt, der ihm eine Veranstaltungsidee präsentierte.
Verstreute Gemeinde sammeln
Möhrstedt schwebte vor, die damals noch sehr kleine und weit verstreut tätige Photovoltaikgemeinde zum Erfahrungsaustausch zu versammeln. Zwar hatte die Photovoltaik damals schon das Stadium der Serienproduktion erreicht, aber die Fertigung war noch mit viel Handarbeit verbunden.
Weit von Massenfertigung entfernt
Von Massenproduktion war die Industrie noch weit entfernt. Die Stromerzeugung aus Solarenergie war etwas Besonderes, das sich nur leisten konnte, wer ausreichend Mittel und eine gehörige Portion Idealismus aufbrachte.
Aber die Zeit war reif für eine Solartagung. Den Vorschlag für eine angemessene Tagungsstätte hatte Udo Möhrstedt gleich mitgebracht: Seine Firma IBC Solar war in Staffelstein angesiedelt, Kloster Banz lag in Sichtweite.
Gute Beziehungen zur CSU bahnten den Weg zur Hanns-Seidel-Stiftung, der Eigentümerin des damals gerade erst renovierten und zum Tagungszentrum umgebauten Klosters.
Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) um Professor Adolf Goetzberger und Jürgen Schmid stellten ein Tagungsprogramm zusammen. Es gelang ihnen, Experten aus Forschung und Industrie als Referenten zu gewinnen.
Ein Name, passend zum Ort
Innerhalb von vier Monaten wurde das Tagungskonzept aus dem Boden gestampft, vermarktet und im Kloster Banz die Veranstaltung anberaumt. Das Gründerteam entschied sich dafür, die Veranstaltung „Symposium“ zu nennen, nicht „Fachtagung“ oder „Konferenz“. Das OTTI hatte kurz zuvor ein äußerst erfolgreiches Symposium durchgeführt. An diesen Erfolg wollte man anknüpfen. Das Wort ist griechischen Ursprungs und bezeichnete in der Antike ein Gastmahl, also eine gesellige Zusammenkunft.
„Trinkgelage mit Gespräch“
Heute versteht man darunter eine Tagung mit wissenschaftlichen Vorträgen und Diskussionen. In manchen Nachschlagewerken, die die Bedeutung des Wortes im alten Griechenland hervorheben, findet man den Hinweis auf „ein Trinkgelage, dabei geführtes wissenschaftliches Gespräch“. Offenbar hat sich im Laufe der Jahrhunderte das wissenschaftliche Gespräch durchgesetzt.
Rückblickend lässt sich feststellen, dass der Name in seiner ursprünglichen Bedeutung ganz gut zum Tagungsort passt. Denn die Solargemeinde legt nicht nur Wert auf anspruchsvolle wissenschaftliche Debatten, sondern auch auf angemessene Geselligkeit. Wenn am frühen Abend das Vortragsprogramm endet, leeren sich die Seminarräume und das im Keller des Klosters gelegene Bierstübla füllt sich.
Tschernobyl änderte alles
Als das Symposium im April 1986 erstmals stattfand, stellte sich heraus, dass zu wenige Teilnehmer ins Kloster Banz gekommen waren. Ein zweites Treffen stand auf der Kippe. Nur 66 Personen nahmen teil, für Eckardt Günther eine herbe Enttäuschung. Denn streng genommen gab es nur 47 Teilnehmer. Auf die Zahl 66 kam man nur, wenn man die 16 Referenten und das dreiköpfige OTTI-Team mitzählte.
Als die Tagung am 22. April endete, war vollkommen ungewiss, ob es sich überhaupt lohnen würde, ein zweites Symposium folgen zu lassen. Aber nur vier Tage später explodierte in der Ukraine ein Atomreaktor. Dieses Ereignis veränderte alles.
Deutschland wurde führend
Die Katastrophe von Tschernobyl wurde zum Ausgangspunkt der Energiewende in Deutschland. Das Interesse an erneuerbaren Energien nahm schlagartig zu. Überall im Land wurden Firmen gegründet, die sich die Aufgabe stellten, photovoltaische und solarthermische Anlagen sowie Windkraft- und Biogasanlagen zu entwickeln. Niemand wollte mehr warten, bis sich die etablierten Energiekonzerne dieser Aufgabe zuwenden würden.
Als sich über Tschernobyl die radioaktive Wolke ausbreitete und nach Westen driftete, war nicht nur Osteuropa, sondern auch Österreich und Skandinavien stärker vom Fallout betroffen als Deutschland. Dennoch wandte sich keine Nation energischer den erneuerbaren Energien zu als Deutschland. Im Laufe der folgenden 20 Jahre wurde Deutschland zum führenden Markt der Solar- und Windenergie. Deshalb war es auch nach 1986 naheliegend, das Symposium weiterhin als deutschsprachige Veranstaltung auszurichten, selbst als andernorts englischsprachige Tagungen entstanden und ihren internationalen Charakter herausstellten.
