Die Berliner Softwareschmiede Valentin und das Fachportal Solar Age haben gemeinsam eine Anleitung zur Planung von Fassadenanlagen aufgelegt. Als Vorbild diente die vorgehängte Solarfassade (ausgerichtet nach Süden) am Bürogebäude des Gentner Verlages im Stuttgarter Westen.
Dort wurden im Spätsommer 2017 vertikal 25 monokristalline Glas-Folie-Module Nemo 60M 275 Black von Heckert Solar angebracht. „An der Südfassade und dem Vordach, die unverschattet sind, haben wir insgesamt 14 Kilowatt installiert“, berichtet Architekt Errol Munding von Munding Architekten. „Auf dem Dach haben wir polykristalline Module verbaut, an der Fassade monokristalline Module.“
Fassade ohne abZ
Weil die Fassade unten an ein Vordach anschließt, findet kein Personenverkehr unter den Fassadenmodulen statt. Deshalb war es möglich, bei den Modulen auf die bauaufsichtliche Zulassung (abZ) zu verzichten.
Südfassade und Vordach ergänzen die beiden deutlich größeren Dachanlagen auf zwei Schrägdächern gen Osten und Westen. Insgesamt wurden 55 Kilowatt nebst Gewerbestromspeicher installiert.
Die erste Solarfassade im Stuttgarter Stadtgebiet bereitete kaum Probleme, weder bei der Planung noch bei der Ausführung. Eine solaraktive Fassade stellt die Planer eigentlich kaum vor besondere Herausforderungen, vor allem wenn die Montagegestelle nur für die Anbindung der mechanischen Lasten im Baukörper verankert werden. Als vorhängte Kaltfassade war nur auf Wärmebrücken bei der Durchdringung der Außendämmung zu achten, nicht auf die flächige Einbindung in die thermische Hülle.
Lediglich bei der Montage selbst wurde es knifflig, wie Errol Munding erläutert: „Zum einen waren die Fassaden nicht gerade, sie wichen bis zu 15 Zentimeter vom Lot ab. Das mussten wir mit dem Gipser durch die Dämmung ausgleichen.“
Knifflige Montage
Zudem kann man die Photovoltaikmodule an der Fassade erst montieren, wenn das Gerüst abgebaut ist. „Zuerst muss man die Fassade dämmen, verputzen und streichen“, meint Munding. „Am Schluss – nach dem Abbau des Gerüsts – braucht man zur Montage der Fassadenmodule einen Steiger.“
Die Halterungen für das Fassadengestell gehen durch die Dämmung (Mineralwolle) hindurch. „Das muss genau ausgemessen und vor Ort geplant werden“, kommentiert der Architekt. „Falls die Wand nicht gerade ist, ragen die Halter unter Umständen nicht weit genug aus der Dämmung heraus. Es kann passieren, dass sie zwar oben stimmen, aber in der Mitte in der Dämmung verschwinden oder umgekehrt.“
Auf Überraschungen gefasst
Beim Neubau ist das nicht so wichtig, dort werden die Wände normalerweise ordentlich ausgerichtet. „Aber beim Altbau muss man auf alle Überraschungen gefasst sein – wie das Gebäude des Gentner Verlages beweist.“
Das Gebäude befindet sich in der Forststraße 131 in 70193 Stuttgart, die Solaranlage hat die Fachfirma Novatech aus Wolpertshausen geplant und gebaut. Unterstützt wurde das Projekt von den Stuttgarter Stadtwerken, die als Generalauftragnehmer für die Solaranlagen fungierten.
Die Solarfassade wurde mithilfe des Auslegungsprogramms PV Sol Premium von Valentin Software geplant. Problemlos lässt es sich nicht nur auf Dachanlagen, sondern auch auf vertikal montierte Module anwenden.
Temporäre Verschattung
Aber: Es gibt nach wie vor Barrieren, derartige Fassadenanlagen zu errichten. Dabei spielen nicht zuletzt ästhetische Überlegungen eine Rolle und ebenso gewisse Unsicherheiten hinsichtlich des zu erwartenden Ertrags.
Fassadenanlagen sind konstruktionsbedingt immer temporärer Verschattung ausgesetzt. Selbst eine direkt nach Süden ausgerichtete Anlage ist typischerweise am Morgen und in den Abendstunden verschattet – durch das Gebäude selbst.
Bei der Planung leisten der 3D-Editor und die detaillierte Verschattungsanalyse von PV Sol Premium wertvolle Dienste. Der Leitfaden auf der Website von Solar Age zeigt exemplarisch, welche Schritte der Planer im Programm wählen muss, um die Anlage auszulegen und die Erträge zu prognostizieren.
Zunächst ist die reale Verschattung durch umliegende Objekte von großer Bedeutung. Die Fassade in Stuttgart ist weitgehend frei, ohne störenden Schattenwurf aus der Nachbarschaft.
