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Verteilnetze

Mehr Daten, mehr Intelligenz

Die Stabilität der Stromnetze zu erhalten ist anspruchsvoll. Denn Millionen Solargeneratoren oder Tausende Windräder speisen fluktuierend ein. Hinzu kommen intelligente Batteriespeicher, die mit dem Netz verbunden sind. Auf der Verbraucherseite gibt es immer mehr elektrische Heizsysteme oder Ladepunkte für E-Autos. Erzeugung und Verbrauch zu koordinieren ist deshalb eine vordringliche Aufgabe. Sonst könnte die Versorgung einbrechen.

Dafür braucht es intelligente Messtechnik. Zwar ist der Einbau von intelligenten Stromzählern (Smart Meter) in deutschen Haushalten bis 2032 vorgesehen und teils bereits jetzt schon verpflichtend (etwa bei Photovoltaik ab sieben Kilowatt, Wärmepumpen und Wallboxen). Würde das derzeitige Einbautempo beibehalten, dauert es jedoch noch mehrere Jahrzehnte, bis dieses Ziel erreicht ist.

Selbst die Bundesnetzagentur (BNetzA) moniert: „Auf einen schnellen Hochlauf ist der größte Teil der Niederspannungsnetze aktuell allerdings noch nicht ausgelegt. Die Netze müssen daher in einem hohen Tempo optimiert, digitalisiert und ausgebaut werden.“

Tempo viel zu langsam

In Deutschland waren laut BNetzA von insgesamt über 50 Millionen Messpunkten im Jahr 2021 nur etwa 160.000 mit intelligenten Zählern ausgestattet. Wie können die deutschen Stromnetze also für die Zukunft ausgerüstet werden?

Eine Antwort ist die digitalisierte, smarte Transformatorstation. Aktuell sind diese Stationen jedoch nicht wirklich smart. Ein analoger Schleppamperemeter zur Erfassung der Gesamtbelastung und mechanische Kurzschlussanzeiger dürften in den meisten Trafostationen noch Standard sein.

Etwa 800.000 solcher Stationen sind im deutschen Stromnetz verbaut. Sie verbinden die Mittelspannungsebene mit dem Niederspannungsnetz. Aktuell sind diese Trafostationen nicht wirklich für das Smart Grid gerüstet. Allerdings kommen immer mehr Lösungen für Retrofitting auf den Markt, um die Stationen zu intelligenten Bausteinen des Smart Grids zu verwandeln.

Neuer Paragraf 14a EnWG

Das ist auch notwendig, denn die Verteilnetzbetreiber (VNB) müssen die Vorgaben des neuen Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) erfüllen. Die dafür erforderliche Hardware und Software sind im Markt verfügbar. Doch Engpässe bei den VNB sowie Unsicherheit darüber, welche Daten in welcher Auflösung und Häufigkeit zu erfassen sind, könnten die Umsetzung der Vorgaben verzögern. Es ist davon auszugehen, dass die Bundesnetzagentur und das Bundeswirtschaftsministerium die Anforderungen konkretisieren.

Die über Paragraf 14a geforderten Netzzustandsdaten, die über Smart Meter geliefert werden, reichen allein nicht aus, um die Anforderungen zu meistern. Bis Ende 2028 darf noch präventiv gesteuert werden. Ab Januar 2029 ist ein allgemeines Monitoring, basierend auf strang- und abgangsscharfen Echtzeitdaten, notwendig.

Allerdings ist noch nicht klar, ob die Smart Meter die als Zusatzleistung definierten Minutenwerte, also minütlich übertragene Netzzustandsdaten, überhaupt bereitstellen können. Das bisherige Protokoll (WMBus) ist dafür nicht geeignet. Am sogenannten Kompaktprofil wird aktuell gearbeitet. Generell besteht ein hoher Bedarf an höherer Datendichte, um die Niederspannungsnetze besser und effizienter zu steuern. Welche Daten wie schnell zur Verfügung stehen müssen, hängt nicht nur davon ab, ob es sich um ein städtisches oder ländliches Netzgebiet handelt. Die Anzahl von Photovoltaikanlagen, Wallboxen und Wärmepumpen im Netzgebiet spielt ebenfalls eine Rolle. Allerdings darf an dieser Stelle der sich inflationär ausbreitende Begriff der „Daten in Echtzeit“ hinterfragt werden.

