Eigentlich hielt Jürgen Haar alias Elektron nicht viel von Photovoltaik. Als ausgebildeter Elektromeister hatte er Freunden immer davon abgeraten. „Das lohnt sich nicht“, war damals seine Meinung. Doch als er eines Tages auf Bitten seines Schwagers ein Angebot für eine Photovoltaikanlage durchrechnete, traute er fast seinem eigenen Ergebnis nicht. Es lohnt sich doch, so schien es. Darüber wollte er sich nun mit Kollegen unterhalten. Zunächst fand er aber niemanden, der sich auf diesem Gebiet auskannte, weder im Bekanntenkreis noch im Internet. Der Grund: Ende 2004 gab es schlichtweg noch kein Forum, in dem sich Photovoltaikinteressierte austauschen konnten. „Es gab damals zwar die Seiten der Hersteller“, sagt Haar. „Es gab aber keinen kritischen Meinungsaustausch dazu.“ Das sollte sich ändern. Nur ein paar Wochen später gründete Haar das Photovoltaikforum und war damit der Erste im deutschsprachigen Raum. „Es fingzunächst klein an“, sagt Haar. „Wir haben uns immer gefreut, wenn wir pro Tag einen neuen User hatten oder wenn mal eine Frage gestellt wurde.“ Der Ball kam mit der Zeit aber richtig ins Rollen. Immer mehr Interessierte fanden ihren Weg auf die Website, und ab Ende 2008 wurde es zu einem richtigen „Hype“, wie Haar sich ausdrückt. „Dann wussten wir irgendwann gar nicht mehr, wie wir es schaffen sollen, das alles zu verwalten. Wir haben jetzt oft über eine Million Seitenaufrufe pro Tag.“ In dieser Zeit musste sich Haar dafür entscheiden, entweder das Photovoltaikforum wieder zu schließen oder seinen Job bei einem namhaften Wechselrichterhersteller an den Nagel zu hängen. Er entschied sich für Letzteres.
Das Team
Mittlerweile besteht das Team des Photovoltaikforums aus vier festen Mitarbeitern. Neben dem Gründer Jürgen Haar sind noch ein Programmierer, ein Vertriebler und eine Sekretärin mit an Bord.Dabei handelt es sich allerdings nur um einen relativ kleinen Teil der aktiv am Forum beteiligten Personen. Ein gutes Dutzend ehrenamtlicher Moderatoren sorgt zusätzlich dafür, dass die Dinge im Forum nicht aus dem Ruder laufen. Der Löwenanteil der Arbeit wird allerdings von den Forenmitgliedern selbst verrichtet, meint Haar. Die Inhalte bestehen hauptsächlich aus sogenanntem User Generated Content. Über 620.000 Beiträge haben die Mitglieder bisher verfasst. Da kommt eine Menge Information zusammen, und die Übersicht zu behalten ist nicht immer ganz leicht.
„Wir lesen alle Beiträge sorgfältig durch“, sagt Heiko Römer, einer der freiwilligen Moderatoren, der schon seit dem Jahr 2006 mit dabei ist und den man im Forum unter dem Namen Helios kennt. „Erst mal ist die Aufgabe eines Moderators, darauf zu achten, dass die User respektvoll miteinander umgehen und dass alles im gesetzlichen Rahmen bleibt.“ Dass Beiträge ausarten, komme immer wieder vor. Dann werde auf die Netiquette verwiesen und die entsprechenden Einträge rigoros gelöscht. Beleidigungen und Schmähkritik sind im Forum streng tabu. Bei wiederholten Regelverstößen kann es auch vorkommen, dass ein User des Forums verwiesen wird und ein „virtuelles Hausverbot“ bekommt. „Dadurch, dass wir das von Anfang an so gemacht haben, müssen wir heute weniger moderieren als früher, obwohl wir jetzt mehr Mitglieder haben“, sagt Römer.
„Hinzu kommt, dass es manchmal nötig ist, doppelte Threads zusammenzuführen oder Beiträge in die richtige Rubrik zu verschieben. Diskussionen, die mit irgendeinem Thema begonnen werden, enden oft ganz woanders.“ Daher sollten sich auch die Moderatoren gut mit dem Thema Photovoltaik auskennen,meint Römer, der selbst Besitzer einer 14-Kilowatt-Anlage ist. „Das Moderieren macht wenig Sinn, wenn man von der Materie keine Ahnung hat.“
Die Bereiche
Neulinge im Forum müssen sich meist erst mal ein wenig orientieren. Über 30 Bereiche bieten Raum für unzählige Einzeldiskussionen. Der Angebotsbereich wird mit Abstand am meisten genutzt. „Von September 2010 bis September 2011 hatten wir allein im Angebotsbereich etwa 30.000 neue Beiträge“, sagt Sven Valentin, im Forum verantwortlich für Marketing und Vertrieb. Hier können Mitglieder Angebote für Photovoltaikanlagen einstellen, die sie von Installateuren bekommen haben. Diese Angebote werden dann von anderen Forenmitgliedern, die mehr Erfahrung mitbringen und teilweise auch selbst Solarteure sind, bewertet. Dazu gehört nicht nur, ob der Preis einer Anlage in Ordnung ist, sondern auch, ob für eine bestimmte Modulart eventuell doch ein anderer Wechselrichter besser wäre oder ob es Sinn macht, die Module anders zu verstringen, als es die Installateursfirma vorschlägt.
