In einem olivgrünen Passivhaus in Hamburg-Harburg sitzt die Zentrale von Ensibo. Die Sonne scheint durch eine große Glasfassade auf den hellen Holzboden von Ulrich und Melanie von Borstel. Gut gelaunt blickt Ulrich von Borstel auf seine Entwicklung: die Software Solman. Sie unterstützt den jungen, leger gekleideten Unternehmer bei der täglichen Arbeit, der technischen Betriebsführung von Photovoltaikanlagen.
Die Sonne ist sein Metier. Der Geschäftsführer von Ensibo entwickelt den Solman seit 2011 zusammen mit dem Ingenieurbüro 8.2 Monitoring. Die Firma hatte bereits zuvor ein Produkt für Windenergieanlagen im Sortiment, als die Idee einer Zusammenarbeit mit Ensibo entstand. 100.000 Euro nahmen beide Firmen in der ersten Finanzierungsrunde in die Hand, mittlerweile stecken viele Mannjahre Entwicklung in der Software. Den Papierkram hielten alle Beteiligten klein; eine juristische Gesellschaft wurde nicht gegründet. Man kennt und vertraut sich seit Jahren. Der gelernte Mess- und Regelmechaniker von Borstel tüftelte mehrere Jahre an der Entwicklung – auch wenn Ensibo den kleineren Teil für die Kooperation bereitstellt. Er und seine Frau testen die Details der Software. „Das spart den Entwicklern Zeit, weil sie keine extra Testrunden drehen müssen“, sagt von Borstel. Ensibo liefert das Feedback eines Photovoltaikexperten.
Betriebsdaten, Tickets oder Meldungen und Stammdaten bilden die drei Säulen für das Programm. Die Qualität der gepflegten Daten sei dabei entscheidend, betont von Borstel. „Die Daten müssen in jedem System aktuell sein.“ Derzeit erstellt Ensibo gut 50 Berichte im Monat. Der Kernjob des Betriebsführers: eine Störung erkennen, entscheiden, ob ein Eingreifen nötig ist, und den richtigen Mann hinschicken. Elektropartner und Installateure erledigen den Job vor Ort.
Seine Vertragspartner klopft von Borstel genau ab, bevor er einen Vertrag aufsetzt. Er schaut auch gern mal unangekündigt vorbei, um nach dem Rechten zu sehen, berichtet er. Manchmal gibt es auch Sonnenwarte, die in der Nähe der Anlage wohnen. Die werden kurz eingewiesen, damit sie beispielsweise den Router für die Datenübertragung neu starten können. Größere Freilandanlagen oder auch einige Landwirte haben sogar Videokameras, die ebenfalls für eine Fernüberwachung genutzt werden können.
Störung erkennen und entscheiden
In 24 bis 48 Stunden beginnt Ensibo mit der Beseitigung des Problems. Das ist verbrieft. Wie schnell ein Fehler behoben werden kann, hängt dann von dem konkreten Problem ab. Bevor die Installateure vor Ort wieder abfahren, sollen sie kurz anrufen, erläutert von Borstel. Dann zeigt die Fernüberwachung, ob der Fehler beseitigt ist. Ansonsten heißt es: wieder zurück an die Arbeit. Die Techniker seien dann noch vor Ort. „Es geht nicht darum, den energetischen Höchstbetrag zu erreichen, sondern den wirtschaftlich maximalen Ertrag rauszuholen“, verdeutlicht er den Zweck einer Photovoltaikanlage für den Eigentümer. Mit einem Taschenrechner lasse sich schnell ausrechnen, dass die Reinigung einer Photovoltaikanlage in vielen Fällen ökonomisch keinen Sinn macht.
Wenig in Show investiert
Die Strategie für den Software-Zusammenschluss lässt sich wie folgt erklären: „8.2 ist ein anerkannter Gutachter, und Ensibo ist ein junges Unternehmen“, leitet von Borstel ein, „deshalb trägt das Produkt nicht den Namen von Ensibo.“ Zudem kaufen Wettbewerber eine Software lieber bei einem unabhängigen Gutachter als beim Wettbewerber. Das Programm kommt schlicht daher. „Wir haben wenig auf Show investiert“, sagt der Ingenieur.