Die Navigation innerhalb der Software erfolgt anhand einer Icon-Leiste, welche die einzelnen Planungsschritte repräsentiert. Zu Beginn werden projektbezogene Daten wie Kundendaten, Adresse der Anlage sowie eine Projektbeschreibung eingegeben.
Im nächsten Schritt werden die gewünschte Anlagenart, die Planungsart sowie die Klimadaten des Standorts gewählt. Die Software bietet die Möglichkeit, folgende Anlagenarten zu simulieren:
- netzgekoppelte Anlage,
- netzgekoppelte Anlage mit elektrischen Verbrauchern,
- netzgekoppelte Anlage mit elektrischen Verbrauchern und Batteriesystem,
- netzgekoppelte Anlage mit elektrischen Verbrauchern und Elektrofahrzeugen,
- netzgekoppelte Anlage mit elektrischen Verbrauchern, Elektrofahrzeugen und Batteriesystem,
- netzautarke Anlage,
- netzautarke Anlage mit Zusatzgenerator.
Zwei- oder dreidimensional
Bei der Auswahl der Planungsart wird entschieden, ob zur Auslegung der Photovoltaikanlage eine 2D- oder 3D-Planung verwendet wird. Im vorliegenden Fall ging es um eine netzgekoppelte Photovoltaikanlage mit elektrischen Verbrauchern und Batteriesystem. Die Planung wurde dreidimensional simuliert.
Die Klimadaten wurden über die Schnellauswahl des Standorts ausgewählt. Zudem werden zusätzliche Informationen angezeigt, wie die Jahressumme der Globalstrahlung oder die Koordinaten.
Darüber hinaus besteht im Meteosyn-Modul die Möglichkeit, Klimadaten aus einer Karte auszuwählen, neue Klimadatensätze zu importieren oder zu erstellen. Auf der Navigationsseite „Verbrauch“ wurden die elektrischen Verbraucher definiert, die von der Solaranlage gedeckt werden sollen. PV Sol bietet vordefinierte Lastprofile oder der Planer kann gemessene Lastgänge importieren.
Ein Ausschnitt aus Google Maps
Grundlage der eigentlichen Anlagenplanung und 3D-Visualisierung war ein vorliegender Kartenausschnitt aus Google Maps. Nach Einlesen und Skalieren des Kartenmaterials war zunächst der Grundriss des zu belegenden Objektes durch ein Polygon zu kennzeichnen. Darauf wurden Traufhöhe und Dachneigung eingegeben und extrudiert. Alle weiteren relevanten Objekte, die zur Verschattung beitragen konnten, wurden analog erstellt.
Als Nächstes wurden Sperrobjekte und verschattende Objekte auf der zu belegenden Fassade definiert. Auf der Fassade des Verlagsgebäudes befinden sich sechs Fenster, die man in der Objektansicht hinzufügen konnte. Wenn dem Planer ausreichend Zeit zur Verfügung steht, kann er wahlweise eigene Texturen (Wellblech auf Vordach) importieren. Im Fenster „Modulbelegung“ wurde das Modul aus der Datenbank gewählt und die Fassade damit bestückt.
Per Drag-and-drop platzieren
Einzelne Module lassen sich per Drag-and-drop platzieren, zuvor definierte Teilflächen sowie die gesamte Fassade mit Modulen belegen. Um die Ansicht möglichst realistisch zu gestalten, besteht die Möglichkeit, die Modultexturen manuell anzupassen.
Im Prinzip entspricht die weitere Auslegung dem Prozedere der Planung von Dachanlagen, nur mit senkrechter Modulmontage. Knackpunkt ist eher die statische Auslegung des Fassadensystems, als statischer Nachweis im Einzelfall gemäß DIN 18008. Am Gentner Verlag wurde das Montagegestell von Schletter verwendet. Die Ingenieure von Schletter rechneten die Lasten speziell für diesen Fall, um die Anlage sicher und dauerhaft am Gebäude zu verankern.
Ein zweiter Punkt war die Frage, wo die Hauptleitung ins Gebäude geführt wird. „Dafür haben wir einen stillgelegten Kamin genutzt, ebenso für die DC-Leitung von der Fassadenanlage“, erzählt Architekt Errol Munding. „In der früheren Druckerei, die heute als Lager genutzt wird, haben wir die Wechselrichter und die Stromspeicher installiert.“
Koordination der Gewerke
Außerdem wurden an der Außenwand unter dem südlichen Vordach zwei Wallboxen montiert. Eine besondere Herausforderung bei einer Gebäudesanierung mit neuer Solarfassade ist die Koordination der Gewerke am Bau. „Am Verlagsgebäude waren es sieben verschiedene Gewerke“, rechnet Errol Munding vor. Am Neubau sind es zwischen zwölf und 15. „Normalerweise sollten sie wie die Finger von zwei Händen ineinandergreifen. Aber meistens fehlt ein Finger und es klappt doch nicht ganz so reibungslos. Der Hauselektriker beispielsweise hatte keine Kapazitäten frei. Da mussten wir auf eine Firma wechseln, die das Gebäude noch nicht kannte.“