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Dachdecker

Mehr Geschäft für Dachdecker

Der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks hat vor einigen Monaten schon begonnen, Dachdecker in Sachen Photovoltaik zu schulen. Wie werden die Weiterbildungsangebote angenommen?

Michael Zimmermann:  Das Interesse an den Schulungen ist derzeit ein wenig rückläufig. Dies liegt aber weniger am Thema Photovoltaik, sondern vielmehr an einer generellen Zurückhaltung der Handwerksbetriebe, wenn es darum geht, neue Betätigungsfelder zu erschließen. Denn die Handwerker haben ohnehin viel zu tun, sodass viele von ihnen keine Zeit für eine Schulung haben. Zudem haben wir schon viele Dachdecker geschult, sodass der erste Run auf die Weiterbildungen derzeit etwas abebbt.

Welche Bedeutung haben die Schulungen für die Dachdecker?

Wir kommen aus einer Zeit der Vollauslastung. Die Handwerker hatten in den vergangenen Jahren alle viel zu tun. Auch wenn der Neubau etwas zurückgegangen ist, hat das die Dachdecker weniger betroffen. Denn sehr viele haben mit der Sanierung von Dächern alle Hände voll zu tun. Aber jetzt kommt das Thema Solarpflicht – inzwischen auch in der Dachsanierung – hinzu. Das heißt, die Dachdecker müssen sich mit dem Thema Photovoltaik beschäftigen. Sie können sich dem nicht verschließen, sondern sie müssen entsprechende Lösungen anbieten. Dies gehört inzwischen zum Berufsbild dazu.

Wie aufgeschlossen sind die Dachdecker gegenüber dieser Veränderung?

Die Photovoltaik ist ein sehr komplexes Thema. Denn sie greift in einen Bereich ein, der nicht unbedingt zur größten Expertise des Dachdeckers gehört, in die Elektrotechnik. Dazu kommen noch Themen wie Brandsicherheit. Aber auch die Bürokratie und die Kundenberatung werden komplexer. Das schreckt momentan noch einige ab. Deshalb sind Kooperationen zwischen Dachdeckern und Elektrikern so wichtig, um den Ausbau der Photovoltaik weiter voranzutreiben. Deshalb sind aber auch unsere Weiterbildungen wichtig, um den Dachdeckern die Berührungsängste zu nehmen.

Wie viele Dachdecker haben Sie inzwischen weitergebildet?

Wir haben bis jetzt etwa 3.600 PV-Manager geschult. Wir haben auch schon die ersten Klempner zu PV-Managern weitergebildet. Was jetzt noch als neues Angebot hinzugekommen ist, ist eine Weiterbildung zum Gründach-Manager. Hier haben wir inzwischen über 70 Betriebe geschult. Wir sind aber von vornherein davon ausgegangen, dass das Thema Gründach weniger gut angenommen wird als der PV-Manager.

Wo und in welcher Form finden die Schulungen statt?

Wir schulen die Dachdecker in Präsenz unter anderem in unserem Bundesbildungszentrum des Dachdeckerhandwerks in Mayen. Die einzelnen Landesverbände haben aber auch eigene Bildungseinrichtungen und bieten dort ebenfalls solche Seminare an. Die Handwerker absolvieren 40 Unterrichtseinheiten innerhalb von fünf Tagen.

Sind das rein theoretische Schulungen oder machen Sie da auch Praxisübungen?

In der Regel unterweisen wir die Handwerksmeister theoretisch. Denn die Zielgruppe sind Unternehmer und Führungskräfte. Die eigentliche Praxis ist für diese gelernten Dachdecker keine Hürde. Sie lernen schon in der Ausbildung, wie sie Photovoltaikanlagen montieren müssen. Das ist ein Teil unseres Ausbildungsberufs. Es geht dabei darum, sie mit der elektrotechnischen Seite der Photovoltaik vertraut zu machen. Da viele Betriebe mit Elektrotechnikern kooperieren, können sie dann als elektrotechnisch unterwiesene Person mit einem Stecker und mit einem Modul umgehen. Danach kommt die Schnittstelle zur Elektrotechnik, wo der Elektrotechniker den eigentlichen Anschluss der Anlage übernimmt.

