Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Webinar

Montage optimal geplant

Über 240 Teilnehmer haben gespannt den Ausführungen der Referenten des Webinars „Standsichere Flachdachanlagen planen und installieren“ gelauscht, das der Hersteller von Montagesystemen Ernst Schweizer zusammen mit photovoltaik veranstaltet hat. Zunächst hat Hans Ruscheweyh die Grundlagen der Aerodynamik auf dem Dach umrissen.

Der Windexperte hat sich mit seiner Beratungsfirma – der Ruscheweyh Consult – auf die Gebäudeaerodynamik spezialisiert und kennt die teils kraftvollen Spiele des Windes auf dem Dach genau. Das ist wichtig bei der Auslegung einer standsicheren Solaranlage. Man kann zwar viel mit Planungstools abdecken, doch wenn man dort mit den falschen Ansätzen arbeitet, kann auch das beste Planungswerkzeug nicht die besten Ergebnisse liefern.

Grundregeln für Windlasten beachten

Hier sind ein paar Grundregeln wichtig, um eine optimale Anlage auf dem Dach auszulegen. Deshalb ist es entscheidend zu wissen, wie der Wind wo und in welcher Stärke angreifen kann. „Viele gehen davon aus, dass sie immer mit einheitlichen Werten für die Windlast rechnen können“, weiß Ruscheweyh. „Das hängt allerdings von vielen verschiedenen Einflussfaktoren ab. Dazu gehören nicht nur der Modulwinkel, die Modulgröße, die Anordnung der Module oder die Reihenabstände vom Dach. Wichtige Einflussfaktoren sind auch die Abstände von der Gebäudewand, die Umgebungsbebauung, Störflächen, Windschutzflächen auf der Rückseite der Modulreihen und das Unterstützungssystem.“

Großer Randabstand hat kaum Effekt

Eine wichtige Größe ist die Form des Gebäudes – genauer gesagt der Dachkante. Der Wind verhält sich an einer scharfen Dachkante anders als an einer abgerundeten. An der Dachkante löst die Windströmung ab, strömt nach oben, verwirbelt und legt dann aufgrund des Unterdrucks wieder an der Dachoberfläche an. Wenn Solarmodule auf dem Dach stehen, ist die Wind­situation etwas anders. Die Solaranlage verändert die Strömung. Steht sie nahe an der Dachkante, strömt der Wind das erste Modul direkt an. Es entsteht eine hohe Druckbelastung, während die Strömung auf der Oberkante des Moduls abreißt und dort einen Unterdruck erzeugt.

Dieser Unterdruck zieht die Strömung nach unten. Sie läuft dann mehr oder weniger parallel über die anderen Module hinweg. „Ist der Abstand von der Gebäudewand größer, reißt die Strömung natürlich wieder an der Dachkante ab. Der damit verbundene Unterdruck zieht die Strömung nach unten und trifft die erste Modulreihe wieder mit voller Stärke, sodass die Windlasten dort wieder ansteigen und stärker sein können als bei einer Position in der Nähe des Dachrandes“, erklärt Hans Ruscheweyh mit Blick auf die Reaktion der Planer, dann mehr Platz zur Dachkante zu lassen. „Das Zurücksetzen der ersten Modulreihe hat also überhaupt keinen Vorteil, im Gegenteil, das wäre ein fataler Fehler.“ Das sollte der Planer beachten, bevor er eine Anlage aufgrund hoher Windlasten zu weit von der Dachkante weg auslegt, in der Annahme, dadurch den Kräften des Windes zu entgehen.

Höhensprünge beachten

Ähnlich verhält es sich mit Störflächen in der Anlage wie Dachfenster, Lüftungs- oder Klimaanlagen und ähnliche Dachaufbauten. Dann strömt der Wind zunächst über die Anlage und wird an der letzten Modulreihe vor der Störfläche durch den Unterdruck nach unten gezogen. Dadurch wird das erste Modul nach der Störfläche wieder einer höheren Windkraft ausgesetzt. Das Gleiche passiert, wenn die Dachfläche Höhensprünge aufweist. Dann sind die ersten Module nach diesem Höhensprung wieder den gleichen hohen Belastungen ausgesetzt wie die Module, die direkt an der Dachkante stehen.

Auch die Ausrichtung des Gebäudes zur vorherrschenden Windrichtung und die Positionierung der Anlage auf dem Dach sind entscheidend. „Wenn der Wind sehr schräg auf die Ecke des Gebäudes strömt, entsteht ein Vorderkantenwirbel“, sagt Hans Ruscheweyh. „Dieser rotiert über das Dach nach rechts und links und erzeugt einen lokalen Unterdruck. Die Module werden dann wechselseitig immer wieder mit diesen Unterdrücken belastet. Dadurch werden die Module in der Regel höher belastet, als wenn der Wind direkt über die Dachkante strömt.“

Auch das erfährt der Planer nicht von der Auslegungssoftware. Sie berechnet ihm zwar eine optimale Ballastierung für das Projekt. Doch ob die Positionierung auf dem Dach auch hinsichtlich der Lasten die beste ist, kann sie nicht berücksichtigen. Hier ist das Fachwissen des Planers gefragt.

