Mitte Januar, Köln am Rhein: Alles weiß, der berühmte Dom verschwindet im Gestöber. Kein schlechtes Omen für einen Besuch beim TÜV Rheinland. Denn auch Solarmodule, Wechselrichter oder Ladesäulen müssen Wind und Wetter trotzen – jahrelang, jahrzehntelang.
Pionier und Schrittmacher in Sachen Qualität
Seit mehr als 25 Jahren ist der TÜV in der Solarbranche tätig, gehörte zu den Pionieren und den Schrittmachern, wenn es um Qualität ging. Hohe Qualität der Komponenten, der Anlagentechnik und der Installation: Das bedeutet viel Arbeit, das ist ein Job für Spezialisten. „Wir sind zwischen 30 und 35 Leute im Team“, erzählt Roman Brück. Er leitet die Abteilung für solaren Kraftwerksbau, Komponenten, Leistungselektronik und Zertifizierung. Insgesamt sind für den TÜV allein in Deutschland rund 80 Sachverständige für Solartechnik unterwegs.
Brücks Abteilung in Köln testet, misst und begutachtet. Die Mitarbeiter stemmen ein Mammutprogramm. In den Laboren werden Zellen, Folien, Solarmodule, Stecker, Leitungen, Stringwechselrichter, Hybridinverter, Speichersysteme und neuerdings auch Ladetechnik auf Herz und Nieren geprüft. „Alles bis zum Netzanschluss“, meint Brück lakonisch, der selbst über langjährige Erfahrung als Sachverständiger für Photovoltaik verfügt. Der Mann hat viele Anlagen gesehen, ordentliches Handwerk, aber auch Schrott.
Zu seinen Aufgaben gehören ebenso die Zertifizierungen nach VDE-AR N 4105 (Niederspannung) und 4110 (Mittelspannung) – Zertifikate für Geräte und Anlagen. Nicht nur für Deutschland, wie Roman Brück präzisiert: „Europa ist für uns ein Heimspiel.“
Faktisch gibt es keine Produktnorm, die der TÜV in seinen Laboren nicht prüfen kann. Neue Produkte werden oft schon als Prototypen ausgemessen und zertifiziert. „Der technologische Wandel geht unglaublich schnell“, erläutert Brück. „Außerdem wächst die Komplexität der Anlagen. In den zurückliegenden Jahrzehnten haben wir viele Erfahrungen gesammelt. Dennoch fordern uns neue Produkte immer wieder neu heraus.“
Größere Zellen, Module, Spannungen und Ströme
Ein Beispiel sind größere Wafer bis zu G12-Zellen, die 210 mal 210 Millimeter messen. „Solche Zellen erreichen Ströme bis 18 Ampere“, sagt Hamza Maaroufi, Experte für Modultests und Solarparks in Brücks Team. „Die Module werden immer größer. Also müssen unsere Testkammern mitwachsen.“
Ein weiteres Beispiel sind die Systemspannungen in den Strings. Die Photovoltaikbranche ist mit 1.000 Volt DC gestartet. Es folgten 1.500 Volt als neuer Standard. Und schon werden 2.000 Volt oder gar 3.000 Volt diskutiert. „Trotz der höheren Spannungen müssen die Anlagen sicher sein“, erklärt Roman Brück. „Wir haben bereits Stecker für 2.000 Volt bearbeitet. Bald kommen die Stecker für 3.000 Volt oder Modulanschlussdosen für so hohe Spannungen.“
Mit 2.000 oder 3.000 Volt aus dem Modulfeld bewegen sich Anbieter und Installateure in der Mittelspannung. „Das muss man beachten. Für solche Spannungen gibt es zu wenig Bauteile, auch sind die Standards noch nicht ausreichend entwickelt. Bis 1.500 Volt sind die Produkte mittlerweile durchnormiert. Darüber hinaus wird es schwierig.“ Das sei eine echte Herausforderung für die Normungsgremien und Zertifizierer wie den TÜV.
Imposante Labore, mit Technik vollgestopft
Die Photovoltaikbranche befindet sich in schneller Veränderung. Ein Beispiel sind die Rückseitenfolien: Derzeit fallen in der Praxis etliche Anlagen aus den Jahren 2010 bis 2012 auf, bei denen falsche Backsheets in den Solarmodulen verwendet wurden.
