Von der Unterhölterfelderstraße kann man sie schon sehen. In einem Wohngebiet in Remscheid steht eine 18 Meter hohe Kleinwindanlage zwischen zwei Fachwerkhäusern der Familie Kuchner. Der Handwerksmeister der Firma für Sanitär, Heizung und Gebäudetechnik und sein Sohn wollten mit der Anlage zeigen, was möglich ist. Dazu war ein langer Atem nötig. Drei Jahre hat die Planung, Genehmigung sowie die gerichtliche Auseinandersetzung mit der Stadt Remscheid gedauert, inklusive eines Ortstermins mit dem Verwaltungsgericht Düsseldorf.
Verschiedene Erzeuger vernetzt
Im Mai 2017 wurde die Anlage dann endlich installiert – und seitdem läuft sie einwandfrei. „Alle umliegenden Nachbarn haben wir vorher um Erlaubnis gefragt“, erklärt Firmenchef Heinrich Kuchner. „Wir wollten testen, ob sich eine Kleinwindanlage in Gebäudenähe in ein Energiekonzept im Bestand integrieren lässt. Den Windgenerator haben wir mit verschiedenen Erzeugungsanlagen vernetzt: einer Solarthermieanlage, einer Brennstoffzelle sowie einem Holzofen, einem Gasspitzenlastkessel und einer Photovoltaikanlage mit 4,2 Kilowatt installierter Leistung.“ Unter anderem hat der Betrieb zwei Elektrofahrzeuge, die den Strom direkt laden können.
Vor der Errichtung gab es einige Hindernisse zu bewältigen: Bei der Recherche war der Kleinwind-Marktreport von Patrick Jüttemann eine gute Hilfe. Die Kuchners entschieden sich auch aufgrund der gut dargelegten Unterlagen für eine Anlage der Firma Braun, eine Antaris 5.5. Der Standort ist auf einem kleinen Bergkamm im Bergischen. „Leider durften wir die Anlage nur 18 Meter hoch bauen, dadurch sind die Windverhältnisse ein wenig beeinträchtigt“, erklärt der Handwerksmeister.
Vier Meter Durchmesser
In den ersten Jahren gab es ein wenig Anlaufprobleme, da die Windverhältnisse nicht optimal waren, berichtet er. „Wir mussten die großen Flügel gegen etwas kleinere tauschen. Nun haben wir einen Propellerflügel von zwei Metern Länge montiert, damit erreicht die Anlage vier Meter wirksamen Kreisdurchmesser. Zuvor waren die Flügel je 20 Zentimeter länger“, sagt Kuchner. Dafür laufe die Anlage nun aber sehr ruhig.
Die Kuchners mussten aufgrund der innerstädtischen Lage und des massiven Widerstands der Baubehörde in eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Stadt. Die Stadt hatte argumentiert, dass die Kleinwindanlage inmitten eines reines Wohngebietes stünde und daher bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig wäre. Der Generator würde sich demnach nicht in die Umgebung einfügen.
Ein tauglicher Präzedenzfall
Es blieb der Familie nichts anders übrig, als sich einen Anwalt zu nehmen. Dieser hat im Gerichtsverfahren eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Sichtweise erreichen können. „Am Ende ist es uns gelungen, die Richterin sowohl von dem hervorragenden Versorgungskonzept als auch dem optimalen Einfügen der Kleinwindanlage in die Landschaft und die umgebende Wohnbebauung zu überzeugen“, bemerkt Rechtsanwalt Dirk Legler, der die Kuchners im Prozess vertrat. „Das Gericht hat sich richtig Mühe gegeben, um die konkrete Lage der Windanlage sowie deren geringe Sichtbarkeit von den benachbarten Häusern gemeinsam auszuarbeiten.“ Das Fall der Kuchners sei damit ein tauglicher Präzedenzfall, der sich auch für eine Übertragung auf andere Verfahren eigne, meint Legler.
Symbolwirkung aus Niedersachsen
Kleinwindexperte Patrick Jüttemann kennt diese Problematik: „In vielen Bauämtern fehlt die Erfahrung mit Kleinwindanlagen, daher kommt es zu Fehleinschätzungen.“ Eine optisch unauffällige 20 Meter hohe Anlage werde mit einer 200 Meter hohen Anlage in einen Topf geworfen. „Entsprechend hoch sind die Anforderungen solcher Baubehörden“, erklärt er.
Sehr erfreulich sei daher die Änderung der Bauordnung durch das Land Niedersachsen. Dort sind seit Anfang 2022 Kleinwindanlagen mit einer Gesamthöhe von 15 Meter verfahrensfrei. Das gilt für den Außenbereich sowie Gewerbe- und Industriegebiete. Unterstützt wurde diese Neuregelung auch von der CDU. „So eine landesrechtliche Regelung hat auch eine Symbolwirkung“, sagt Jüttemann, der seit Jahren das Portal Klein-windkraftanlagen.com betreibt.
Grünes Licht für Kleinwind?
Der Regierungswechsel in Berlin zeigt ebenfalls erste positive Signale. Landwirte können für eine Kleinwindanlage Zuschüsse beantragen. Zuständige Behörde ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, kurz BLE. „Generell haben die Bundesländer den größten Einfluss durch die Landesbauordnungen“, urteilt der unabhängige Experte. Jedes Bundesland müsse für sich entscheiden, ob die Genehmigung einer Kleinwindanlage erleichtert werde. Insgesamt erkennt Jüttemann aber einen positiven Trend, kleine Windanlagen als Potenzial für lokalen Klimaschutz zu unterstützen.
Seit 27 Jahren im Geschäft
Rüdiger Braun ist seit 27 Jahren im Geschäft mit Kleinwindanlagen. Nach eigenen Angaben hat er weltweit 5.000 Stück installiert, eine davon bei Familie Kuchner. Seinen Marktanteil hierzulande benennt er mit 45 Prozent. Das entspricht neun Anlagen bei 20 neu am Netz installierten Kleinwindgeneratoren im Jahr 2021. „Die Genehmigungsverfahren bremsen den Zubau weiter aus“, sagt Braun.
Das eine seien eben theoretische Pläne, das andere deren praktische Umsetzung. Hoffnung macht auch ihm das Signal aus Niedersachsen. Währenddessen dreht die Kleinwindanlage Antaris einwandfrei ihre Kreise im Garten der Unterhölterfelderstraße.
Absehbar hat die Kleinwindkraft einen wichtigen Platz in der Energiewende. Wohl eher nicht im Wohngebiet, aber auf landwirtschaftlich genutzten Fluren oder Industriebrachen. Dort könnten die Windverhältnisse dazu einladen, solche Systeme aufzustellen und zu betreiben. In jedem Fall sind langer Atem und Ausdauer gefragt, um zum Erfolg zu kommen. Die große Zeit der kleinen Windräder – sie steht uns noch bevor.