Günter Seel mag die Farbe Blau. So sehr, dass er sie in den Namen seiner Firma eingebaut hat: Smartblue. Blau steht dabei für eine Energieerzeugung ohne Emissionen. Seel ist Vorstand der 2010 gegründeten Firma aus München. Ziel und Antrieb war es, mit einer intelligenten Überwachung eine günstige Wartung für Photovoltaikanlagen zu entwickeln. Und zwar für die gesamte Lebensdauer der Anlage – also über die Zeit der 20 Jahre mit einer garantierten Einspeisevergütung hinaus.
Monitoring gilt in der Branche als Kostentreiber, das weiß auch Seel. Deshalb muss die Überwachung künftig so weit wie möglich automatisiert werden. Sich wiederholende manuelle Arbeitsschritte soll es nicht mehr geben. „Um gut 50 Prozent könnten die Gesamtkosten für das Monitoring dadurch reduziert werden“, sagt Seel. Auf diesen Wert ist der Unternehmer nach diversen Gesprächen und Umfragen mit Kunden gekommen.
500 Megawatt im Blick
In Deutschland wurden in den vergangenen Jahren rund 1,4 Millionen Photovoltaiksysteme installiert. Eine Analyse seines Unternehmens offenbarte Seel, dass ein beträchtlicher Anteil aller Anlagen deutlich unter dem Leistungsoptimum läuft. Smartblue verwendete dazu die veröffentlichten Systemdaten der Energieversorger. Die Ursachen für Ertragseinbußen sind unterschiedlich. Es gibt technische Fehler, ein Schatten liegt auf einem oder mehreren Modulen oder es kommt Schmutz auf die Module. Zudem begrenzt das fortschreitende Alter die Leistung der Module. Rund 15 Prozent aller Solaranlagen in Deutschland liefern einen Stromertrag von unter 750 Kilowattstunden pro installiertem Kilowatt, hat das Unternehmen errechnet. Das entspricht weniger als drei Viertel des Sollertrags. Derzeit betreut die Firma nach Seels Angaben europaweit eine Anlagenleistung von mehr als 500 Megawatt. Zwischen drei Kilowatt und zwölf Megawatt Leistung liegt die Spannweite.
Bei einem Portfoliobestand ab zehn Megawatt Solarleistung ließen sich immer mehr Arbeitsstunden durch Automatisierung einsparen. Techniker haben dann mehr Zeit draußen im Feld, um zu reparieren und Geld zu verdienen. „Der Techniker möchte nicht jede E-Mail über eine Fehlermeldung wegsortieren, sollte aber alle wichtigen Details im Blick haben und einsehen können“, beschreibt Seel.
Modulgenau überwacht
Ein Gründerfonds erkannte das Potenzial frühzeitig und investierte bereits Ende 2011 in das Start-up: „Ein sehr großer Teil der heute betriebenen Photovoltaikanlagen erbringt nicht die prognostizierte Leistung und die damit dem Betreiber versprochene Rendite“, erklärt Klaus Lehmann. Er ist Investmentmanager beim High-Tech Gründerfonds.
Ursache seien oftmals Module mangelhafter Qualität oder unzureichend gewartete Anlagen. „Uns hat überzeugt, dass mit den Produkten von Smartblue eine Solaranlage modulgenau überwacht werden kann. Fehler der Anlage können so schneller und genauer identifiziert werden“, sagt Lehmann.
Qualität immer wichtiger
Vor allem aufgrund des steigenden Anteils von asiatischen Modulen rückten die Themen Qualität und Anlagenperformance immer mehr in den Fokus. „Anlagen müssen heute kontinuierlich überwacht werden“, sagt der studierte Physiker Seel. Bevor er Smartblue mitgründete, hat er 20 Jahre beim Halbleiterausrüster Applied Materials gearbeitet. Das Unternehmen liefert an bekannte Hersteller wie Intel, AMD oder Infineon, die Spezialmaschinen für die Produktion von Mikroprozessoren und Speicherbausteinen bauen.
Zum Jahrtausendwechsel begeistert sich Seel bereits für die Photovoltaik. Mit dem gewonnenen Know-how bei der Automatisierung der Halbleiterproduktion wollte er helfen, die Technologie rentabel zu machen. Angenehm ruhig und präzise berichtet er von seinem Ausstieg aus der Halbleiterindustrie. Davon, dass er mehr wollte.
2010 hat er seine erste Photovoltaikanlage mit 15 Kilowatt Leistung auf ein Hausdach gesetzt. Und auch für das eigene Heim hat er ehrgeizige Ziele: Sonnenenergie soll künftig mithilfe einer Batterie und einer Wärmepumpe den gesamten Strom- und Heizbedarf decken. „Ich warte nur noch, bis die Batteriepreise weiter sinken“, verkündet er.
Einheitliches Datenmodell
In einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt namens PV-Smart erforscht das Unternehmen, wie weit die automatisierte Fehlererkennung gehen kann. Anfang 2016 sollen die Ergebnisse verkündet werden. Die Software der Firma heißt Smart Control und ist eine eigene Entwicklung. Sie sammelt die Daten aller Wechselrichterhersteller und Datenloggeranbieter ein. Ob über E-Mail und FTP sowie HTTP oder Modus TCIP, das Unternehmen verspricht, als Überwachungsspezialist jede Form der Datenanbindung über das Internet zum Portal Smart Control zu unterstützen. „Dann werden die Daten in ein einheitliches Datenmodell importiert“, beschreibt Seel. Von dieser Plattform aus kann die Betreiberfirma nun die Daten anschauen und gegebenenfalls entsprechend reagieren. Bisher sind es meist Techniker, die auf der Basis der bekannten Daten die Lage bewerten und auch eingreifen.
