Deutschland ist heute ein Land der Solaranlagen. Ende 2016 waren rund 1,5 Millionen Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 43.000 Megawatt installiert. Das spiegelt eine grandiose Marktentwicklung wider.
Belastbare Zahlen zu installierten Kleinwindkraftanlagen gibt es dagegen nicht. Man kann in Deutschland von über 20.000 Windanlagen mit einer Leistung unter 100 Kilowatt ausgehen. Viele an einer Kleinwindanlage interessierte Personen besitzen bereits eine Photovoltaikanlage. Häufig lassen sich Fehler bei der Planung von Kleinwindkraftanlagen darauf zurückführen, dass unbewusst die Regeln von Solaranlagen zugrunde gelegt werden. Nach dem Motto: Nach der eigenen Solarstromanlage wird jetzt ein Kleinwindrad gekauft, das wird ähnlich einfach umzusetzen sein.
Doch diese Annahme führt in die Irre: Die Planung und die Auswahl von Kleinwindanlagen folgen einer ganz anderen, eigenen Logik.
Aufgrund des saisonalen Energieangebots ist das Kleinwindrad die perfekte Ergänzung zur Solarstromanlage. Die Sonneneinstrahlung ist im Herbst und vor allem im Winter gering, das heißt während der windstarken Jahreszeit. Ebenso steht mit dem Kleinwindrad nachts ein Energieproduzent zur Verfügung. Optimal sind kombinierte Systeme aus Photovoltaik- und Kleinwindanlagen mit einer Batterie, die von beiden Stromquellen gefüllt wird.
Wichtiger Parameter: Größe des Rotors
Eine Solarstromanlage kann anhand der Leistung in Kilowatt ausgewählt werden, indem der spezifische Ertrag in Kilowattstunden pro Kilowatt Leistung als Grundlage genommen wird. In Norddeutschland sind rund 900 Kilowattstunden pro Kilowatt Leistung im Jahr, im sonnigeren Süddeutschland 1.000 oder mehr Kilowattstunden pro Kilowatt realistisch. Hilfreich sind Solarstrahlungskarten wie auf der Website globalsolaratlas.info von der Weltbank.
Bei Kleinwindanlagen sind solche einfachen Ertragskalkulationen nicht möglich. Zwei Windanlagen gleicher Leistung können große Unterschiede bei den jährlichen Stromerträgen aufweisen. Entscheidend für die Ertragskraft einer Windkraftanlage ist nicht die Leistung des Generators, sondern die Größe des Rotors.
Rotor und Generator müssen wiederum so aufeinander abgestimmt sein, dass es für das Windangebot an dem geplanten Standort passt. Hat man eher mäßiges Windpotenzial, so wird ein besonders großer Rotor in Relation zur Generatorleistung gewählt.
An windstarken Standorten haben Kleinwindräder eine deutliche höhere spezifische Leistung als Solarstromanlagen. In einer windigen Küstenregion in Norddeutschland kann eine Windanlage mit zehn Kilowattstunden Leistung jährlich 25.000 Kilowattstunden erzeugen: 2.500 Kilowattstunden pro Kilowatt Leistung – mehr als doppelt so viel, wie man mit einer Photovoltaikanlage in Deutschland realisieren kann.
Spezifische Investitionskosten
Mit dem Begriff der spezifischen Investitionskosten ist der Preis einer schlüsselfertigen Anlage pro Kilowatt Leistung gemeint. Nach Daten des Fraunhofer ISE lag Ende 2016 der durchschnittliche Endkundenpreis solarer Dachanlagen von zehn bis 100 Kilowatt bei rund 1.300 Euro pro Kilowatt. Sprich: In den letzten zehn Jahren ist der Preis um insgesamt 75 Prozent gesunken.
Anders bei einer Kleinwindanlage: Für sie kann man im Schnitt von 5.000 Euro pro Kilowatt installierter Leistung ausgehen, mit einer großen Bandbreite von 3.000 bis 10.000 Euro. Diese Preise sind in den vergangenen Jahren nahezu konstant geblieben. Trotzdem sind Kleinwindanlagen an windstarken Standorten auch heute schon konkurrenzfähig.