Beliebte Spielereien, wie viel Kohlendioxid durch den Sonnenstrom gespart werde, gibt die Software nicht an. Seit Ende 2013 arbeitet nun ein weiterer Entwickler am Solman, um die Software weiter voranzubringen. „Im Sommer 2011 hatten wir den ersten Kunden für die technische Betriebsführung – einen Landwirt aus Schleswig-Holstein“, erinnert sich von Borstel und konkretisiert: „Der ist sehr pragmatisch veranlagt, und die Chemie zwischen uns stimmte.“ Der habe das Start-up bei anderen in der Region bekannt gemacht und ins Gespräch gebracht. Eine persönliche Empfehlung sei einiges wert. „Ensibo muss sich gegen die großen Wettbewerber behaupten“, berichtet von Borstel. Und Qualität und Leistung scheinen zu stimmen. Heute überwacht die Firma immerhin 28 Megawatt Solarleistung aus der Zentrale in Hamburg-Harburg. Einige der überwachten Anlagen stehen sogar in Italien – die Entfernung zur Anlage spielt dabei keine Rolle.
Nach der Lehre hängte von Borstel ein Studium für Anlagenbetriebs- und Versorgungstechnik dran. Vor der Selbstständigkeit sammelte er Expertise bei einem Hamburger Solarunternehmen: „Dort habe ich vier Jahre genau den Job gemacht, den ich nun mache“, erzählt von Borstel.
Zwei bis fünf Klicks zum Bericht
Die effiziente Erstellung von Kundenberichten trieb ihn schon damals um. Diese Vorgänge müssten möglichst standardisiert ablaufen. „Mit zwei bis fünf Klicks lassen sich Monatsberichte für die Kunden erstellen“, berichtet von Borstel. Ein Grund: Die Lebenslaufakte und die Stammdaten der Anlage sind hinterlegt, beispielsweise Seriennummer und Aufstellort des Wechselrichters. „Das kann enorm wichtig sein“, erläutert der gebürtige Hamburger. Mithilfe zahlreicher Fotos der Anlage und ihrer Bauteile kann er mit dem Installateur vor Ort über jede einzelne Platine sprechen. „Das sorgt gleichzeitig für Respekt beim Elektropartner vor Ort, der die Arbeiten an der Anlage ausführt“, schildert von Borstel.
Der zweite Chef von Ensibo ist seine Frau Melanie. „Wir arbeiten gern zusammen“, kommentiert von Borstel. Sie ist Jahrgang 1981 und gelernte Wirtschaftsingenieurin. Als seine Frau für einen schwedischen Maschinenbaukonzern von Hamburg nach Wien zog, zögerte er keine Sekunde. Seinem damaligen Vorgesetzten in Hamburg sagte er entschlossen: „Chef, wir gehen nach Wien.“ Weil der seinen Mitarbeiter unbedingt behalten wollte, konnte er drei Wochen im Monat im Wiener Homeoffice über Skype arbeiten. Nur eine Woche musste er in Hamburg sein, so war der Deal. Nach einem Jahr in Wien gründete er dann Ensibo. Vorerst begann er, das Unternehmen allein von Österreich aus aufzubauen. Seit 2012 engagiert sich auch Frau Melanie bei Ensibo. Täglich müssen die beiden Meldungen durchschauen und bewerten, was zu tun ist. Die Daten werden alle 15 Minuten aktualisiert. „Manchmal ist das richtige Detektivarbeit“, beschreibt von Borstel.
Im Fokus: Megawattanlagen
Der Schwiegervater von Ulrich von Borstel ist Landwirt, nur wenige Kilometer vom Arbeits- und Wohnort der Firma entfernt. Dort steht eine Referenz- und Übungsanlage mit 30 Kilowatt Leistung. Von Borstel hat sich jedoch Größeres vorgenommen: Im Fokus liegen Megawattanlagen, bei denen es lohne, einen Datenlogger zu installieren. Eine Anlage mit 500 Kilowatt Leistung ist derzeit die kleinste im Portfolio. „Bei kleineren Anlagen erbringen wir nur das Monitoring, keine vollständige Betriebsführung“, erklärt von Borstel.
