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Wolfgang Kempfle: „Wir bauen interessante Nischen aus“

Was hat das Jahr 2023 für Sie so schwierig gemacht?

Wolfgang Kempfle: Da kamen viele Faktoren zusammen. Sie haben die gesamte Branche getroffen. Wir selbst haben nichts falsch gemacht. Doch solche Krisen inspirieren uns, unser Geschäftsmodell noch präziser an den Launen des Marktes auszurichten.

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Das heißt konkret?

Die Politik hat 2023 den Markt verunsichert. Erst wurde die Mehrwertsteuer auf Photovoltaikanlagen für Endkunden zum Jahresbeginn abgeschafft. Dann wurde das vorgezogene Heizungsgesetz innerhalb der Ampelregierung von der FDP zerlegt. Im November verhinderte die CDU via Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, dass 60 Milliarden Euro aus den Covid-Hilfen für die Transformation der Industriegesellschaft zur Klimaneutralität eingesetzt werden durften. In Summe führte das dazu, dass niemand mehr Rechts- und Planungssicherheit für seine Investitionsentscheidungen hatte.

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Welche Auswirkungen hatten die hohe Inflation und die hohen Zinsen?

Eine doppelte. Zum einen brach die Baubranche komplett ein. Viele Zimmerleute, Dachdecker und Elektriker wichen auf die Photovoltaik aus, um ihr Personal zu beschäftigen. Viele Anbieter trafen auf eine Nachfrage, die nicht annähernd so schnell wuchs. Und: Fehlender Neubau bedeutet auch fehlende Nachfrage nach Photovoltaikanlagen. Gleichzeitig hielten die Leute ihr Geld zusammen und investierten kaum mehr in Sanierungen und Ausbauten. Insgesamt wurde zwar mehr Photovoltaik installiert als im Vorjahr, aber die Nachfrage verteilte sich auf deutlich mehr Anbieter.

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Was hatte das zur Folge für Ihren Betrieb?

Wir haben 2023 rund 1.400 Photovoltaikanlagen installiert. Das waren zwar 300 mehr als 2022, aber vor allem, weil wir Covid-bedingte Nachholeffekte hatten mangels Lieferfähigkeit. Aussagekräftiger ist deshalb, dass wir 2023 nur 1.000 Anlagen verkauft haben. Und das, obwohl wir verstärkt ins Marketing investiert hatten. Geben wir hierfür üblicherweise zwei Prozent des Umsatzes aus, waren es zeitweilig mit Radiowerbung oder Gewinnspielen das Doppelte – ohne messbaren Erfolg.

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Wie viele Anfragen brauchen Sie, damit daraus ein Auftrag wird?

Zum Glück leben wir mittlerweile an unseren vier Standorten in Leipheim, Augsburg, Heidenheim und Giengen gut zur Hälfte von Empfehlungen. Den Rest der Anfragen erzielen wir über Social-Media-Aktivitäten, Verbrauchermessen, Vorträge und Kundenevents in unseren Filialen. 2022 hatten wir eine Quote von eins zu vier, also aus vier Anfragen folgte ein Auftrag. 2023 verschlechterte sich diese Quote auf eins zu sechs. Aktuell liegen wir bei eins zu fünf.

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Woran liegt diese Schwankung?

Unser Großhändler sagte, 2023 hätten wöchentlich bis zu sieben Handwerksbetriebe neu bei ihm angefragt. Das heißt, es kamen viele lokale Mitbewerber hinzu. Zudem machten die großen Player massiv über den Druck über ihren Onlinevertrieb, um ihre Absatzzahlen im extrem schwierigen Marktumfeld halbwegs zu halten. Stets ging es vor allem über den günstigsten Preis. Das hatte Auswirkungen auf unsere Margen.

Wie haben Sie reagiert?

Zum einen setzen wir traditionell auf professionelle Beratung und passgenaue Lösungen. Wenn wir den Interessenten erst einmal in der konkreten Kaufphase haben, bleibt er in der Regel bei uns, weil wir ihm mit Speicher, Montage und Ladeinfrastruktur für sein Auto die beste Gesamtlösung bieten. Daneben identifizieren und besetzen wir neue Nischen und bauen behutsam unser Filialnetz aus.

