Das Land im Norden Skandinaviens verbindet man nicht unbedingt mit Solarenergie. Es stimmt, die Winter in Norwegen sind lang und dunkel. Dafür ist die Sonnenstrahlung in den Monaten März bis Oktober mit entsprechend längeren Tagen besonders intensiv. Das erlaubt eine signifikante Produktion von Solarenergie auf dem eigenen Dach. Laut Studien zu Einstrahlungswerten ähnelt das Solarpotenzial in Süd- und Ostnorwegen dem von Teilen Norddeutschlands, in denen Solarenergie bekanntlich weit verbreitet ist.
Tatsächlich ist der norwegische Solarmarkt mit rund 5,3 Millionen Einwohnern noch am Anfang. Insgesamt waren Ende 2018 rund 68 Megawatt Solarleistung installiert. Der Zubau im Jahr 2018 lag bei 23,5 Megawatt, im Jahr davor waren es 18 Megawatt. Die Wachstumsraten sind rasant.
Im Rahmen eines Pilotprojekts investierte die OBOS-Gruppe 2019 in Solaranlagen auf sechs ihrer Gebäude in Oslo. OBOS ist immerhin die größte Wohn- und Grundstücksgenossenschaft des Landes. Sie entstand 1929, in der Zeit der Weltwirtschaftskrise, als es für normale Arbeiter sehr schwierig war, überhaupt eine Bankfinanzierung für den Bau einer Wohnung zu bekommen. Heute hat die Genossenschaft mehr als 450.000 Mitglieder und verwaltet rund 220.000 Wohnungen in ganz Norwegen.
Nicht zuletzt sind es die Genossenschaftsmitglieder selbst, die ein zunehmendes Interesse an umweltfreundlichen Gebäuden haben: Die Kohlendioxidemissionen sollen deutlich sinken, die Energieeffizienz steigen und Strom und Wärme möglichst lokal und verbrauchsnah produziert werden.
Ziel: Eine Gigawattstunde Solarstrom
Mit dem Solarstromprojekt wird ein Ertrag von einer Gigawattstunde pro Jahr angestrebt. In 2019 wurden rund 92 Prozent davon erreicht, da die Sonneneinstrahlung in den Herbst und Wintermonaten etwas unterdurchschnittlich war im Vergleich zu den Werten der Vorjahre. Immerhin wurden in fünf Monaten jeweils mindestens 120 Megawattstunden erreicht (siehe OBOS-Grafik). Der im Jahr 2019 produzierte Solarstrom entspricht dem Verbrauch von rund 80 Osloer Wohnungen. Besonders positiv ist der produktionsnahe Verbrauch, der einen Bedarf für Stromnetze und Transport deutlich verringert.
Das ökologische Bewusstsein und die einhergehende Verantwortung spiegeln sich auch in der Kommunikation des Unternehmens wider: #grøntansvar. OBOS zeigt seinen Genossen, wie das Unternehmen die Energiewende vorantreibt. Bis 2021 wolle die Genossenschaft klimaneutral werden, versprach Manager Nils Bøhler, der als Executive bei OBOS für Gewerbeimmobilien zuständig ist. Als Eigentümer mehrerer Gewerbeimmobilien und Einkaufszentren sind die Photovoltaikdachanlagen ein Schritt in die richtige Richtung. Mit weiteren Investitionen in Wasserkraft und Solar möchte das Unternehmen bis 2021 unabhängig von der öffentlichen Energieversorgung werden.
Pilotprojekt für Fortum
Drei Einkaufszentren, zwei Bürogebäude und ein Krankenhaus beziehen heute einen Teil des jährlichen Stroms von Photovoltaikanlagen auf dem eigenen Dach. Das Projekt wurde zusammen mit dem Projektierer Fortum Oslo Varme realisiert, einer Tochter des finnischen Versorgers Fortum. Insgesamt wurden auf den sechs Gewerbeeinheiten 1,29 Megawatt Leistung installiert. Durch das Pilotprojekt wollten die beteiligten Firmen Erfahrungen mit der Solartechnik und den Zulieferern sammeln. Entsprechend steil war die Lernkurve für die Planung, Installation und für den technischen Betrieb. Seit dem Sommer 2019 sind alle sechs Anlagen am Netz.