Stromgestehungskosten
Der entscheidende Parameter, um die Wirtschaftlichkeit zu beurteilen, sind die Stromgestehungskosten. Also wie viel kostet die Kilowattstunde Strom?
Für privat betriebene Anlagen unter zehn Kilowatt Leistung gilt: Mit einer Photovoltaikanlage werden die meisten Betreiber deutlich günstiger Strom erzeugen können als mit einer Kleinwindanlage. Stromgestehungskosten von unter 15 Cent pro Kilowattstunde sind in Süddeutschland drin. Eine kleine Windturbine auf dem windstarken Grundstück eines Privathauses würde mit 30 Cent pro Kilowattstunde einen außerordentlich guten Wert erzielen. Trotzdem ist das Interesse von Privatleuten an Kleinwindkraft groß, da viele auch in der dunklen Jahreszeit eigenen Ökostrom erzeugen möchten.
Für gewerbliche Anlagen mit mehr als zehn Kilowatt Leistung gilt: Kleinwindkraftanlagen können ähnlich gute Werte wie Solaranlagen erzielen. Diese Erkenntnisse liefert eine umfangreiche Studie des US-Energieministeriums von 2015. Die Wirtschaftlichkeit kleiner Windräder gilt im Prinzip auch für Deutschland. Stromgestehungskosten von zehn Cent pro Kilowattstunde sind realistisch. Voraussetzung ist ein hohes Windangebot auf dem eigenen Land. Das muss man vorab unbedingt prüfen, um belastbare Aussagen zur Wirtschaftlichkeit machen zu können.
Kaum staatliche Förderung
Warum hat die Solarstrombranche in Deutschland so ein fantastisches Wachstum und Kostensenkungen realisiert, die Kleinwindkraft aber (noch) nicht? Der wesentliche Grund: Kleinwindanlagen haben in Deutschland nie eine staatliche Unterstützung erfahren. Konkret: Es gab nie einen fairen, nach Leistungsklassen gestaffelten Einspeisetarif für Miniwindanlagen.
Während der Einspeisetarif für eine kleine Solarstromanlage in der Vergangenheit über 50 Cent pro Kilowattstunde betragen hat, lag dieser bei kleinen Windrädern gleicher Leistung maximal bei rund neun Cent pro Kilowattstunde. Heute bekommt man noch nicht mal acht Cent für die Einspeisung ins öffentliche Stromnetz. Eine Windanlage mit drei Kilowatt Leistung bekommt den gleichen Einspeisetarif wie eine Industrieanlage mit drei Megawatt. Dass es bei der Unterstützung der Kleinwindbranche auch anders geht, haben Länder wie Großbritannien, Italien und Japan gezeigt.
Eigenverbrauch ist Trumpf
Das ist kein Grund zum Verzweifeln. Denn das Zeitalter der Einspeisetarife ist zumindest in Deutschland mehr oder minder abgelaufen. Das Geschäftsmodell lautet Eigenverbrauch des Stroms statt Einspeisung. Die hohen und steigenden Strompreise in Deutschland sprechen immer mehr dafür, den Strom für die eigene Versorgung zu produzieren.
Der Vergleich zwischen Photovoltaik und Kleinwindkraft kann den Eindruck erwecken, dass es sich um Konkurrenten handelt. De facto sind sie Partner. Jedenfalls in unserer Klimaregion mit einer ausgeprägten sonnenarmen Jahreszeit, die gleichzeitig den stärksten Wind mit sich bringt. Ein wesentliches Moment für solche Hybridsysteme werden die in Zukunft stark sinkenden Batteriepreise sein – verstärkt durch die wachsende Bedeutung der künftig kommenden Elektromobilität.
Angebotsmarkt und Anlagentechnik
Aufgrund der günstigen staatlichen Rahmenbedingungen durch das EEG hat sich der Photovoltaiksektor zu einem milliardenschweren Massenmarkt entwickelt. Die Konsolidierung der Branche hat zu einer überschaubaren Anzahl von Anbietern und Solarmodultypen geführt.
