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Guerilla-PV

„Mehr Eigenleistung bei der Installation“

Welche persönliche Motivation war für Sie ausschlaggebend, die Firma Priwatt zu gründen und aufzubauen, und welchen Hürden begegnen Sie dabei?

Kay Theuer: Unsere Vision und auch meine Vision ist es, dass Solarmodule an jedem Balkon hängen. Wir wollen die Energiewende in das Zuhause der Menschen bringen und so den Solarausbau auch dezentral vorantreiben. Der Weg dahin bringt insbesondere für Mieterinnen und Mieter so einige Herausforderungen mit sich. Auch Vermieterinnen und Vermieter müssen zum aktuellen Zeitpunkt noch davon überzeugt werden, den Solarinstallationen keine Steine in den Weg zu legen. Zudem gibt es immer noch einige Netzbetreiber, die von Stecker-Solar überzeugt werden müssen. Denn die Anlagen müssen noch vereinfacht bei den Netzbetreibern angemeldet werden. Viele Hürden fallen mit dem Solarpaket 2024, was wir als große Chance für den Mietermarkt sehen.

Welche Erleichterungen sind das?

Laut Solarpaket fällt 2024 unter anderem die Anmeldepflicht beim Netzbetreiber. Das heißt, Balkonkraftwerke bis 800 Watt Solarleistung müssen nur noch mit wenigen Angaben im Marktstammdatenregister angemeldet werden. Es war bereits sehr hilfreich, dass vor Kurzem das Deutsche Institut für Bautechnik die Hürden für Balkonmodule gesenkt hat. Sie gelten nicht mehr als Bauprodukt, brauchen also keine bauaufsichtliche Zulassung mehr.

Sind damit die Betreiber der Balkonmodule aus dem Schneider, wenn es um ihre Verantwortung für den sicheren Betrieb der Anlagen geht?

Das nicht. Allen, die sich für ein Balkonkraftwerk interessieren, raten wir, bei der Kaufentscheidung auch auf geprüfte Montagetechnik zu setzen. Und auch für die Branche selbst sollte das ein weiteres Signal sein, sich nun stärker mit der Anlagensicherheit auseinanderzusetzen. Bei Priwatt verkaufen wir ausschließlich Komplettpakete mit hochwertigen Halterungen für die verschiedenen Einsatzorte. Und wir legen sehr viel Wert auf die fachliche Anleitung zur Installation der Balkonanlagen. Das kann und muss man unserer Meinung nach anbieten, wenn man Menschen wirklich dazu befähigen möchte, die Energiewende in die eigene Hand zu nehmen. Das gilt auch, wenn man die Systeme weitgehend online vertreibt.

Welche Zielgruppe adressieren Sie mit den Komponenten, die Sie für Balkonkraftwerke anbieten?

Zuerst dachten wir, dass zur Miete lebende und ökologischen Produkten gegenüber aufgeschlossene junge Familien unsere Hauptzielgruppe sind. Aber zu Beginn war es vor allem der technikaffine 55-jährige Ingenieur, der die Anlagen in Eigenleistung errichten wollte. Die meisten Kundinnen und Kunden installieren ihr Balkonkraftwerk auf dem Dach ihres Eigenheims, das ist bereits seit unserem Verkaufsstart zu beobachten. Wir nehmen aber auch wahr, dass sich die Zielgruppe allmählich wandelt: 2021 mussten wir den meisten Kundinnen und Kunden unser Produkt erst erklären. Durch die starke Präsenz des Themas in den Medien ebenso wie durch den steigenden Wunsch nach mehr Autarkie hat sich das mittlerweile geändert.

Wie hat sich Ihr Geschäft entwickelt?

2023 sind wir sehr stark gewachsen. Mittlerweile haben wir rund 50.000 Kundinnen und Kunden. In den letzten zwei Jahren wuchs das Unternehmen sehr schnell, von drei auf mehr als 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Also werden Ihre Systeme auf Dächern installiert, weniger an Balkonen?