Nun ging es aufwärts
Das Photovoltaik-Symposium blieb auf den deutschsprachigen Raum beschränkt und hielt diesem Konzept die Treue, ebenso wie dem unvergleichlichen Tagungsort.
Es ging unaufhörlich aufwärts. Schon das zweite Symposium war viel erfolgreicher als der Auftakt. Es lockte 106 Teilnehmer nach Staffelstein. In den folgenden Jahren nahm die Anziehungskraft der Tagung stetig zu. 1992 zählte man bereits 360 Personen, bis 2006 hatte sich die Zahl nochmals verdoppelt. Der Höhepunkt wurde 2012 mit 1.030 Teilnehmern erreicht.
Erfolg in der Nische
Den ungewöhnlichen Erfolg des Symposiums zu erklären, ist nicht einfach. Er wurzelt vor allem im Unbestimmten. Das schwer zu beschreibende Flair des Klosters Banz trägt wesentlich dazu bei.
Die Anziehungskraft des majestätischen Gebäudes scheint sich nicht abzunutzen. Ein Rückblick auf die vergangenen 40 Jahre liefert zahlreiche Hinweise, die sich in einer einfachen These zusammenfassen lassen: Das Symposium hat den Erfolg in der Nische gesucht und gefunden.
Die Nische stellt sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen dar. Natürlich denkt man zuerst an das weitläufige Gebäude mit seinen langen Fluren mit vielen Ecken und Sitzmöbeln. Dort kann man sich sammeln, lesen und schreiben oder im kleinen Kreis Gespräche führen. Dies ist sicherlich eine wichtige Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg des Symposiums.
Aber der Begriff der Nische hat mehrere Bedeutungen. Auch das Thema der Veranstaltung weist die Merkmale einer Nische auf. Als das Symposium erstmals stattfand, war die Photovoltaik eine Technologie, mit der sich nur wenige Spezialisten beschäftigten.
Deshalb lag es nahe, sich in eine entlegene Ecke der Bundesrepublik Deutschland zurückzuziehen. Staffelstein lag damals im „Zonenrandgebiet“, weitab von Ballungsräumen. Die Wiedervereinigung wenige Jahre später veränderte die Landkarte entscheidend, aber das Symposium hat sich nicht nennenswert gewandelt. Vor allem deshalb, weil es sich beharrlich in seiner Staffelsteiner Nische eingenistet hat und allen Versuchungen widerstand, in eines der belebten Zentren umzusiedeln.
Konferenz im deutschen Sprachraum
Die Nischenexistenz wird vervollständigt durch die ungewöhnliche Tagungssprache. Das Photovoltaik-Symposium in Kloster Banz ist die einzige bedeutende deutschsprachige Konferenz der solaren Energiewende. Daher blieb das Einzugsgebiet stets auf den deutschen Sprachraum begrenzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Angesichts des international bedeutenden Themas würde es sich natürlich anbieten, als Konferenzsprache Englisch einzuführen. Aber diese Frage stellte sich bis heute nicht.
Schmelztiegel oder Brennpunkt
Die Abgelegenheit und Abgeschlossenheit des Tagungsortes begünstigte die Konzentration der im Kloster versammelten Solargemeinde. Man kann darüber streiten, ob das Symposium ein Schmelztiegel oder ein Brennpunkt ist.
Es ist vermutlich beides zugleich und verträgt deshalb zweifellos keine Ausdehnung. So gesehen hat sich die freiwillige Beschränkung des Symposiums auf die begrenzten Möglichkeiten des Klosters Banz als wichtigste Voraussetzung dafür herausgestellt, überhaupt so lange existieren zu können.
Autonome Systeme im Fokus
Als das erste Symposium stattfand, befand sich die Solarstromerzeugung noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, ebenso die Basiskomponenten, die für die photovoltaische Energiewandlung zur Verfügung standen. An Netzeinspeisung war nicht zu denken, denn die Einspeisung von privat erzeugtem Strom, aus welcher Quelle auch immer, war damals nicht zulässig.
Deshalb machte man sich auf die Suche nach Anwendungen, in denen die photovoltaische Stromerzeugung mit anderen Stromquellen konkurrenzfähig war. Sie kam vorrangig dort zum Einsatz, wo viel Sonne, aber kein Stromnetz vorhanden war. Autonome Solarsysteme wurden vor allem in den sonnenreichen Ländern Afrikas und Südamerikas installiert.
Netzeinspeisung als Ziel
Themen des ersten Symposiums waren solarbetriebene Wasserpumpen und Sendemasten, außerdem Geräte zur medizinischen Versorgung, insbesondere Kühlschränke für Medikamente. Für den Einsatz in Mitteleuropa wurden winzige Photovoltaikmodule entwickelt, um Verkehrszeichen und Warnblinklichter an Baustellen mit Strom zu versorgen. Für diese Kleinstanwendungen reichte eine weltweite Modulproduktion von einigen Megawatt aus.