Digitale Zwillinge nutzen

Für die Betriebsführung eines Stromnetzes sind Daten im Takt von Millisekunden weder notwendig noch zielführend. Eine Taktung von fünf Minuten erscheint als völlig ausreichend. Die VNB sind gut beraten, wenn sie ihre strategische Ausrichtung in dieser Hinsicht überprüfen.

Die richtigen Asset-Management- und Stammdaten einschließlich der genauen Netztopologie werden in Zukunft immer wichtiger. Um die Vorteile sogenannter digitaler Zwillinge im Niederspannungsnetz zu nutzen, bedarf es einer guten Datengrundlage. Nur dann beruhen Algorithmen und Berechnungen auf den richtigen Annahmen. Außerdem werden weit mehr als die im Messstellenbetriebsgesetz (MsBG) genannten Netzzustandsdaten benötigt.

Daten detaillierter erfassen

Um den Zustand des Netzes zu erfassen, bedarf es mehr Daten, die unbedingt in die Netzanalyse einfließen sollten. Zum einen geht es um physikalische Modelle des Verteilnetzes, also um eine Beschreibung der Netzstruktur und ihrer Komponenten. Da ist vieles gewachsen in den letzten 100 Jahren, nicht immer ist alles sauber dokumentiert.

Dazu werden wirklich relevante Prozessdaten benötigt, also Daten zu Netzparametern, Lastfluss und so weiter. Bisher unbeachtet geblieben sind Umgebungsdaten. Das sind Daten über Umweltbedingungen, das Wetter und geografische Informationen. Diese Informationen sollten unbedingt in die Analyse einbezogen werden.

Und natürlich müssen die Netzbetreiber über Last- und Verbrauchswerte verfügen, über reale Daten zu Lasten, Verbrauch und Stromqualität. Zuletzt sollten Daten aus dem Geoinformationssystem (GIS) herangezogen werden. Mit den Informationen aus dem GIS erhält man eine genaue geografische Darstellung des Niederspannungsnetzes.

Status quo in Skandinavien

Ein Vergleich mit dem Status quo in Skandinavien zeigt die Herausforderungen, vor denen die deutschen Netzbetreiber stehen. In Skandinavien wurden die ersten intelligenten Zähler bereits im Jahr 2003 in Betrieb genommen. Finnland und Schweden implementieren derzeit die zweite Generation dieser Zähler. Hauptziele dieser Roll-outs sind die automatisierte Abrechnung der Energiemengen sowie die Visualisierung von Verbrauchsdaten.

Auch das Verbraucherverhalten hat sich im Laufe der Zeit verändert. Aufgrund steigender Energiepreise nutzen Verbraucher in den letzten beiden Jahren ihre Verbrauchsdaten, um ihren Energieverbrauch zu analysieren und gegebenenfalls in günstigere Zeitzonen zu verlagern. Daten über den eigenen Energieverbrauch werden für die Verbraucher demnach immer wichtiger.

Netzbetrieb optimieren

Darüber hinaus werden mehr und mehr technische Daten über das Niederspannungsnetz erhoben, um den Netzbetrieb zu optimieren. Alle VNB in den nordischen Ländern sammeln 15-minütige 4Q-Lastprofile von Endkunden. Einige gehen noch einen Schritt weiter und erfassen diese Profile mit einer Auflösung von fünf Minuten pro Phase.

Zusätzlich werden Spannung, Strom und Daten zur Netzqualität (THD) erfasst. Mit Grenzwerten und Alarmmeldungen betreiben einige Netzbetreiber eine Art Vorwarnsystem. Durch eine solche Strategie wird die zu verarbeitende Datenmenge erheblich reduziert.

Der Trend ist deutlich erkennbar, dass VNB aufgrund der steigenden Anzahl von Elektrofahrzeugen, Solaranlagen und Wärmepumpen zunehmend mehr technische Daten aus den intelligenten Zählern zur Netzbetriebsführung nutzen.

Die Anzahl von verschiedenen Anwendungen, die die Sammlung von nahezu Echtzeit-Technikdaten aus den intelligenten Zählern beinhalten, wächst in Skandinavien stetig. In Schweden fordern die VNB aufgrund der rasch wachsenden Menge an Photovoltaikanlagen mehr und detaillierte Informationen über den erzeugten Strom.