Algorithmen untersuchen die Messdaten laufend auf Fehler. Viele Monitoringsysteme seien meist auf die angeschlossenen Wechselrichter beschränkt, erklärt Seel. „Viele Fehler werden so allerdings nicht erkannt.“ Smartblue erfasst die Daten von Stromzählern, Sensoren und Stringmessgeräten.
Zudem werden die Wetterdaten über einen Satelliten ausgewertet. Jede Anlage wird außerdem entsprechend der Größe, Ausrichtung und Neigung individuell simuliert. So kann die Datenbasis ohne zusätzliche Hardware vergrößert werden – dank der Daten aus dem All. Diese regelmäßig errechneten Leistungswerte sind bis auf wenige Prozent genau und können dann als Vergleichswert herangezogen werden.
Zuverlässiger als Sensoren
Eine Ertragssimulation der Einstrahlungsdaten vergleicht Ist- und Sollzustand anhand von Wochen- oder Monatsdaten. Die Methode des Unternehmens arbeitet, da ist sich Seel sicher, zuverlässiger und kostengünstiger als herkömmliche Einstrahlungssensoren. Die Ertragssimulation werde dabei von externen Unternehmen unterstützt, berichtet Seel.
Es gibt jedoch reichlich Aufklärungsbedarf: Bei Anlagen, die vor Jahren installiert wurden, versprachen Installateure den Kunden, dass keine Wartung nötig sei, berichtet Seel. „Dadurch entstand eine schräge Erwartungshaltung.“ Die Kunden sind die Betriebsführer der Solaranlagen. Über ein Ticketsystem kann der Betriebsführer, aber auch der Besitzer der Anlage die Fehlermeldungen einsehen.
Bestandsanlagen bündeln
Bei kleinen Anlagen glauben viele der Besitzer oft an den Mythos, dass keine Wartung nötig sei. Doch das ist nicht richtig. Die Solarteure berichten Seel, dass sie deshalb die Serviceleistung nicht verkaufen können. Der Mehrwert durch das Monitoring muss klar kommuniziert werden.
Über die Kosten für das Monitoring hat die Münchener Firma Stillschweigen vereinbart. Der Preis liegt allerdings unter einem Euro pro Kilowatt Leistung und Jahr.
Die Software nützt besonders Betreibern, die eine Anlage nicht selbst gebaut haben. Wie beispielsweise Investoren, die in den letzten Jahren vermehrt Solarparks aufgekauft haben. Ohne Informationen über Erträge und die potenzielle Leistung der Anlage stehen die technischen Betriebsführer im Regen, wenn sie an Fondsmanager und Investoren berichten sollen. Sie brauchen genauere Daten.
Immer mehr Betreiber sind deshalb auf der Suche nach einem Leitstand, der alle Bestandsanlagen und Komponenten verschiedener Hersteller zusammenführen und bündeln kann. Darunter sind bereits Kunden aus der Schweiz, Österreich und Frankreich sowie Italien. „Wichtiger ist jedoch, dass die Zentralen der großen Anlagen- und Parkbesitzer in Deutschland liegen“, erklärt Seel. „Von dort strahlt das Geschäft dann aus.“
Nicht alles selbst machen
Ab zehn Megawatt Solarportfolio gibt es ein weiteres, aber anderes Segment, beschreibt Seel. „Hier haben wir es oft mit sehr heterogenen Photovoltaikanlagen zu tun.“ Das seien Anlagenbesitzer, die Photovoltaik verstehen, aber nicht mehr alles selbst machen wollten. Dennoch wollen sie die Kontrolle nicht verlieren. Der Kaufmann könne erst durch die einheitliche Darstellung sehen und entscheiden, wo genau Komponenten nachgebessert oder ausgetauscht werden müssen. Oder ob sich das im konkreten Fall noch nicht lohnt. So lässt sich beispielsweise eine Strategie ableiten, wann Wechselrichter ausgetauscht werden müssen.
Wo anfangen?
Doch wann lohnt eine Reparatur? „Stellen Sie sich eine Anlage im Megawatt-Leistungsbereich vor“, leitet Seel ein, „die mit Dünnschichtmodulen aus einer teilweise fehlerhaften Fertigungscharge bestückt sind.“ Von 20.000 Modulen sollen zehn Prozent, sprich 2.000 Stück, ausgetauscht werden. „Aber wo anfangen?“, fragt Seel. Das müsse man schon wissen.
Mit einer statistischen Analyse will er diese Frage beantworten. Das ist ein Forschungsvorhaben des Unternehmens. Wenn eine Anlage nur noch auf 60 oder 80 Prozent läuft, könnte sie optimiert werden. Unter der Voraussetzung, dass man weiß, was zu machen ist. „Das ist immer ein Spagat zwischen den Technikern und den Kaufleuten“, sagt Seel. Genau diesen Spagat möchte Smartblue möglichst gut hinbekommen.
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Smartblue
Schlaue Kontrolle
Neben der Software Smart Control bietet das Unternehmen eine grafische Veranschaulichung der Erträge an. Sie heißt Smart Monitor.
Smart Monitor bietet unter anderem:
- Informationen zur installierten Hardware
- Ertragstabelle für Vortag, aktuellen Monat und aktuelles Jahr
- ein Bild der Anlage
- Ertragsdiagramm des heutigen Tages, laufenden Monats sowie des laufenden Jahres
- Funktionsschema der installierten Solarmodule – benötigt Zusatzhardware
- das Logo und den Kontakt des zugeordneten Servicedienstleisters.