Attika hat geringe Wirkung

Das gilt auch für den Nutzen einer Attika. „Ihr Beitrag zur Windlastminderung ist nur sehr begrenzt“, erklärt der Windexperte. „Unter einer Höhe von 30 Zentimetern bringt sie überhaupt nichts. Eine höhere Attika bietet zwar einen Schutz für die erste Modulreihe, doch die Strömung reißt an der Oberkante der Attika ab und es entsteht ein sehr großes Unterdruckgebiet hinter der Attika, das die Strömung wieder nach unten zieht. Der Wind legt sich so mit voller Wucht auf die zweite, dritte und vierte Modulreihe, die dadurch stärker belastet sind. Die Belastung verschiebt sich also durch die Attika vom Rand in die Anlage hinein.“

Im Verbund belastbarer

Insgesamt mindert zwar die Attika die Belastung der Module, aber nicht so stark, wie immer vermutet wird. „Versprechen Sie sich nicht zu viel von der Attika“, ist diesbezüglich das Resümee von Hans Ruscheweyh. Weiterhelfen kann vor allem die Verbundwirkung durch die Kopplung der einzelnen Modulreihen und Anlagenteile untereinander. Ein solcher Gruppeneffekt kann die Kräfte aus einem Feld auf ein anderes übertragen. „Hier muss der Planer aber am Rand aufpassen. Denn dort hat das Element nur einen Nachbarn, der mitträgt. Der andere fehlt natürlich. Dort wird der Handwerker etwas mehr ballastieren müssen“, erklärt Ruscheweyh.

Das bilden allerdings die Planungswerkzeuge schon sehr gut ab. „Denn wir haben diese Erkenntnisse auf unser Montagesystem MSP übertragen und wenden sie bei der Planung von Solaranlagen auf Flachdächern an“, erklärt Hanspeter Weiss. Er ist Leiter der Abteilung Konstruktion und Entwicklung bei der Ernst Schweizer AG und hat an der Entwicklung der Auslegungssoftwar Solar Pro Tool von Ernst Schweizer mitgewirkt.

Alle Normen berücksichtigt

Hier sind alle gängigen Normen berücksichtigt. Weiss verweist unter anderem auf die Eurocodes EN 1990 bis EN 1999 zur Bemessung von Tragwerken und das Schweizer Pendant SIA 260 bis 267 sowie die nationalen Anhänge an die europäische Norm, in denen die Wind- und Schneelastzonen definiert sind.

Dazu kommen noch weitere nationale Vorschriften wie die Musterverwaltungsvorschrift „Technische Baubestimmungen“ für Deutschland oder die Önorm in Österreich. Ernst Schweizer hat natürlich auch die Merkblätter des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) mitberücksichtigt.

Hier geht es nicht nur um die Hinweise zur Standsicherheit von Solaranlagen, sondern auch um die Berücksichtigung von Windlasten in verschiedenen Dachbereichen. „Allerdings sind die dort vorgegebenen Werte für klassische Aufständerungen zwischen 30 und 60 Grad zuverlässig und praxistauglich, für aerodynamisch optimierte Ost-West-Systeme mit geringeren Aufständerungen jedoch viel zu hoch“, sagt Hanspeter Weiss.

Layout spielt eine wichtige Rolle

Anhand einiger Beispiele hat er gezeigt, wie sich die Windlasten auf dem Dach verteilen und wie sich die verschieden ausgerichteten Anlagen hier verhalten. „Dachform und Randabstand haben einen eher geringen Einfluss. Hier ist das Layout des Modulfeldes relevanter für den Ballastierungsbedarf“, erklärt Weiss. „Auch Dachaufbauten sind wichtig. Denn es gibt nicht nur Windverschattungen, die sich günstig auswirken, sondern häufig auch noch Windbeschleunigungseffekte, die dann zu höheren Lasten führen.“

Mindernd auf die notwendige Ballastierung wirkt sich vor allem die Verbundwirkung von ganzen Anlagenteilen aus. „Die höhere Stabilität von Gruppen ist darauf zurückzuführen, dass die Windspitzen lokal begrenzt sind und nicht zeitgleich auf eine große Fläche einwirken“, erklärt Weiss. „Wir haben unser System bei unterschiedlicher Ballastierung in verschiedenen Zonen innerhalb der Anlage ausgemessen, um zu ermitteln, wie viel Zuglast von den benachbarten Anlagenteilen mitgetragen wird.“

Die ganzen Berechnungen der Ballastierung der Anlage in Abhängigkeit von den Wind- und Schneelasten und der Tragfähigkeit des Daches muss der Planer natürlich längst nicht mehr mühevoll selbst bewerkstelligen.