Das eigentliche Ziel war die Netzeinspeisung des Solarstroms. Allen Beteiligten war klar, dass die Photovoltaik nur auf diesem Weg eines Tages eine wichtige Rolle für den Klimaschutz spielen könnte. Deshalb war die Umwandlung von Gleichstrom in Wechselstrom damals eine vorrangige Entwicklungsaufgabe.
Schon während des zweiten Symposiums wurde der erste praktisch anwendbare Wechselrichter vorgestellt. Er wurde am Fraunhofer ISE entwickelt, um im abgelegenen Rappenecker Hof den auf dem Dach erzeugten Solarstrom für das Hausnetz nutzbar zu machen.
Integration in die Gebäudehülle
Später befasste sich das Symposium mit der Integration von Solarmodulen in die Gebäudehülle. Man machte sich Gedanken, dass es unästhetisch aussehen könnte, wenn die Module nachträglich auf die Dächer geschraubt werden. Auch die Errichtung von Gestellen im Garten oder auf der grünen Wiese zum Zweck der Aufständerung von Solarmodulen war vielen ein Dorn im Auge.
Zwar ist das bis heute üblich, aber die ästhetischen Ansprüche waren damals höher als heute. Man nahm an, dass nur die ansprechende optische Einbindung in die Gebäudehülle die Akzeptanz der Photovoltaik sicherstellen würde. Doch der Kostenaufwand wirkte abschreckend. Im Laufe der folgenden Jahre setzte sich die Ansicht durch, dass die billigere Lösung die bessere sei.
Im Jahr 1990 zeichnete sich ab, dass Solarsilizium erstmals knapp werden könnte. Immer noch war man darauf angewiesen, Material zu verwenden, das in der Halbleiterproduktion übrig geblieben war. Für die Produktion von Solarsilizium war der Weltmarkt damals noch zu klein.
Deshalb war die Dünnschicht-Photovoltaik ein wichtiges Thema des fünften Symposiums. Verlockend war die Aussicht, dass man mit viel weniger Material auskommen würde. Außerdem erforderte der Produktionsprozess im Durchlaufverfahren weniger Handarbeit, deutliche Kostensenkungen wurden erwartet. Dünnschichtmodule machten kristallinen Solarzellen für einige Jahre Konkurrenz, aber nur so lange, bis die massenhafte Produktion von Solarsilizium einsetzte.
Zum Januar 1991 trat das Stromeinspeisungsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz bahnte dem aus erneuerbarer Energien erzeugten Strom den Weg ins öffentliche Netz. Das gleichzeitig gestartete Tausend-Dächer-Programm des Bundes und der Länder gab der Netzeinspeisung des Solarstroms einen kräftigen Anschub.
Dadurch konnte nachgewiesen werden, dass die Photovoltaik eine zuverlässige Stromquelle war. Die Ergebnisse wurden von 1993 bis 1996 jährlich in Staffelstein lebhaft diskutiert.
Stromeinspeisung kam per Gesetz
Allerdings lohnte sich die Einspeisung des Solarstroms noch nicht, denn die gesetzlich festgelegte Vergütung bewegte sich zwischen 16 und 17 Pfennigen pro Kilowattstunde, also acht bis neun Cent heutiger Währung. Das war weit von der Kostendeckung entfernt.
Die Situation änderte sich erst im Laufe des Jahres 1993, als in Aachen und Freising die kostendeckende Vergütung für Solarstrom eingeführt wurde. Die Stadtwerke wurden verpflichtet, für jede eingespeiste Kilowattstunde zwei Mark zu zahlen. Die kostendeckende Vergütung war ein großes Thema des achten Symposiums. Um dieses vielversprechende Konzept zu unterstützen, verabschiedete das Symposium am 18. März 1993 zum ersten und bisher einzigen Mal eine Resolution. In den folgenden Jahren entschieden sich immer mehr Kommunen dafür, der Photovoltaik auf diese Weise zum Durchbruch zu verhelfen.
Aufbruch der Solarindustrie
Aber die Euphorie war nicht von Dauer. Ende 1995 wurde bekannt, dass die seinerzeit größte Modulfertigung Deutschlands in Wedel geschlossen werden sollte. In der Solargemeinde sank die Hoffnung, dass die industrielle Produktion von Solarmodulen in Deutschland auf Dauer möglich sein würde.
Im Februar 1996 verkündete jedoch Georg Salvamoser, dass er den Aufbau einer Solarfabrik in Freiburg im Breisgau plane. Bald darauf wurde in Berlin die Firma Solon gegründet. In Erfurt plante die Firma Ersol die Herstellung von Solarzellen. Weitere Solarfabriken, vor allem im Osten Deutschlands, schossen in den folgenden Jahren wie Pilze aus dem Boden.
Die Ära der Photovoltaikindustrie hatte begonnen. Das war das große Gesprächsthema während des im März 1996 stattfindenden elften Symposiums. Die Solargemeinde blickte optimistisch in die Zukunft. Die Teilnehmerzahlen stiegen von Jahr zu Jahr kräftig an.