Ja, das haben wir beobachtet. Für viele unserer Kundinnen und Kunden sind diese Kleinstanlagen ein Einstieg in die private Energieversorgung. Meistens sind es Besitzer von Eigenheimen, die solche Anlagen schnell aufbauen können. Die Anlagen mit zwei bis vier Modulen amortisieren sich schnell und machen Appetit auf mehr Solarleistung. Um dieser Klientel jetzt auch Systeme mit mehr Leistung anzubieten, haben wir seit November 2023 größere Anlagenpakete mit fünf bis 25 Modulen im Angebot, deren Montage auf dem Dach oder dem Grundstück in Eigenleistung erledigt werden kann – unsere Produktlinie Priwatt Solar. Der elektrische Anschluss bleibt dabei weiterhin dem zertifizierten Elektriker vorbehalten.

Wie sind die Balkonkraftwerke technisch aufgebaut?

Wir kombinieren die Solarmodule mit einem passenden Halterungssystem und Mikrowechselrichtern, so entsteht ein AC-System, dass nach dem DIY-Prinzip selbst installiert werden kann. Die DC-Verkabelung entfällt weitgehend. Faktisch kann man so jedes Dach, den Garten, die Hauswand oder den Balkon belegen, weil die Wechselrichter am Modul die Planung der Anlagen stark vereinfachen.

Solarnative hat einen Mikrowechselrichter entwickelt, der in den Modulrahmen passt. Das Unternehmen produziert in Deutschland. Ist das der Grund, warum Sie kooperieren?

Das ist ein wesentlicher Grund für unsere strategische Beteiligung an Solarnative. Ein anderer Grund ist, dass diese sehr innovativen Wechselrichter eine Vielzahl von Daten bereitstellen, die für die Nutzenden von großem Interesse sind. Zudem stehen die Server in Deutschland, wodurch eine besonders hohe Datensicherheit garantiert werden kann. Das ist für uns sehr wichtig. Grundsätzlich wollen wir unsere Komponenten vorzugsweise aus Europa beziehen.

Wie muss man sich die Kooperation vorstellen?

Wir engagieren uns als Gesellschafter, sind also an der Finanzierung beteiligt. Mit Solarnative haben wir einen Partner an unserer Seite und ein Produkt, mit dem wir Mehrwert erzeugen können. Damit ist die Kooperation auch ein wichtiger Meilenstein auf unserer IT- und Hardware-Roadmap.

Bieten Sie die Mikrowechselrichter im Modulrahmen bereits an?

Seit September 2023 bieten wir den Wechselrichter von Solarnative in der dritten Generation unserer Balkonkraftwerke an. Im direkten Vergleich zu anderen Mikrowechselrichtern ist dieser äußerlich kaum noch als klassischer Wechselrichter erkennbar. Das Produkt reduziert außerdem den Installationsaufwand und macht das System insgesamt noch einfacher. Wir werten die Verkäufe in den nächsten sechs Monaten aus und sind gespannt, wie der Markt das neue System annimmt. Denn wir wissen: Man muss bereit sein, vom Markt zu lernen. Das erfordert Augenmaß. Bis sich der Markt entscheidet, werden wir auch weiterhin verschiedene Wechselrichter anbieten.

Was haben Sie im Markt der Balkonmodule schon gelernt?

Anfangs haben wir zwei verschiedene Anlagenkonfigurationen angeboten, mit Wechselrichtern für das einzelne Modul als Single-Variante und Wechselrichtern für zwei Module als Duo-Variante. Heute sind die gefragten Anlagen gewachsen. Wir verkaufen aktuell hauptsächlich Duo-Anlagen und beobachten, wie der Trend zu Anlagen mit drei bis vier Modulen geht. Der Wechsel von 600 Watt auf 800 Watt ab Januar 2024 wird diesen Trend verstärken. Je einfacher das System ist und je mehr Leistungen es hat, desto eher greifen unsere Kundinnen und Kunden zu.

Haben Sie neben dem Onlinevertrieb weitere Vertriebskanäle?

