Um sich Grundstücke für Solarparks zu sichern, gehen die Projektierer mit den Landwirten und anderen Eigentümern vertragliche Beziehungen ein. Sie sollen die Fläche vorhalten, bis die Baugenehmigung vorliegt. Aber die angebotenen Verträge haben ihre Tücken. In aller Regel handelt es sich um vorformulierte Regelwerke des Unternehmens, welches die Solarfläche entwickelt. Bei den Klauseln wird naturgemäß auf die Belange des Projektentwicklers besondere Rücksicht genommen.
Unsicherheiten zu Beginn eines Projekts
Zu Beginn eines Projekts ist die Ausgangssituation für ihn nicht einfach. Durch den Abschluss von Nutzungsverträgen müssen Flächen gesichert werden, ohne dass feststeht, ob an dem vorgesehenen Ort eine Photovoltaikanlage gebaut werden kann. Dies hängt nämlich unter anderem davon ab, ob die Gemeinde bereit ist, einem Bebauungsplan zuzustimmen, der den Betrieb einer Photovoltaikanlage ermöglicht. Dieser Unsicherheit wird in vielen Pachtverträgen für Freiflächen dadurch Genüge getan, dass die eigentliche Laufzeit des Pachtvertrags nicht vor Baubeginn oder Inbetriebnahme der Anlage beginnt. Davor liegt ein „Wartezeitraum“ von bis zu fünf Jahren, in dem der Vertrag nicht gekündigt werden darf.
Der Grundeigentümer kann die Flächen während dieser Zeit noch weiter nutzen und erhält aus dem Pachtvertrag noch keine Zahlungen. Erst wenn der Wartezeitraum abgelaufen ist, ohne dass eine Baugenehmigung erteilt wird, kann sich der Grundeigentümer von dem Vertrag lösen.
Flächen rechtzeitig sichern
Diese Vertragsgestaltung ist aus Sicht des Projektentwicklers von großem Vorteil. Denn er kann sich die Fläche für die Photovoltaikanlage sichern, ohne finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Kann er eine Baugenehmigung nicht realisieren und wird der Vertrag deswegen nach fünf Jahren gekündigt, bleibt der Projektentwickler dem Eigentümer der Fläche nichts schuldig.
Die Vertragsgestaltung ist jedoch nicht ohne rechtliche Risiken. In der Windenergie wurden die beschriebenen Laufzeitregelungen mit Wartezeitraum bereits einer gerichtlichen Prüfung unterzogen. Die Urteile dürften auf die Situation bei Nutzungsverträgen für die Photovoltaik übertragbar sein, da sich dort vergleichbare Regelungskonstellationen finden.
Von der Windkraft lernen
Das Oberlandesgericht Hamm hatte sich mit einem Nutzungsvertrag zu beschäftigen, der zum Betrieb einer Windenergieanlage abgeschlossen wurde (Urteil vom 2. Juli 2020, Az.: 5 U 81/19).
Er sah ein außerordentliches Rücktrittsrecht des Grundeigentümers vor, wenn nicht innerhalb von fünf Jahren nach Unterzeichnung des Vertrags mit dem Bau der Anlage begonnen wird.
Auf dieses außerordentliche Kündigungsrecht konnte sich zwar der Grundstückseigentümer nach Ansicht der Richter nicht berufen, weil er bereits vor Fristablauf die Eintragung einer Dienstbarkeit verweigerte.
Das OLG Hamm legte jedoch den Vertrag so aus, dass der Grundeigentümer während des fünfjährigen Wartezeitraums den Vertrag ordentlich kündigen könne. Dies bedeutet, dass der Vertrag ohne besonderen Grund mit der gesetzlichen Kündigungsfrist einseitig beendet werden kann.
Kommt es zum Baubeginn?
Die Laufzeitregelung des vom Gericht geprüften Vertrags sah vor, dass dieser mit Baubeginn der Windenergieanlage beginnt. Als Problem sahen die Richter des OLG an, dass gar nicht feststehe, ob es zum Baubeginn komme. Denn in dem Vertrag brächten die Parteien selbst zum Ausdruck, dass sie unsicher seien, ob das Projekt überhaupt durchgeführt werde.
Der Baubeginn stelle daher eine Bedingung des Vertrags dar, deren Eintritt ungewiss sei. Bis zum Eintritt der Bedingung sei die Laufzeit des Vertrags folglich unbestimmt. In diesem Zeitraum sei eine ordentliche Vertragskündigung möglich.
Ganz ähnlich hatte in einer zuvor ergangenen Entscheidung bereits das Landgericht Braunschweig argumentiert (Urteil vom 19. Februar 2019, Az.: 8 O 2832/18).
Eigentümer nicht benachteiligen
Das OLG Hamm setzt sich in seinem Urteil ausführlich mit den Interessen der Parteien auseinander. Das Gericht kommt dabei zum Ergebnis, dass der Vertrag nicht so ausgelegt werden könne, dass die ordentliche Kündigung des Vertrags im Wartezeitraum ausgeschlossen sei.
Dabei hebt das OLG besonders hervor, dass es den Grundstückseigentümer unangemessen benachteiligen würde, wenn er den Vertrag während des Wartezeitraums nicht ordentlich kündigen könne.
Denn bereits während des fünfjährigen Wartezeitraums bestünden wesentliche Pflichten für ihn. Er müsse Dienstbarkeiten und Vormerkungen in das Grundbuch eintragen lassen. Die Nutzbarkeit des Grundstücks sei eingeschränkt und der Eigentümer müsse beim Verkauf des Grundstücks Vorgaben aus dem Nutzungsvertrag beachten.
Zudem müsse er auch dulden, dass der Pächter das Grundstück betritt. Es sei daher unangemessen, den Grundeigentümer für fünf Jahre zu binden, ohne dass er wirtschaftlich vom Vertrag profitieren könne.
Lasten nicht einseitig aufbürden
Zu einem anderen Ergebnis ist bei einer vergleichbaren Regelung das OLG Karlsruhe gekommen (Urteil vom 20. April 2018, Az.: 14 U 217/17).
Die Richter aus Karlsruhe sahen es nicht als unangemessen an, dass der Grundeigentümer über einen Zeitraum von fünf Jahren oder mehr keine Pachtzahlungen erhalte, wenn er das Grundstück in diesem Zeitraum landwirtschaftlich nutzen kann. In dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall wurde es dem Projektentwickler zum Verhängnis, dass er die Laufzeitregelungen des Vertrags unsauber formulierte und zudem eine Nutzungsentschädigung für den Wartezeitraum ausgeschlossen hat.
Das Urteil des OLG Hamm zeigt, dass bei einseitig vorformulierten Verträgen in besonderem Maße auf die Ausgewogenheit der vertraglichen Regelungen geachtet werden muss.
Werden wirtschaftliche Lasten und Risiken alleine der Gegenseite aufgebürdet, steigt das Risiko, dass der Vertrag bei einer gerichtlichen Prüfung beanstandet wird. In solchen Fällen kann für den Projektentwickler erheblicher Schaden entstehen, zum Beispiel wenn er durch die Kündigung des Grundeigentümers auf die Vermarktung einer ertragreichen Photovoltaikanlage verzichten muss.