Zehn Jahre nach der Installation verspröden diese Folien und kreiden aus. Sie werden brüchig und reißen. „Nach der neuen Modulnorm sind zertifizierte Backsheets vorgeschrieben“, nennt Brück ein Beispiel. „Dadurch sinkt das Risiko späterer Schäden.“
Der Rundgang durch die zahlreichen Labore ist imposant. Klimakammern, Kammern für Salznebel und Ammoniak, Kammern für PID und Thermal Cycles: Im Jahr durchlaufen einige Tausend Module die harten Tests. „Um ein neues Solarmodul zu zertifizieren, brauchen wir in der Regel 35 Module“, rechnet Hamza Maaroufi vor. „Wenn wir Solarparks begutachten, kann die Stichprobe bis zu 400 Module umfassen.“ Seit 2023 verfügt der TÜV über ein mobiles Labor, um Solarmodule im Feld zu prüfen. Manche Prüfstände sind regelrechte Folterkammern.
So werden die Module mit harten Kugeln beschossen, um Hagelschlag zu simulieren. Oder ein schweres Pendel zerschlägt das Frontglas, um seine Festigkeit zu bestimmen. Zu den mechanischen Tests gehören auch Biegeversuche oder Zugtests – bis zum Bruch.
Im Tauchbecken werden komplette Solarmodule auf Isofehler geprüft. Der sogenannte Leakage-Voltage-Test weist nach, dass die Module tatsächlich mehr als 40 Megaohm Isolationswiderstand aufweisen.
In Köln gibt es mehrere Sonnensimulatoren, die ihresgleichen suchen. Sie sind für sehr große Module mit 2,70 Metern oder drei Metern Kantenlänge ausgebaut und integrieren die Klimakammer, um sehr genaue Ertragsgutachten zu erstellen. Der erzeugte Blitz dauert 105 Millisekunden, also vergleichsweise lange.
Er trifft auf Solarmodule, die bis auf 75 Grad Celsius aufgeheizt wurden. „Solche Module performen anders“, urteilt Maaroufi. „Mithilfe der Elektrolumineszenbilder können wir analysieren, wie sie sich beispielsweise in Solarparks in der Wüste verhalten.“
Ein begehbarer Sonnensimulator
Es gibt sogar einen begehbaren Sonnensimulator, dessen Strahler auf verschiebbaren Achsen montiert sind. Verschiedene Filter sind möglich, um unterschiedliche Sonnenstände oder Einstrahlungen zu simulieren. Auch die Bewitterung der Testmodule mit UV-Licht ist möglich.
Neben Standardmodulen mit Siliziumzellen werden in Köln zunehmend organische Module oder semitransparente Module für Fassaden getestet. „Ein neues Thema ist Floating PV“, sagt der Fachmann. „Dafür müssen die Module und andere Komponenten gegen Feuchtigkeit und salzhaltige Umgebung beständig sein, ohne dass sie korrodieren.“
Oft unterschätzt, sind Kabel und Leitungen für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlagen wesentlich. „Wir testen das Leitungsmaterial, die Elektroisolierstoffe und ihre Eigenschaften hinsichtlich des thermischen Langzeitverhaltens“, erzählt Roman Brück. „Das Ziel ist 125 Grad Celsius über 5.000 Stunden. Jeden Tag ziehen wir eine Probe, um den Ausfallpunkt zu ermitteln.“
Kreuzverbau ist tabu
So müssen Solarmodule, auch wenn sie mit verschiedenen DC-Steckern im Kreuzverbau installiert werden, zwischen minus 40 und plus 85 Grad Celsius aushalten. Kreuzverbau sollte ein Tabu sein, wird aber leider oft praktiziert. Die Ingenieure des TÜV untersuchen verschiedene Legierungen und Crimpungen, um Fehler auszuschließen.
In die Prüftechnik, in die Kammern, Labore und Hallen wurden etliche Millionen Euro investiert. Ein eigener Trafo stellt ein Megawatt elektrischer Leistung bereit. Im Dauerbetrieb werden 500 Kilowatt gezogen, in der Spitze bis 700 Kilowatt.
Wird zum Beispiel ein Gewerbespeicher von Tesvolt getestet, werden zusätzlich 130 Kilowatt benötigt. Diese Leistung simuliert das Modulfeld (DC-Seite) und wird zugleich als Netzanschluss verwendet. Kommt eine Ladesäule mit 400 Kilowatt auf den Prüfstand, gerät die Technik an ihre Grenzen. Deshalb werden die Labore fortwährend umgebaut und erweitert, und neue Prüftechnik wird angeschlossen. Die permanente Veränderung zu organisieren ist ein wichtiger Teil von Brücks Job. „Das wird nie langweilig“, bekennt er. „Wir haben jeden Tag mit Prototypen zu tun. Da lernt man täglich etwas Neues. Das sind interessante Herausforderungen.“
Doch nicht nur auf den Prüfständen werden spannende Erkenntnisse gesammelt. Der TÜV Rheinland erstellt Machbarkeitsstudien für große Unternehmen, die ihren Immobilienbestand systematisch mit Photovoltaik ausstatten wollen. Dabei geht es um die Einstrahlung, die Dachstatik, Blendgutachten für Fassaden oder Parkflächen.