Haben Sie dafür Beispiele?

Seit 2019 machen wir auch Projektgeschäft. Aber erst 2023 haben wir das mit einer sechsköpfigen Fachabteilung professionalisiert. Diese Experten kennen sich mit Schaltplänen, Trafostationen und Zertifikaten aus. Mittlerweile realisieren sie pro Monat zwei Anlagen mit 500 Kilowatt bis zu drei Megawatt. Zum Vergleich: Übliche Anlagen liegen bei zehn, elf Kilowatt und 30.000 Euro. Daneben sind wir ins Betreibermodell eingestiegen. Als Partner von Kommunen oder Wohnbaugesellschaften liefern und verkaufen wir Strom. Die Anlagen auf Kindergärten, Schulen, Turnhallen oder Mehrfamilienhäusern bleiben in unserem Besitz. Sie werden über Kredite, Leasing oder Crowdfunding finanziert.

Ziemlich clever, aber auch komplex, oder nicht?

Über Intelligenz halten wir uns viele Mitbewerber vom Hals, die nur über den Preis verkaufen und in zwei Jahren wieder vom Markt verschwinden werden. Wir beherrschen eine hohe Beratungs- und Vertragskomplexität. Damit erschließen wir neue Nischen und Potentiale. Aktuell bekommen wir einmal wöchentlich flehende Anrufe, ob wir Projekte von Mitbewerbern zu Ende bringen können, die pleite gegangen sind. Das machen wir, wenn die Konditionen insgesamt stimmen.

Wie finanzieren Sie den weiteren Ausbau Ihres Unternehmens?

Unsere Banken verstehen unser Business verstehen und vertrauen uns. Der Verlust des Vorjahres war eher ungünstig und muss ein Ausreißer bleiben, zumal das Geschäft sehr kapitalintensiv ist. Nur ein Beispiel: Es kostet uns dauerhaft gut 1,1 Millionen Euro Liquidität zusätzlich pro Monat, die Mehrwertsteuer zwischenzufinanzieren. Je nach Auftrag finanzieren wir diese Steuer bis zu 18 Monate vor. Und wenn wir ab 2025 jährlich um 15 Millionen Euro wachsen wollen, steigt unser Kapitalbedarf nochmals.

Welche Wege der Finanzierung stehen Ihnen offen, über Ihre Hausbanken hinaus?

Leasing, Crowdfunding und Risikokapital – das Finanzierungsportfolio ist groß und vielfältig. Unser Ziel ist ein Gesellschafter, der sich mit zwei bis drei Millionen Euro Eigenkapital beteilgt. Wegen des Verlustes im Vorjahr ist unser Firmenwert aktuell eher ungünstig, könnte sich im zweiten Halbjahr aber deutlich verbessern.

Was macht Sie da so optimistisch?

Grundsätzlich ist unsere Brache ein Wachstumsmarkt, der noch sehr, sehr viel Potential hat. Zugleich wird er sich in diesem Jahr massiv bereinigen. Die Pleitewelle rollt. Wenn die Baubranche wieder anzieht, was bei der Wohnungsnot und dem Investitionsstau sicher ist wie das Amen in der Kirche, laufen die Geschäfte wieder rund und die Margen steigen.

Wie läuft das Betreibergeschäft an, das Anlagencontracting?

Wir haben 2023 für gut eine Million Euro 22 Photovoltaikanlagen als Betreiber installiert. Obwohl das Geschäft sehr sicher ist, ist es den Banken noch zu kleinteilig. Also liefern wir für den Wohnungsmarkt und die öffentliche Hand die Finanzierungen gleich mit. Im Projektgeschäft liegt ähnlich viel Potential für uns, weil Speditionen, Baufirmen, Stahlerzeuger oder Flughäfen sauberen Strom und Wasserstoff brauchen. (Leo Fromm)

Webseite von ESS Kempfle

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