Zähler können mehr als messen

In Finnland werden mit dem Aidon-Zähler auch Erdschlussfehler im Mittelspannungsnetz lokalisiert. In Norwegen erwägen die Netzbetreiber, die Softfuse im intelligenten Zähler zu nutzen, um die Kapazität im Netz zu optimieren. Dieser Trend ist in allen skandinavischen Ländern zu beobachten. Wir gehen davon aus, dass viele weitere Anwendungen folgen.

Die zunehmende Elektrifizierung sowie der starke Zubau von Photovoltaikanlagen stellen immer höhere Anforderungen an das Niederspannungsnetz. Last- oder Blindleistungsmanagement sowie das Einhalten vorgegebener Grenzwerte für die Versorgungsspannung und die zulässige Spannungsqualität werden immer wichtiger. Ohne entsprechende Messwerte ist das nicht möglich. Die Digitalisierung des Niederspannungsnetzes wird zu einer zentralen Aufgabe für die VNB.

Mit einem digitalen Zwilling des Netzes oder eines Netzbereiches werden nicht nur aktuelle Betriebszustände erfasst, sondern auch Belastungszustände simuliert. Dabei spielen die Messwerte einer digitalen Trafostation eine zentrale Rolle.

Ergänzend kommen Netzzustandsdaten aus den Smart Metern und bei Bedarf weitere Messwerte hinzu, die über mobile Erfassungsgeräte gewonnen werden. Nur so sind die VNB in der Lage, ihr Netz optimal zu nutzen, Engpässe rechtzeitig zu erkennen, durch entsprechende Maßnahmen zu vermeiden und bedarfsgerechten Ausbau voranzutreiben.

Dynamische Strompreise

Inzwischen sind viele Stromkonsumenten in Skandinavien nach den erheblichen Preissteigerungen im Zusammenhang mit der Ukrainekrise auf stündliche Tarifmodelle umgestiegen. An windreichen Tagen kann es sein, dass der Strom zu sehr niedrigen Preisen geliefert wird.

Im Gegensatz dazu, wenn minus 20 Grad Celsius herrschen und kaum Wind weht, kann die Kilowattstunde durchaus einen Euro kosten. Die Preise fluktuieren stark.

Das hat zu umfangreichen politischen Debatten geführt. Denn niedrige und stabile Preise erfordern staatliche Subventionen, während die Kopplung an die Spotmärkte starke Schwankungen verursacht. In Finnland hat das in einer Ausnahmesituation zu zwei Euro pro Kilowattstunde geführt. Daraus hat sich allerdings eine hitzige Debatte entwickelt. Es stellte sich heraus, dass dieser extreme Preis auf einen Fehler im System zurückzuführen war. Ansonsten liegt der Höchstpreis bei etwa 50 Eurocent.

In die Offensive gehen

Die Energiewirtschaft sollte in der Kommunikation mit den Verbrauchern in die Offensive gehen. Der Umbau des Energiesystems mit der Integration neuer Sektoren wie der Wärmeerzeugung oder der Mobilität in den Strommarkt ist ein Einfallstor für die Skeptiker der Energiewende geworden. Kalte Heizungen und leere Akkus von E-Autos werden als Horrorszenarien an die Wand gemalt.

Dabei ist die Gesetzeslage eine andere. Die Lasten werden lediglich reduziert. Niemandem wird bei mangelnder Netzstabilität der Strom abgedreht. Die Verbraucher können auf die Sicherheit der Netze vertrauen. Das sollte auch so betont werden.

Intelligenz im ganzen Netz

Ein Aspekt beim dringend gebotenen Ausbau und Umbau der Stromnetze ist überall auf der Welt zu beobachten: Investitionen in die Netzinfrastruktur werden auf 50 Jahre abgeschrieben. Deswegen kann man nicht erwarten, dass alles von jetzt auf gleich umgebaut sein wird.

Deutsche Stadtwerke werden kaum Infrastruktur aussondern, die erst 20 Jahre alt ist. Deswegen benötigen sie intelligente, praktikable Lösungen, um die vorhandene Infrastruktur weiter zu nutzen. Damit wird der Umbau beschleunigt.