„Es kommt schon vor, dass mal jemand eine falsche Einschätzung macht und den Kauf einer Anlage empfiehlt, obwohl es sich eigentlich um ein schlechtes Angebot handelt“, gesteht Valentin ein. „Das wird dann aber relativ schnell korrigiert, weil sich sehr viele Leute die Angebote anschauen. Die anderen erheben dann meist ziemlich schnell Einspruch und raten gegebenenfalls, doch noch mal nach einem anderen Angebot Ausschau zu halten.“ Die Daten aus dem Angebotsbereich sind aber auch für Firmen interessant. EuPD Research ist zum Beispiel ein Unternehmen, das diese Daten professionell aufbereitet. „Das Besondere an diesen Daten ist, dass es sich um freiwillig eingestellte Nutzerdaten von tatsächlichen Kaufangeboten handelt“, sagt Till von Versen, Research Analyst bei EuPD Research. „Manchmal sind es bis zu 800 Angebote pro Monat, die dort eingestellt und bewertet werden. Außerdem sind die Daten zum Teil sehr detailliert, so dass wir sie systematisch erheben und auswerten können.“ Die daraus entstehenden Berichte werden teilweise frei im Forum zugänglich gemacht, ein anderer Teil wird an Hersteller verkauft, die sich damit einen Überblick über die Systempreise in den verschiedenen Regionen Deutschlands verschaffen können.
Ein weiterer viel genutzter Bereich ist zum Beispiel die Allgemeine Anlagenplanung. „Hier informieren sich Leute darüber, worauf sie beim Bau ihrer Photovoltaikanlage achten müssen“, sagt Valentin. „Dazu zählt beispielsweise, wie man mit Verschattungsproblemen umgeht, wie die Wechselrichter ausgelegt werden oder worauf man bei der Auswahl eines geeigneten Installateurs achten sollte. Weitere beliebte Bereiche sind der sogenannte Ertragsstammtisch, der Bereich Finanzen und Steuern oder der Bereich Energiepolitik. Interessierte Hersteller können sich außerdem eine eigene Ecke im Herstellerbereich einrichten. Dort können sich dann Mitglieder mit ihren Fragen direkt an die Hersteller wenden. Das ist einerseits ein nützlicher Kundenservice, andererseits müssen die Hersteller dabei in Kauf nehmen, dass ihre Produkte oder Dienstleistungen offen von den Forenmitgliedern kritisiert werden. Unliebsame Wortbeiträge können nicht einfach von den Herstellern gelöscht werden. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sich bisher nur wenige Hersteller getraut haben, im Photovoltaikforum mitzumachen, darunter sindbeispielsweise SMA, Fronius und Schletter. Ein Modulhersteller ist bislang noch nicht dabei.
Besonders interessant ist auch die Modul- und Wechselrichterdatenbank des Forums. Darin sind Informationen fast aller derzeit am Markt erhältlichen Module und Wechselrichter enthalten, immerhin über 30.000 Module und knapp 400 Wechselrichter. „Das zieht jede Menge User ins Forum, weil die Datenbanken gut sortiert und mittlerweile in der PV-Welt auch sehr anerkannt sind“, sagt Römer. „Auch für Firmen ist das sehr interessant. Simulations- und Wechselrichter-Auslegungstools brauchen zum Beispiel solche Daten. Die Unternehmen können die dann käuflich bei uns erwerben.“
Forum macht Politik
Die Aktivitäten des Forums gehen seit Kurzem auch über das Internet hinaus. So mancher Bundestagsabgeordnete wird sich in letzter Zeit gewundert haben, Briefe von besorgten Solaranlagenbetreibern zu bekommen. Hintergrund ist eine Initiative von Mitgliedern des Photovoltaikforums, die sich dagegen aussprechen, dass die Kosten für die Umrüstung von Wechselrichtern aufgrund des 50,2-Hertz-Problems von den Anlagenbetreibern selbst übernommen werden sollen. Derlei Kosten rückwirkend auf die Anlagenbetreiber abzuwälzen erscheint vielen als keine geeignete Lösung. Sie bevorzugen eine Variante, in der die Kosten von den Übertragungsnetzbetreibern überregional auf die Nutzungsentgelte umgelegt werden.
„Diese Initiative ist eigentlich aus der Diskussion der Mitglieder heraus entstanden“, erklärt der Gründer des Forums Jürgen Haar. „Wir selber haben da relativ wenig mit zu tun. Die Idee wurde direkt aus dem Forum heraus entwickelt, und da sind auch die verschiedenen Schreiben aufgesetzt worden.“ Für das neue Jahr seien auch weitere Neuerungen geplant. Zunächst soll die englische Version des Forums weiter ausgebaut werden, die seit September 2011 unter der Adresse photovoltaicboard.com zu finden ist. Auch das Webseitendesign und die Bereichsstruktur sollen mittelfristig noch ein bisschen verfeinert werden. „Wir versuchen, das Forum stetig weiterzuentwickeln, um es Mitgliedern möglichst leicht zu machen, sich an aktuellen Diskussionen zu beteiligen“, sagt Haar.