Kleinwindanlagen sind immer noch ein Nischenthema. Weiß man, wie viele Anlagen im letzten Jahr installiert wurden?
Patrick Jüttemann: Belastbare Zahlen hierzu gibt es nicht. Die Zahlen im Marktstammdatenregister werden bei Weitem nicht vollständig sein. Vor allem kleine Anlagen mit einer Nennleistung unter zwei Kilowatt werden oft als Batterielader eingesetzt. Hierbei entfällt die Registrierungspflicht, weil keine Kopplung mit dem öffentlichen Stromnetz besteht. Aber auch bei kleinen netzgekoppelten Windanlagen wird es eine Dunkelziffer geben.
Gibt es durch die höhere Bagatellgrenze beim Eigenverbrauch von 30 Kilowatt schon einen erkennbaren positiven Markttrend?
Man kann davon ausgehen, dass das die Attraktivität für Kleinwindkraftanlagen im gewerblichen Sektor ein wenig erhöht hat. Man zahlt keine anteilige EEG-Umlage auf den selbst verbrauchten Strom, sofern die Anlagenleistung unter 30 Kilowatt liegt. Ein größerer Einflussfaktor für den positiven Markttrend sind die stark steigenden Energiepreise. Wer eigenen Sonnenstrom und Windstrom erzeugt, macht sich unabhängig von diesen Preissteigerungen. Für niedrige Erzeugungskosten benötigt man bei einer Kleinwindkraftanlage unbedingt einen windstarken Standort. Dann kann man mit einer Kleinwindanlage ab zehn Kilowatt Leistung günstiger Strom erzeugen, als man ihn beim Energieversorger kauft.
Solar- und Windstrom sollen laut den aktuellen Regierungsplänen massiv ausgebaut werden. Warum profitieren Kleinwindanlagen nicht (auch) davon?
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Kleinwindkraft durch die neue Regierung bessere Rahmenbedingungen bekommt. Es hat sich schon vor dem Regierungswechsel etwas getan. Landwirte können für eine Kleinwindanlage Zuschüsse beantragen. Zuständige Behörde ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, kurz BLE. Generell haben die Bundesländer den größten Einfluss durch die Landesbauordnungen. Jedes Bundesland muss für sich entscheiden, ob die Genehmigung einer Kleinwindanlage erleichtert wird. Insgesamt erkenne ich einen positiven Trend, kleine Windanlagen als Potenzial für lokalen Klimaschutz zu unterstützen.
Wie definiert die Branche Kleinwind, was fällt darunter, gibt es eine klare Abgrenzung?
Eine Kleinwindkraftanlage dient primär der Selbstversorgung des Betreibers mit Strom und steht auf dessen Grundstück. Klares Kriterium für die Abgrenzung zu Großwindkraftanlagen ist die Höhe: Eine kleine Windanlage für die dezentrale Objektversorgung hat eine maximale Höhe von 50 Metern. In der Praxis sind die Anlagen aber oft viel kleiner, meist nicht höher als 30 Meter. Mit der Gesamthöhe ist immer die höchste Flügelspitze über dem Grund gemeint. Die Leistung einer Kleinwindkraftanlage liegt meinen Marktanalysen nach maximal bei 250 Kilowatt. In den meisten Fällen aber unter 50 Kilowatt.
Noch vor einigen Jahren gab es viele unseriöse Anbieter von Kleinwindanlagen, meist mit vertikaler Rotorachse, die nicht das Design der großen Windkraft mit horizontaler Rotorachse haben. Ist der Markt da reifer geworden?