Fortum Oslo Varme beauftragte das Beratungsunternehmen Multiconsult mit der Planung des Solarstromprojekts. Die klare Vorgabe: Eine Gigawattstunde Sonnenstrom sollte vom Dach geerntet werden. Die Berater von Multiconsult sollten die Module, Wechselrichter und das Montagesystem aussuchen, anschließend wurden die Hersteller von Fortum beauftragt.
Berater empfiehlt Wechselrichter
Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie hat Multiconsult unter anderem Stringwechselrichter verschiedener Anbieter verglichen. Am Ende fiel die Wahl auf Delta Electronics. Die befragten Installateure sagten gegenüber dem Berater, dass die Delta-Umrichter einfach zu installieren und montagefreundlich seien, begründet Per Lindberg, Solarenergieberater bei Multiconsult. Auch der hohe Umwandlungswirkungsgrad und der starke finanzielle Hintergrund des Delta-Konzerns gaben demnach den Ausschlag für die Entscheidung.
Durch die Überdimensionierung der OBOS-Solaranlagen um bis zu 150 Prozent wird auch bei kürzer werdenden Tagen im Herbst das abnehmende Tageslicht weiter optimal ausgenutzt. Die Elektronik der Stringwechselrichter von Delta ist für solche Anwendungsfälle konzipiert und robust genug, um diese Situation zu bewältigen. Mit der Schutzart IP65 sind die Umrichter gegen das Eindringen von Feuchtigkeit durch Regen oder Schnee besonders geschützt. Deshalb wurden die meisten Wechselrichter draußen im Freien installiert.
Umrichter in vier Leistungsklassen
Zur Installation gehören verschiedene Wechselrichter von Delta Electronics. Verbaut wurden vier unterschiedliche Leistungsklassen bis 50 Kilowatt auf sechs Dächern: 17-mal der M50A, 4-mal der M30A, einmal der M20A sowie 19-mal der H5A. Letzterer ist ein einphasiger Wechselrichter mit fünf Kilowatt Leistung. Die Flexibilität durch die Kombination der Leistungsklasse ist wichtig, weil jedes Projekt individuell geplant wird, um die Dachflächen optimal auszulegen.
Die sechs OBOS-Objekte mit insgesamt 7.400 Quadratmetern Dachfläche wurden mit 4.532 Solarmodulen des Herstellers Axitec aus dem süddeutschen Böblingen ausgestattet. Die monokristallinen Module AC-285M/156-60S haben je 60 Zellen. Die Module wiegen inklusive Rahmen nur 18 Kilogramm und sind deshalb sehr montagefreundlich. Zudem garantiert Axitec auch nach 25 Jahren Betriebszeit noch 85 Prozent der nominalen Leistung. Wichtig für den norwegischen Markt ist eine zulässige Schneelast von bis zu 5.400 Pascal für die Module, da es über mehrere Monate immer wieder Schnee geben kann. Dieser wird von den lokalen Hausmeistern an den verschiedenen Standorten manuell entfernt.
Flachdachsystem mit geringer Neigung
Die Module wurden auf dem Flachdachsystem D-Dome mit zehn Prozent Neigung installiert. Das System von K2 Systems ist aerodynamisch optimiert und eignet sich besonders für Dächer mit geringer Tragfähigkeit. Die doppelseitige Aufständerung in Ost-West-Richtung bietet sich für eine gleichmäßigere Stromproduktion an, um den Eigenverbrauch über den Tag verteilt zu decken.
Warum hat sich OBOS für Photovoltaikanlagen entschieden? Die lokale Energieerzeugung auf dem Dach ist ein wichtiges Kriterium für die Zertifizierung als umweltfreundliches Gebäude. Denn seit 2012 haben Norwegen und das Nachbarland Schweden einen gemeinsamen Markt für grüne Zertifikate eingeführt. Produzenten von erneuerbarer Energie bekommen diese zugeteilt, Verbraucher müssen sie kaufen. Gerade im Winter muss der zusätzliche Strom aber doch aus dem Stromnetz kommen.
Allerdings ist der Strommix deutlich sauberer als in Deutschland. Es gibt weder Atom- noch Kohlekraftwerke. 95 Prozent des Stroms stammen aus der Wasserkraft, rund 98 Prozent sind somit grüner Strom. Nicht umsonst hat der Industrieverband der norwegischen Stromerzeuger Energi Norge verkündet, das erste Land der Welt werden zu wollen, das sich ausschließlich mit erneuerbaren Energien versorgt.