Oder Sachverständige sind im Auftrag von Anlagenbetreibern und Investoren draußen im Feld unterwegs. „Die Qualität der Installationen ist besser geworden“, urteilt Roman Brück. „Manche Fehler sehen wir nicht mehr, die früher häufig auftraten. Heute klebt niemand mehr die Anschlussdosen mit Tape ans Modul.“
Einfache Isofehler sieht man nach seiner Einschätzung auch nicht mehr so oft. „Dafür fallen manchmal sehr krasse Probleme auf: So haben wir einen Solarpark begutachtet, dessen Module eigentlich fachgerecht installiert waren. Dennoch fanden wir Module, die riesige Löcher aufwiesen.“
Rückstrom fackelte das Modul ab
Den Fehler zu finden war den die Inspektoren vor Ort nicht möglich. Die Analyse im Labor ergab, dass die Waferabstände zu gering waren, zudem war die Bypassdiode defekt. Aufgrund des hohen Rückstroms brannte das Modul regelrecht durch.
Roman Brück ist selbst viel unterwegs. „Mangelnder Potenzialausgleich bei der Erdung ist ein vergleichsweise einfacher Fehler“, kommentiert er. „Erstaunlich ist, wie die Monteure gelegentlich mit den Modulen umgehen. Nicht selten werden diese auf der Baustelle durch den Schlamm gezogen, bevor sie installiert werden.“
Ein weiteres Problem entsteht bei Glas-Glas-Modulen, deren Gläser sehr dünn sind, nur zwei Millimeter oder weniger. „In Freilandanlagen in Spanien haben wir gesehen, dass sie sich durchbiegen“, berichtet Brück. „Die Module sind mittlerweile 2,40 Meter lang, ihr Eigengewicht einfach zu hoch für bis dato etablierte Trägerkonstruktionen.“
Mit wachsenden Märkten kommt auch auf den TÜV Rheinland mehr Arbeit zu – in den Laboren, in Schulungen und im Feld. Obwohl viele Installationsbetriebe heutzutage mehr Wert auf Qualität legen, sind Schlamperei oder mangelnde Sorgfalt längst nicht ausgemerzt. Roman Brück beschließt unseren Rundgang mit typisch rheinischer Ironie: „Die Fehlerfantasie geht uns ganz sicher nicht aus.“
Certipedia
Öffentliche Liste aller Zertifikate des TÜV Rheinland
Der TÜV Rheinland hat alle von ihm erteilten Zertifikate in einem öffentlich zugänglichen Register hinterlegt. Dort können Investoren und Projektentwickler nachschauen, welche Produkte und Installateure nach den Kriterien des TÜV begutachtet wurden. Die Website soll Transparenz und Wettbewerb fördern. Zertifizierte Betriebe weisen nach, dass sie Anlagen nach hohen fachlichen Ansprüchen an die Qualität planen, installieren und warten.
TÜV Rheinland
Zertifizierung von Installationsbetrieben
Seit einigen Jahren bietet der TÜV Rheinland an, Installationsbetriebe zu qualifizieren und zu zertifizieren. Bisher wurden 40 bis 50 Betriebe zertifiziert. 2024 sollen bis zu 100 weitere Betriebe auditiert werden.
Dabei werden alle Prozesse im Betrieb bewertet. Bevor die Inspekteure den Betrieb besuchen, schickt dieser eine Liste der letzten zehn Installationen. Davon werden zwei ausgewählt und vor Ort geprüft. Der Aufwand insgesamt, den Papierkram eingerechnet, beträgt rund fünf Tage. Gut organisierte Betriebe schaffen die Prozedur mitunter in drei Tagen. Die Zertifizierung ist wiederkehrend, wird also jedes Jahr wiederholt. Mit der Zertifizierung darf der Fachbetrieb das Prüfzeichen des TÜV für sein Marketing verwenden.
Die Experten des TÜV bewerten unter anderem die Qualität der Kundenberatung, der Angebote sowie der Installation und der eingesetzten Materialien. Ein weiterer Aspekt ist die Qualifikation des Personals: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen über ausreichende Kenntnisse für die Installation netzgekoppelter Photovoltaikanlagen verfügen und diese durch Teilnahme an Schulungen nachweisen. Bisher lag die maximale Größe der begutachteten Anlagen bei 750 Kilowatt. Sie soll 2024 auf 300 Megawatt steigen.
https://www.tuv.com/germany/de/photovoltaik-anlagen-zertifizierung-von-…