Welche Inhalte werden konkret vermittelt?

Zunächst lernen die Handwerker alle Grundlagen kennen. Denn die Photovoltaik wird kein vorübergehendes Phänomen sein, sondern sie ist ein Teil dessen, was uns in der Zukunft begegnet: der Energiewende. Deshalb erfahren die Handwerker alles über die regulatorischen Grundlagen wie das Baurecht, den Brandschutz, die Statik, aber auch steuerliche Aspekte. Es geht auch darum, Grundlagen im Bereich Elektrotechnik zu vermitteln. Im Anschluss lernen die Handwerker die einzelnen Montagevarianten und die dazugehörigen Systeme kennen: Aufdach, Indach, Flachdach, Steildach und zunehmend auch die Montage an der Fassade.

Was lernen sie dabei?

Sie erfahren, was alles zur Beratung eines Kunden bezüglich Photovoltaik dazugehört und wie sie diese auch mit digitalen Tools umsetzen. Wir gehen ebenso in den Prozess der Kalkulation einer Solaranlage hinein. Insgesamt sehen wir es als Unternehmensseminar, in dem wir den Betriebsinhabern zeigen, wie sie das Thema Photovoltaik in ihren betrieblichen Ablauf einbinden können.

Welche Fragen stellen die Handwerker bei den Schulungen?

Immer wieder wird die Frage gestellt: Wer darf was auf dem Dach? Was dürfen die Dachdecker, wer darf generell die Photovoltaikanlage auf dem Dach montieren und wie weit dürfen wir als Dachdecker gehen? Brandschutz ist immer wieder ein Thema! Es tauchen auch immer wieder Fragen zur Statik und immer häufiger Fragen zur Montage von Solaranlagen an Fassaden auf. Ein sehr wichtiges Thema ist aber auch die Absturzsicherung. Und natürlich, wer was darf und wie wir unsere Mitarbeiter auf der Baustelle im Bereich Elektrotechnik (EuP) unterweisen können.

Mit der Absturzsicherung müssten Dachdecker aber doch vertraut sein?

Mit der Photovoltaikanlage und auch mit dem Gründach wird dies komplexer. Die Dachdecker sehen das Dach immer ganzheitlich. Wir betrachten nicht die Photovoltaikanlage losgelöst vom Dach, sondern als Bestandteil des Daches. Daraus ergeben sich Konsequenzen. So müssen auf einem Industriedach einmal im Jahr die Abflüsse gereinigt werden. Ein Gründach muss regelmäßig gepflegt werden. Sehr oft steht auch noch Technik auf dem Dach, Klimageräte, Lüftungsanlagen oder Wärmepumpen, die auch regelmäßig gewartet werden müssen. Dazu kommt noch die Wartung der Solaranlage. Hierfür arbeitet man meist näher an den Dachrändern, da die Fläche des Daches ausgenutzt wird. In solchen Fällen reichen Einzelanschlagspunkte für die Absturzsicherung nicht mehr aus. Hier ist im Sinne des Arbeitsschutzes dann eine kollektive Absturzsicherung, entweder über Seilsysteme oder mit Geländer, notwendig.

Sie haben vor einigen Monaten auch noch eine innovative Materialgarantie eingeführt. Wie viele Produkte sind denn inzwischen zertifiziert?

Bislang hat ein Hersteller für ein Produkt diese innovative Materialgarantie erworben. Das wird von den Herstellern sehr gut angenommen, wir haben aktuell noch sehr viele Anfragen in der Bearbeitung, aber keine weitere innovative Materialgarantie ausgestellt. Das liegt unter anderem auch an dem Aufwand des Verfahrens.