Wir vertreiben vor allem über unseren eigenen Onlineshop, direkt an die Kunden. Jedoch sind wir aktuell auch mit speziellen Anwendergruppen im Gespräch. Ein Beispiel sind Wohnungsbaugesellschaften. Zunehmend äußern sie den Wunsch, die Balkonanlagen ihrer Immobilien zu vereinheitlichen. Dabei geht es nicht nur um die Optik, sondern auch um den sicheren, standardisierten elektrischen Anschluss, um die sichere Montage am Balkon und die Wartung der Anlagen.

Welche Beratung bieten Sie Ihren Kundinnen und Kunden an?

Der Großteil des Kundensupports läuft online ab. Wir bieten unseren Kundinnen und Kunden kostenfrei die Möglichkeit persönlicher Beratungsgespräche bis hin zu digitalen Montageanleitungen, Blog-Beiträgen und Erklärvideos, die sie bei der Auswahl bis hin zur Nutzung ihrer eigenen Balkonanlage unterstützen.

Woran erkennen Laien, wann sie einen Profi hinzuziehen müssen?

Das geht aus unseren Montageanleitungen hervor. In unserem Kundensupport führen wir zudem viele persönliche Gespräche per Telefon oder beraten via E-Mails. Diese Beratung ist sehr wichtig.

Also geht es nicht nur online?

Solaranlagen einfach online zu verkaufen ist nicht unser Anspruch. Wir wissen, das versuchen viele Anbieter, sind uns jedoch sicher: Langfristig wird im Markt nur bestehen, wer seine Kunden umfassend berät. Denn die Qualität der Anlagen ist durch hohe Qualität der Komponenten allein nicht gewährleistet. Besonders wichtig ist diese Beratung bei den größeren Anlagen ab fünf Modulen, die wir jetzt seit Kurzem im Portfolio haben. Dieser Verantwortung können wir uns nicht entziehen und wollen wir auch nicht.

Welche Fragen haben Ihre Kundinnen und Kunden?

Oft kommen solche Fragen: Wie binde ich den Wechselrichter in mein WLAN ein? Passt das System für meinen Balkon? Wir beraten Interessenten auch zur Eignung der Balkone, legen großen Wert auf technische Details. Die Halterung und die Erfassung der Wechselrichterdaten sind dabei besonders häufig Thema. Auch bieten wir einen Anmeldeservice, um die Kundinnen und Kunden bei der Anmeldung der Anlagen beim Netzbetreiber und der Bundesnetzagentur zu unterstützen.

Ab Januar wird die Grenze der zulässigen Solarleistung auf 800 Watt angehoben. Erwarten Sie einen neuerlichen Run auf Ihre Systeme?

Wir verkaufen bereits seit Anfang 2023 Balkonkraftwerke mit Wechselrichtern, die sich nach Anhebung der Bagatellgrenze ganz einfach online von 600 Watt auf 800 Watt upgraden lassen. Damit sind unsere Kunden und Kundinnen bereits ideal auf die Anhebung vorbereitet. Zweifellos wird es einen Schub im Verkauf geben, das ist schließlich ein wesentlicher Grund der Erweiterung. Wir brauchen in Deutschland mehr Balkonkraftwerke und Solaranlagen, die die Leute in Eigenleistung bauen können.

Eigenleistung am Bau ist längst üblich und akzeptiert. Bei Solaranlagen, die sich Laien weitgehend selbst an den Balkon oder aufs Dach schrauben, geht ein Aufschrei durch die Branche. Wie sehen Sie das?

Die Eigenleistung entbindet den Betreiber der Anlagen nicht von seinen Verantwortungen. Es gibt Leute, die decken ihr Dach selber ein. Natürlich muss das Dach hinterher allen Anforderungen genügen, dafür ist es wichtig, die Kundinnen und Kunden mit ausreichend Informationsmaterialien zur sicheren Montage auszustatten. Wir sehen zudem schon die ersten Versicherer, die Balkonanlagen mit in die Haftpflichtversicherung nehmen, weil sie die hohe Nachfrage sehen. Klar ist, wir brauchen viel mehr Balkonanlagen und Solaranlagen mit bis zu zehn Kilowatt, bei denen die Menschen selbst Hand anlegen können.

Sehen Sie Chancen für Installateure durch Balkonanlagen?