Der Markt für Kleinwindanlagen ist immer noch unübersichtlich. Es gibt viele Anbieter und Bauformen von Kleinwindanlagen. Das ist eine komplett andere Marktlage als bei der Photovoltaik, wo längst eine Marktbereinigung stattgefunden hat. Mit weniger Anbietern, Massenproduktion und einer in der Breite hohen technischen Qualität. In der Kleinwindbranche sind weiterhin fragwürdige Anbieter vorhanden. Mit technisch nicht ausgereiften Windanlagen und unseriösen Werbeversprechen. Zielgruppe sind hier meistens private Hausbesitzer. Der typische Fall ist die Mikrowindanlage fürs Hausdach mitten im windschwachen Wohngebiet. Da werden nicht nur Anlagen mit vertikaler, sondern auch mit horizontaler Rotorachse angeboten. So etwas kann höchstens ein Hobby sein, hat aber nichts mit Energiewende zu tun, weil der Wind in dicht besiedelten Gebieten viel zu schwach ist. Da muss sogar eine positive Ökobilanz der Anlage infrage gestellt werden. Es gibt aber auch viele gute Anbieter, die ehrlich kommunizieren, wo eine Kleinwindanlage Sinn macht. Das muss man auch positiv erwähnen.
Worauf sollte ein Interessent beim Kauf einer Kleinwindanlage achten?
Man sollte nach unabhängigen Referenzen schauen, die die Funktionsfähigkeit der Windanlage belegen. Das gilt nicht zuletzt für die Sturmsicherheit. Ab einer gewissen Windgeschwindigkeit muss eine Windanlage vor zu starkem Wind geschützt werden. Generell sollte man nicht nur auf die Aussagen des Herstellers achten, egal, wie professionell die Werbung ist und wie viele Preise er angeblich gewonnen hat. Am besten ist die unabhängige Erprobung auf einem Testfeld, dokumentiert durch einen Testfeld-Betreiber.
Welche Bedingungen müssen am Standort mindestens vorherrschen?
Das Wichtigste ist eine windstarke Lage – gleichbedeutend mit einer freien Anströmung aus Hauptwindrichtung. In Deutschland kommt der starke Wind übers Jahr gesehen meistens aus Westen, inklusive Südwest und Nordwest. Mit Blick Richtung Westen sollten ungefähr in 150 Meter Entfernung keine höheren Objekte, wie Bäume oder Gebäude, vorhanden sein. Mein Tipp: Die Hauptwindrichtung kann man über den Global Wind Atlas in Erfahrung bringen. Einfach am gewünschten Standort einen Punkt setzen und dann die Windrose anschauen.
Meist sind in der Praxis die Genehmigungsverfahren schwierig. Warum?
In vielen Bauämtern fehlt die Erfahrung mit Kleinwindanlagen, es kommt zu Fehleinschätzungen. Eine optisch unauffällige 20 Meter hohe Anlage wird mit einer 200 Meter hohen Anlage in einen Topf geschmissen. Entsprechend hoch sind die Anforderungen solcher Baubehörden. Aber es gibt auch Genehmigungsbehörden, die für Kleinwindkraft offen sind und die Anlagen als Chance für den lokalen Klimaschutz sehen.
Gibt es Bundesländer, die mit gutem Beispiel vorangehen. Oder sind es eher einzelne Bauämter?
Sehr erfreulich ist die Änderung der Bauordnung durch das Land Niedersachsen. Dort sind seit Anfang 2022 Kleinwindanlagen mit einer Gesamthöhe von 15 Meter verfahrensfrei. Das gilt für den Außenbereich sowie Gewerbe- und Industriegebiete. Unterstützt wurde diese Neuregelung auch von der CDU. So eine landesrechtliche Regelung hat auch eine Symbolwirkung.
Wie kann sich jemand helfen, der Probleme mit der Genehmigung einer Kleinwindanlage hat?
Zunächst sollte man als Firmenchef oder Hausbesitzer dem Bauamt die wichtigsten Informationen zur Windanlage bereitstellen. Auch Bildmaterial, das verdeutlicht, dass es sich um optisch unauffällige Anlagen handelt, die in der näheren Umgebung nicht auffallen. Wenn das Bauamt ungerechtfertigte und überhöhte Anforderungen stellt, dann sollte man einen Anwalt kontaktieren, der sich gut mit dem Baurecht auskennt.
Die Fragen stellte Niels Hendrik Petersen.