Wobei geht es bei dieser Zertifizierung?

Das sind Materialgarantien für Indach-Solarsysteme. Denn diese benötigen einen speziellen Nachweis. Da geht es um deren Eigenschaft als harte Bedachung, also den Brandschutz und die Regensicherheit der Systeme. Das ist auch für unsere Händler wichtig. Denn sie vertreiben vorrangig Produkte, die eine möglichst hohe Sicherheit bieten. Wir bewegen uns mit diesen Systemen nämlich außerhalb der anerkannten Regeln der Technik.

Welche Produkte kommen für die Zertifizierung überhaupt infrage?

Zunächst einmal konzentrieren wir uns auf dachintegrierte Systeme, können das aber im Bedarfsfall durchaus ausweiten. Für die Elektrotechnik gibt es sowohl für Aufdachsysteme als auch für dachintegrierte PV-Anlagen anerkannte Regeln der Technik, wie zum Beispiel die VDE-Regelungen. Die Montage von Solaranlagen auf dem Dach ist unter anderem auch in unserer Fachregel des Deutschen Dachdeckerhandwerks geregelt. Bei den neuen, innovativen dachintegrierten Solaranlagen gibt es jedoch keine einheitlichen Regeln, das liegt unter anderem daran, dass es so viele unterschiedliche Systeme gibt, die man nicht eindeutig regeln kann. Das muss man dann jeweils individuell bewerten. Und für diese Fälle greift die innovative Materialgarantie. Damit füllen wir die vorhandene Lücke auf.

Greifen Dachdecker lieber auf die zertifizierten Produkte zurück, oder ist das eher eine zusätzliche Sicherheit?

Nicht nur für die Dachdecker, auch für den Handel ist die innovative Materialgarantie wichtig. Schließlich bietet das Zertifikat die höchste Sicherheit, die wir momentan gewährleisten können, insbesondere da es sich bei diesen innovativen Systemen nicht um eine anerkannte Regel der Technik handelt.

Was bedeutet das?

Einige Hersteller kommen nicht aus dem klassischen Dachdeckerbereich, sondern beispielsweise aus der Elektrotechnik, wodurch sie ihre Produkte aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Dabei stehen häufig Design und die Leistungsfähigkeit der Module im Vordergrund. Aspekte wie Regensicherheit, öffentliches Baurecht oder Brandschutz werden hingegen nicht immer vollständig berücksichtigt. Dieser Zertifizierungsprozess dient hier als wichtige Orientierungshilfe und ermöglicht es den Herstellern, bereits während der Entwicklung ihrer Systeme die notwendigen Anforderungen gemeinsam mit uns zu berücksichtigen.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

Da Solaranlagen gewartet ­werden müssen, sind ­kollektive Absturzsysteme ­vorgeschrieben. Eine Lösung sind Schienen­systeme, die ins Montagesystem integriert werden.

Foto: Velka Botička

Da Solaranlagen gewartet ­werden müssen, sind ­kollektive Absturzsysteme ­vorgeschrieben. Eine Lösung sind Schienen­systeme, die ins Montagesystem integriert werden.
Die innovative Materialgarantie bietet Sicherheit für die Handwerker und den Großhandel.

Foto: Velka Botička

Die innovative Materialgarantie bietet Sicherheit für die Handwerker und den Großhandel.

Autor

Michael Zimmermann
ist Dachdeckermeister und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Dachdeckerhandwerk und Photo­voltaik. Er ist seit 2017 Vize­präsident im Zentralverband des Deutschen Dachdecker­handwerks (ZVDH) zuständig für Fachtechnik und Digitalisierung. Als stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesbildungszentrums des Deutschen Dachdeckerhandwerks (BBZ) hat er die Weiterbildung für die Dachdecker in Sachen ­Photovoltaik maßgeblich mitentwickelt.

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