Durchaus, auch wenn die Fachhandwerker nicht unsere Zielgruppe sind. Man darf nicht unterschätzen, dass Balkonkraftwerke für viele Menschen der Einstieg in die Photovoltaik sind. Den beiden Modulen an der Brüstung folgen meist größere Anlagen auf dem Dach. Aus dieser Erfahrung heraus haben wir Priwatt Solar auf den Markt gebracht. Dann geht es im nächsten Schritt auch um größere Stromspeicher und um die Wallbox fürs E-Auto. Nicht zu vergessen die Gemeinschaftsanlagen, die 2024 erlaubt werden sollen. Warum sollte ein Installationsbetrieb diesen Trend nicht nutzen? Ein Mitarbeiter unterstützt den Bau von Kleinanlagen in Eigenleistung und öffnet somit die Tür für größere Wünsche. Beides schließt sich überhaupt nicht aus.

Welchen Ausblick wagen Sie auf das Jahr 2024?

Wir wollen die starke Wachstumsdynamik von 2022 und 2023 aufrechterhalten. Wir werden zudem unsere Produktpalette weiter ausbauen. Wir sind mit dem Balkonkraftwerk gestartet und bieten jetzt bereits Anlagensysteme mit bis zu zehn Kilowatt an, unter der Marke Priwatt Solar. Sie erlauben die eigene Montage, also teilweise Eigenleistung. Zudem peilen wir das Ziel an, 100.000 Kundinnen und Kunden zu erreichen.

800 Watt oder zehn Kilowatt, das ist ein erheblicher Schritt. Wie schaffen Sie es, dass die Anlagen so einfach bleiben, damit sie in Eigenleistung installiert werden können?

Priwatt Solar folgt dem Interesse unserer Kundinnen und Kunden, die zuerst zwei oder vier Module auf dem Dach montiert haben und ihre verfügbare Dachfläche jetzt noch effizienter nutzen wollen. Ihnen bieten wir eine sehr einfache Konfiguration über unsere Webplattform. Alle Komponenten werden mit genauer Bauanleitung ausgeliefert. Die mechanische Installation kann auf dem Dach in Eigenleistung erfolgen. Den elektrischen Anschluss muss jedoch eine Fachkraft erledigen, auch den korrekten Anschluss der Stringwechselrichter.

Also handelt es sich dabei nicht um AC-Systeme?

Nein, das klappt bei sechs oder zehn Kilowatt noch nicht. Wir sehen jedoch auch hier viel Bewegung auf dem Markt und in der Politik. Es sind bereits Produkte im Gespräch, die den Eigenanteil bei der Montage künftig noch weiter erhöhen und die Installation noch einfacher machen werden.

Das Interview führte Heiko Schwarzburger.

Viele Eigenheimbesitzer wollen ihre Solaranlage selbst installieren.

Foto: Priwatt

Viele Eigenheimbesitzer wollen ihre Solaranlage selbst installieren.
Priflat ist ein steckerfertiges Modulsystem für ebenerdige Installation.

Foto: Priwatt

Priflat ist ein steckerfertiges Modulsystem für ebenerdige Installation.
Balkonsystem Pribalcony Duo für die Montage an der Brüstung.

Foto: Priwatt

Balkonsystem Pribalcony Duo für die Montage an der Brüstung.
Priflat wird über eine Steckdose an die Hausversorgung angeschlossen.

Foto: Priwatt

Priflat wird über eine Steckdose an die Hausversorgung angeschlossen.

Im Interview

Kay Theuer
hat 2020 die Firma Priwatt in Leipzig gegründet und sich gemeinsam mit seinen Mitgründern das Ziel gesetzt, Solartechnik für alle erschwinglich anzubieten. Der 44-jährige gebürtige Dessauer arbeitete nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann im elterlichen Betrieb für Industrieanlagenbau. 2011 gründete er sein erstes Unternehmen, für die Digitalisierung von B2B-Kundinnen und -Kunden. Seit der Gründung 2018 führt er die Marketingagentur TWNTY Digital. Sie ist Gesellschafterin und Theuer einer der beiden Geschäftsführer von Priwatt.

Niklas Behlen

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