Niemand wird monatelang die Windlasten auf dem Dach messen. Das ist längst in die Auslegungssoftware eingeflossen. Wie mit dem Solar Pro Tool von Ernst Schweizer eine Anlage ausgelegt wird, hat Jens Helmich praktisch an einem konkreten Beispiel gezeigt.

Standort des Gebäudes ist entscheidend

Er ist Vertriebsingenieur bei Ernst Schweizer und kennt das MSP-System des Herstellers aus Hedingen im Kanton Zürich ganz genau. Schließlich hat er schon an der Entwicklung des Systems bei Hilti Solar mitgewirkt, bevor es Ernst Schweizer übernommen hat. Die Planung erfolgt grundsätzlich in drei Schritten. Zunächst wird das Objekt mit allen standortabhängigen Einwirkungen wie Gebäudegeometrie, Gebäudehöhe, Gebäudestandort und Layout der Anlage aufgenommen.

Hier gibt es noch einige Dinge zu beachten. „So spielt natürlich auch die Topografie rund um das Gebäude eine Rolle, die manchmal schwierig einzuschätzen ist. Dann lohnt es sich, die lokalen Baubehörden zu kontaktieren, um die richtigen Kategorien für die Schnee- und Windlastzonen auszuwählen“, rät Hanspeter Weiss. „Wichtig vor allem bei niedrigeren Gebäuden, die in städtischen Ballungsgebieten von größeren Gebäuden umgeben sind: Hier muss der Planer auch Kanaleffekte einbeziehen. Denn der Wind beschleunigt um die Hochhäuser herum, sodass dort nicht das Windgeschwindigkeitsprofil der eigentlichen Dachhöhe genommen werden darf.“

Richtige Module und Beiwerte angeben

Aber auch die Anlage selbst spielt eine große Rolle. Deshalb muss der Planer zwingend auch die Module eingeben, die verwendet werden. „Denn die Module haben eine Eigenlast und jeweils eine bestimmte Länge und Breite, die sich auf die Windlasten und vor allem die daraus resultierende Ballastierung auswirken“, betont Jens Helmich. „Die Module wählt der Planer direkt aus einer hinterlegten Liste aus, in die etwa 3.000 verschiedene Paneele integriert sind.“ Sollte ein Modul doch mal nicht in der Liste vorhanden sein, können die Ingenieure bei Ernst Schweizer dieses Paneel auch mit den angegebenen Maßen manuell einfügen.

Das ist bei der Eingabe der Reibbeiwerte der Dacheindeckung anders. Die Beiwerte einiger Dachmaterialien sind hier schon hinterlegt. Der Planer kann aber auch selbst gemessene Reibbeiwerte eintragen. Hans Ruscheweyh weist darauf hin, dass hier nicht die Haftreibungsbeiwerte relevant sind, sondern die Gleitreibungsbeiwerte. Denn diese beschreiben die Standfestigkeit, wenn die Haftreibung bereits überwunden ist und die Anlage bei starkem Wind vibriert.

Dämmmaterial berücksichtigen

Auch die Dämmung muss der Planer kennen. „Denn die Anlagen werden in der Regel auf gedämmten Dächern errichtet“, erklärt Jens Helmich. „Hier müssen die maximalen Grenzwerte für die Auflagepressung und die langfristige Belastung der Dämmung eingehalten werden. Die Dämmstoffhersteller geben in der Regel vor, dass die Dämmung maximal um zwei Prozent eingedrückt werden darf. Deshalb ist hier die Angabe der Dauerdruckfestigkeit relevant, die der Planer nicht mit der Druckspannung verwechseln darf.“

Wenn alles eingegeben ist, berechnet die Software die Lasten und Kräfte über alle Windrichtungen und ermittelt die notwendige Ballastierung inklusive deren Verteilung auf dem Dach. Diese kann der Planer im Anschluss als Bericht inklusive Stückliste ausgeben. Damit hat der Handwerker auf dem Dach einen detaillierten Bauplan für die Anlage inklusive eines Ballastierungsplans. Wie die Anlagen in den einzelnen Schritten konkret ausgelegt werden, können Sie in der Aufzeichnung des Webinars gut nachvollziehen, die Sie auf der Website der photovoltaik finden. Ernst Schweizer bietet auch separate Schulungen zur Nutzung des Solar Pro Tools an.

Die Planungssoftware rechnet präzise aus, wo genau die Ballastierungen aufgelegt werden müssen.

Foto: Velka Botička

Die Planungssoftware rechnet präzise aus, wo genau die Ballastierungen aufgelegt werden müssen.