Auflagen für ökologischere Gebäude
Dieser Schritt ist nicht mehr weit. Heizen und Mobilität müssen aber ebenfalls grüner werden, auch wenn Elektroautos bereits mehr als ein Fünftel der verkauften Fahrzeuge ausmachen. Ab 2025 ist der Kauf von Autos mit Verbrennungsmotor sogar verboten. Das sind wichtige Signale. Rund 40 Prozent der jährlichen Kohlendioxidemissionen stammen aus der Herstellung von Baumaterialien und dem Betrieb von Gebäuden. Dieser Wert gilt so überall auf der Welt. Die Wohnungsgenossenschaft mit Sitz in Oslo hat darauf reagiert. In Norwegen gebe es bereits einen Trend zur ökologischen Bauweise von Gebäuden. Sowohl private als auch öffentliche Eigentümer konzentrierten sich auf das Thema – und die Photovoltaik sei Teil dieser Strategie für alle Eigentümer in Norwegen, erklärt OBOS-Projektmanager Joakim Larsen.
Umweltfreundliche Gebäude sind für eine Reduzierung der Kohlendioxidemissionen unerlässlich, haben aber zudem konkrete wirtschaftliche Vorteile: Ökologische Gebäude weisen eine höhere Energieeffizienz und niedrigere Betriebskosten auf. Mit den Dachanlagen werden die elektrischen Verbraucher im Gebäude mit lokal erzeugter, grüner Energie versorgt, die Betriebskosten reduziert sowie der Kohlendioxidausstoß gesenkt.
Klimabedingungen für Umrichter
Delta Electronics entwickelt seit langer Zeit bereits Leistungselektronik für die anspruchsvollen klimatischen Bedingungen in Skandinavien, wie zum Beispiel Stromversorgungen für Relaisstationen der Mobilnetzwerke.
Die Erfahrung aus diesen Outdoor-Anwendungen sind von Anfang an in die Entwicklung seiner Wechselrichter eingeflossen. Delta erwartet zudem einen wachsenden Markt bei großen Dachanlagen in ganz Europa, da dieser Sektor aufgrund des Trends zu mehr Gebäuden mit Null-Emissionen immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Das Beispiel von OBOS aus Norwegen zeigt: Auch unter schwierigen klimatischen und geographischen Bedingungen ist es möglich, große Gebäude kommerziell erfolgreich mit Solarstrom zu versorgen. Die Zukunft der Solarenergie in Norwegen und in ganz Skandinavien sieht durchaus vielversprechend aus.
AHK Norwegen
Der Staat fördert Erneuerbare
Seit 2012 wird der Strompreis für Strom aus erneuerbaren Energien vom Staat subventioniert. Norwegen und Schweden haben seitdem eine gemeinsame Verordnung für grüne Zertifikate (El-Zertifikate) eingeführt.
Produzenten von erneuerbarer Energie bekommen diese Zertifikate zugeteilt, Verbraucher müssen sie kaufen. Damit verfügen die Produzenten über eine weitere Einnahme zusätzlich zum Stromvertrieb. Die derzeit produzierte Strommenge aus erneuerbaren Energien in Norwegen beträgt 146,1 Terawattstunden.
Das Zertifikatssystem wird nach Ende der Förderung im Jahr 2021 eingestellt. Um für die darauffolgenden 14 Jahre Zertifikate zu beziehen, müssen neue Anlagen im Laufe des Jahres 2021 in Betrieb genommen werden. Somit wird die schwedisch-norwegische Kooperation noch bis Ende 2035 andauern.
norwegen.ahk.de
Der Autor
Hansu Chae
hat Wirtschaftsingenieurwesen in Berlin studiert und arbeitet seit 2009 im Photovoltaikgeschäft. Nachdem er den Europavertrieb für ein koreanisches Modulunternehmen leitete, verantwortet er seit 2011 und derzeit als Business Development Manager bei Delta Electronics (Netherlands B.V.) in Teningen den Vertrieb der Photovoltaik-Wechselrichter für die Region Nord- und Ostdeutschland sowie Skandinavien.