Der Roll-out der Smart Meter vollzieht sich in Deutschland langsamer als in Skandinavien, aber er geht voran. Durch die Verpflichtung, Wärmepumpen, Wallboxen und Photovoltaikanlagen über Smart Meter mit dem Netz zu verbinden, ist eine neue Dynamik entstanden.

Digitalisierung der Trafos nicht aus dem Blick verlieren

Gleichwohl sollten VNB strategisch die Digitalisierung von Trafostationen nicht aus dem Blick verlieren – selbst bei hoher Dichte von installierten Smart Metern. Eine sinnvolle Kombination aus beiden technologischen Ansätzen versetzt die Netzbetreiber in die Lage, sich schneller über den Netzzustand ein Bild zu machen. Mehr Intelligenz wird sowohl an den Verbrauchs- als auch an den Verteilpunkten gebraucht.

Mehr Informationen über smarte Stromnetze – Alles, was Sie über intelligente Energienetze wissen müssen.

Tausende Ortsnetztrafos müssen mit mehr Intelligenz aufgestattet werden.

Foto: Aidon

Tausende Ortsnetztrafos müssen mit mehr Intelligenz aufgestattet werden.

BNE/DIHK/EEX

Studie zu steuerbaren Kraftwerken vorgestellt

Wie wird die Versorgungssicherheit im Strommarkt effizient gewährleistet? Diese Frage hat das Berliner Beratungshaus Connect Energy Economics gestellt. Die Studie zur Versorgungssicherheit im Strommarkt wurde für den Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE), die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und die Strombörse EEX erstellt.

Ziel sollte es sein, Investitionsanreize am Markt zu setzen, statt einzelne Technologien dauerhaft staatlich zu fördern. Die Studie zeigt, dass die verlässliche Stromversorgung über Anreize des Marktes möglich ist.

Gemäß der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung werden demnächst wasserstofffähige Gaskraftwerke ausgeschrieben. Zudem wurde ein Kapazitätsmechanismus angekündigt, der ab 2028 gelten soll, um die Stromversorgung auch bei Dunkelflaute zu sichern.

In der Studie werden wirtschaftliche Wege beschrieben, um die Versorgung zu sichern. Wettbewerbliches Marktdesign ermöglicht schnelle Investitionen in neue Kapazitäten, weil der vorgeschlagene Mechanismus offen für unterschiedliche Technologien ist.

Damit sind die volkswirtschaftlichen Kosten im Vergleich zu staatlich geplanten Kapazitätsmärkten geringer. Die Umsetzung steht zudem im Einklang mit den europarechtlichen Anforderungen des Binnenmarktes.

Aidon

Fast fünf Millionen Messpunkte ausgestattet

Aidon ist Anbieter von Ausrüstungen für intelligente Stromnetze (Smart Grids) und dazugehörigen Dienstleistungen. Dazu zählen intelligente Messgeräte und Messdienste sowie die Analytik der erhobenen Daten. Seit der Gründung 2004 stattet Aidon seine Messgeräte mit der Fähigkeit aus, Erkenntnisse aus dem Niederspannungsnetz zu liefern. Kernmarkt ist bislang Nordeuropa.

Derzeit beliefert das Unternehmen in Skandinavien mehr als 140 Verteilnetzbetreiber mit Lösungen für die Verbrauchsmessung sowie Netzüberwachung, darunter große regionale Netzbetreiber ebenso wie lokale Versorger. Insgesamt ist Aidons Technologie in Skandinavien bereits an fast fünf Millionen Messpunkten im Einsatz.

Die Produktpalette umfasst mit Zähl-, Mess- und Sensortechnik ausgestattete Smart Meter für Stromkunden und Verteilerstationen sowie damit verbundene Dienstleistungen. Daneben bietet Aidon Lösungen zur Überwachung der Stromqualität und Anlagensicherheit, etwa gegen Kurzschlüsse, Wassereinbruch oder unerlaubten Zugriff.

Der Autor

Carlo Lazar
ist Experte für intelligente Stromnetze bei Aidon und verantwortlich für Dänemark und EMEA. Zuvor war er in leitenden Funktionen verschiedener Unternehmen der Energiebranche und Technologie tätig. In seiner Rolle ist er betraut mit den technischen und kaufmännischen Aspekten der Smart Grids sowie mit innovativen Technologien wie digitalen Ortsnetzstationen.

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