Die Kleinwindbranche dagegen umfasst eine unüberschaubar hohe Anzahl von Anbietern mit unterschiedlichen Anlagentypen. Dazu zählen horizontale und vertikale Windkraftanlagen mit vielen Varianten des Rotorblattdesigns. Eine Marktbereinigung hat noch nicht stattgefunden. Für Deutschland kommt erschwerend hinzu, dass es kein Qualitätslabel auf Basis unabhängiger Tests gibt wie zum Beispiel in den USA.
Es gibt viele empfehlenswerte Kleinwindhersteller mit erprobter und effizienter Technik, auch in Deutschland. Im Kleinwindmarkt tummeln sich allerdings auch Anbieter mit fragwürdiger Anlagentechnik und unseriösen Vertriebsmethoden.
Die Baugenehmigung
Für Solaranlagen, die vorwiegend auf Dächern installiert werden, benötigt man in den meisten Fällen keine Baugenehmigung. Ausnahmen gelten beispielsweise für Gebäude unter Denkmalschutz.
Für Kleinwindkraftanlagen dagegen benötigt man häufig eine Genehmigung. Wenn die Zustimmung der Baubehörde und beteiligter Fachbehörden erfolgen sollte, kann dies mehrere Monate in Anspruch nehmen. Für niedrige Windanlagen mit bis zu zehn Metern Höhe wird in manchen Bundesländern auf eine Genehmigung verzichtet. Wenn der Wind in zehn Metern Höhe zu schwach ist, sollte gegebenenfalls eine höhere Anlage inklusive Baugenehmigung installiert werden.
Eine Solarstrom- oder Windanlage macht nur Sinn, wenn das Energiepotenzial am gewünschten Standort hoch genug ist. Die Standortprüfung für eine Solaranlage ist denkbar einfach: Ausrichtung und Verschattung des Daches sind problemlos ermittelbar. Über Onlinetools oder Karten kann das Solarstrahlungspotenzial ermittelt werden.
Das Windpotenzial dagegen kann nur über eine Windmessung vor Ort verlässlich in Erfahrung gebracht werden. Eine Messung sollte dabei immer über mehrere Monate durchgeführt werden.
Die Dachmontage von Solaranlagen ist Standard. Bei kleinen Windanlagen ist sie es in der Regel nicht. Die Installation einer Windanlage auf einem bodenständigen Mast sollte immer vorgezogen werden. Auch wenn manche Anbieter von Mikrowindrädern etwas anderes behaupten. Denn die Windbedingungen auf Dächern sind oft schwierig und Turbulenzen schwer auszurechnen.
Dachmontage nicht empfohlen
Der Windgenerator könnte zudem Körperschallübertragungen verursachen, die im Haus durch ein Brummen hörbar sind. Letztendlich entscheidet natürlich die Form und Höhe des Daches, ob eine Dachinstallation des Kleinwindrads machbar ist. Eine Entscheidung kann, wie immer bei einer Kleinwindanlage, nur im Einzelfall gefällt werden.
E-Book aktualisiert
Wegweiser Kleinwindkraft
Patrick Jüttemann hat seinem kostenfreien E-Book „Wegweiser Kleinwindkraft“ einen neuen Anstrich verpasst. Die augenfälligste Neuerung ist eine große Grafik auf der zweiten Seite. Dabei handelt es sich um ein ungemein wichtiges Thema: den Größenunterschied zwischen einer Klein- und einer Megawatt-Windturbine. Denn Kleinwindanlagen haben keine Auswirkung auf das Landschaftsbild, wie die Grafik vom Betreiber des Kleinwindkraft-Portals zeigt. Der Wegweiser Kleinwindkraft steht für alle Interessenten zum Download bereit.
Der Autor
Patrick Jüttemann
betreibt das Webportal www.klein-windkraftanlagen.com. Der studierte Geograf und Kaufmann beobachtet kontinuierlich den Markt für Kleinwindkraftanlagen. Als neutraler Experte gibt Jüttemann regelmäßig den Kleinwind-Marktreport mit empfehlenswerter Anlagentechnik heraus. Über 7.000 Personen beziehen den kostenfreien Newsletter des Kleinwindkraft-Portals.