Die beiden Betriebsführer arbeiten sieben Tage die Woche. „Meine Frau und ich gucken täglich in den Solman, ob es neue Meldungen gibt“, berichtet er. Nur nachts könne nichts passieren, denn dann arbeitet auch die Photovoltaikanlage nicht.
In den Urlaubsmonaten im Sommer ist allerdings Hauptsaison im Sonnengeschäft. Doch von Borstel genießt die Flexibilität, die ihm das eigene Unternehmen bietet. Die Arbeit am Abend oder am Wochenende schaufelt einen Dienstagvormittag für private Angelegenheiten frei.
Der Ingenieur lebt die Energiewende und Nachhaltigkeit – und seine Leidenschaft für erneuerbare Energien. Nicht umsonst befindet sich das Geschäftskonto bei der Genossenschaftsbank GLS aus Bochum. Eine Bank, die ökologische Geldanlagen anbietet, um nachhaltige Projekte zu finanzieren. Sie vergab auch den ersten Kredit für die Entwicklung des Solman. Der überschüssige Strom aus einer Photovoltaikanlage oder im Winter die Wärme aus einem Kamin speisen den Wärmespeicher im Wohn- und Bürogebäude. Während ein befreundeter Studienkollege sich bei einem norwegischen Ölkonzern um die Offshore-Technik für Ölbohrungen kümmert, optimiert von Borstel die Sonnenstromtechnik. Unterschiedlicher können zwei Karrierewege kaum verlaufen.
Isolationsfehler beobachten
Von Borstel beugt sich über den Rechner. Exemplarisch beschreibt er eine Fehlermeldung: ein Wechselrichter sei ausgefallen. Die blaue Linie, die die Leistung des Geräts anzeigt, geht steil nach unten. „Der Wechselrichter war acht Minuten aus und hat sich danach automatisch wieder zugeschaltet“, analysiert er. Vermutlich liegt ein Isolationsfehler vor, bei Feuchtigkeit machen sich Installationsmängel vermehrt bemerkbar. Der Wechselrichter werde nun in den nächsten Tagen genau beobachtet. „Gegebenenfalls muss ein Techniker die Strangverkabelung überprüfen und instand setzen, damit keine gefährlichen Spannungen zu Personenschäden führen“, sagt von Borstel.
Ein weiterer Vorteil der technischen Fernüberwachung: Die von den Versicherungen geforderte Angabe der Uhrzeit für einen Diebstahl lasse sich so ermitteln oder zumindest gut eingrenzen. Zudem vertritt Ensibo die Interessen des Anlagenbesitzers gegenüber dem Installateur. „Wir füllen beispielsweise die Formulare für Versicherungen aus“, sagt von Borstel. Zwei Module bei einem chinesischen Modulhersteller zu reklamieren, das mache keinen Sinn, einen ein Jahr alten Wechselrichter bei SMA zu beanstanden dagegen selbstredend. „Aber um den großen Graubereich dazwischen kümmern wir uns – mit Garantien und Gewährleistungen kennen wir uns aus und fordern die Ansprüche daraus für unsere Kunden ein“, sagt von Borstel.
Vier Euro pro Kilowatt
Die Betreuung hat ihren Preis: Die Jahrespauschale liegt bei rund vier Euro pro Kilowatt. Überwachen, kümmern und die Erstellung eines Monatsberichts sowie die jährliche Inspektion sind darin enthalten. „Diese Leistungen können wir sehr genau berechnen, und unsere Kalkulation ist zudem transparent“, sagt von Borstel. Durch einen Fragebogen werden zunächst 15 Angaben abgefragt, um die Kosten zu errechnen. Diese Rechnung lasse sich immer wieder reproduzieren, erklärt von Borstel. Das Beheben der Fehler wird nach Aufwand berechnet. Der Vorgang werde allerdings erst abgerechnet, wenn er abgeschlossen sei.
Der Schweizer Wetterdienstleister Meteomedia liefert die Wetterdaten für den Solman. Das Ziel sei es, nur noch über die Meldungsliste zu operieren. Der Prozess der Fehleranalyse müsse schnell gehen, deshalb seien so viele Prozesse wie möglich standardisiert, berichtet von Borstel. Beispielsweise hänge der Solman gleich eine Grafik an die Fehleranalyse an – auch Betreff, Text und ein Datenname werden bereits vorgeschlagen und können übernommen werden.
Die Festlegung von sogenannten Trends kann dabei falschen Fehlermeldungen vorbeugen, wenn beispielsweise Wolken vorbeiziehen. Der Trend muss so definiert werden, dass er die möglichen Fehlerquellen über Erfahrungswerte erkennt. Der Solman kann das. Dafür werde unter anderem die Ausgangsleistung der verschiedenen Wechselrichter konfiguriert. „Die Software vergleicht die Leistung über einen längeren Zeitraum, das ist mathematisch schon anspruchsvoll“, sagt von Borstel nicht ohne Stolz. Entscheidend ist aber, dass die falschen Meldungen deutlich verringert werden und weniger Fehlermeldungen im Posteingang bei Ensibo landen.
Nicht nur eine Kundennummer
Die Konkurrenz schläft indes nicht. Seit Jahren gibt es bereits andere Produkte am Markt: Meteocontrol aus Augsburg bietet den Safer’Sun; Skytron aus Berlin entwickelt den PV-Guard stetig weiter. „Die Wettbewerber punkten indes vor allem mit ihrer schieren Größe“, vergleicht von Borstel. Bei Ensibo gebe es keine Kundennummern. „Wir fühlen uns für den Betrieb der Kundenanlagen persönlich verpflichtet.“ Die Software von Ensibo sei auf dem aktuellen Stand der Technik und zudem herstellerunabhängig. Von Borstel ist überzeugt: „Das ist ein Vorteil, wenn man neu am Markt ist.“
Solman
Software ohne Papierordner
Der Betriebsführer kann mit der Software Solman die Photovoltaikanlage überwachen. Die Stammdaten der installierten Geräte wie Wechselrichter, Generatoranschlusskästen und Trafos sind hinterlegt, sodass der Betriebsführer ohne einen Papierordner auskommt. So werden mit wenigen Klicks aus dem Solman reproduzierbare Monatsberichte erzeugt. Erträge, Einstrahlungen, technische Verfügbarkeit werden dabei detailliert dargestellt. Auswertungen und Berichte können unabhängig von der Anlagenhardware einheitlich erstellt werden.
Die Software sammelt die Betriebsdaten aus den Datenloggern und von Wetterdiensten sowie von Energiezählern und der Haustechnik. Zusätzliche Hardware ist nicht nötig. Es werden alle relevanten Datenloggerhersteller und mehrere Zähler- und Wetterdienstleister eingelesen, darunter Weblog, Webbox, Skylog und Solarlog. Die Geräte, die Betriebsdaten erzeugen, wie Wechselrichter, Generatoranschlusskästen und Wetterstationen, werden beim ersten Kontakt zum Solman automatisch angelegt. Und zwar mit der Bezeichnung, wie sie im Datenlogger konfiguriert sind. Anschließend können alle Geräte zusätzlich eine beliebige Bezeichnung bekommen. Der Operator müsse dann nur noch die Fehlermeldungen analysieren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Über ein Ticketsystem werden Störfallmanagement, Inspektions- und Wartungseinsätze sowie Ersatzteilverbrauch dokumentiert. Zudem werde der Betriebsführer über bevorstehende Wartungen und andere Termine informiert.
Eine Beispielrechnung
Was die technische Betriebsführung leistet
Der Ausfall eines Zentralwechselrichters mit einer angeschlossenen Modulleistung von 250 Kilowatt und einer Einspeisevergütung aus dem Jahr 2010 von 33 Cent pro Kilowattstunde schlägt wie folgt zu Buche: Der tägliche Ertragsausfall in den Sommermonaten liegt bei rund 400 Euro. Der Ausfall eines Modulstrings beträgt 6,60 Euro pro Tag. Die Wartungskosten für das gesamte Jahr belaufen sich bei der Anlagengröße auf rund 1.000 Euro. Das entspricht nur etwas mehr als einem Prozent des Jahresertrags. Stellt man die Kosten den Ertragsausfällen gegenüber, entspricht das einem Ausfall des Wechselrichters von 2,5 Tagen oder eines Strings für rund fünf Monate.