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Service im Gangnam Style

Endlich tut sich was: „Ich wollte Sie über unsere weiteren Aktivitäten informieren“, schreibt Ove Asmussen in seiner jüngsten E-Mail an die Redaktion. „Bei der geschädigten Anlage in Leck tauschen wir momentan alle Module gegen Neuware aus.“ Diese Aktion war Ende März abgeschlossen, dabei ging es um 205 Kilowatt. Insgesamt 858 Module wurden getauscht. Doch weiter im Text der E-Mail: „Die gelieferten Module sehen optisch in Ordnung aus. Ich bin gespannt, wann Suncycle die Module aufgearbeitet hat und nach Nordstrand liefern kann.“

Nordstrand leistet 240 Kilowatt und ist das zweite Sorgenkind, das Asmussen umtreibt. Er ist Betriebsingenieur einer großen Betreibergesellschaft, die in Norddeutschland große Lager und Werke für die Landwirtschaft unterhält. In Nordstrand geht es um rund 1.000 Module. Nun sollen die getauschten Module aus Leck von Suncycle aufgearbeitet (repariert) und mit 150 neuen Modulen in Nordstrand als Austauschpaneele aufs Dach kommen.

Gefahr für Personen und Werte

Asmussen ist Mitarbeiter der Firma ATR Landhandel. Seinerzeit hat das Unternehmen viele seiner Dächer mit Photovoltaik saniert, in der Summe 13 Anlagen mit insgesamt 4,8 Megawatt. Das entspricht rund 20.000 Solarmodulen. Verwaltet werden sie von der Tochtergesellschaft Arthra Solar. Doch einige der Anlagen stehen seit Monaten still, wurden vom Netz genommen. Seitdem verdient er damit keinen Cent mehr, im Gegenteil: Das kostet richtig Geld.

Der Grund: Die Module haben an den Lötstellen sogenannte Hotspots ausgebildet. Die Glutnester schmoren durch die Rückseitenfolie, die Schmauchspuren sind nicht zu übersehen. „Kein Experte konnte eine Gefährdung durch Überhitzung, Funkenschlag, Brand oder Personenschaden durch Stromschlag im weiteren Betrieb ausschließen“, berichtet Hans Joachim Här, der die Anlagen seinerzeit geplant und installiert hat. „Deshalb sah sich der Betreiber gezwungen, die Anlagen sofort stillzulegen.“

Pingpong über drei Ecken

Seitdem spielen der Rechtsanwalt der Betreiber und der Dienstleister in Hamburg regelrecht Pingpong mit dem Hersteller der Module, S-Energy aus Korea. Denn der Versicherer, die R+V, hebt die Hände: Offensichtlich liegt ein Produktionsfehler vor, der Kunde möge sich doch bitte an den Hersteller wenden, um seine Ansprüche durchzusetzen. S-Energy reagiert zunächst nicht, verweist dann über eine große Anwaltskanzlei auf den juristischen Weg vor koreanischen Gerichten.

Als S-Energy die schadhaften Module in Deutschland auf den Markt warf, waren Module knapp und die Branche im Partyrausch. Es wurde gebaut, was das Zeug hält. Nun ist die Party vorbei, Ernüchterung macht sich breit. Mit Gangnam Style ist im Solargeschäft kein Blumentopf mehr zu gewinnen.

Drei Anlagen eines Betreibers

Eine dritte Anlage befindet sich in Weddingstedt, gleichfalls im nördlichsten Zipfel von Schleswig-Holstein. „Hier haben wir die Module im Herbst 2015 reklamiert, insgesamt 995 Stück“, erläutert Här. „Im Mai 2016 kamen die Gutachter von Suncycle. Das Ergebnis: Fast alle Module wiesen Schäden auf. Auch hier zeigten sich Hotspots und Glasbruch wegen der thermischen Spannungen durch die Hotspots.“

Här ist seit Längerem im Photovoltaikgeschäft tätig. Bislang hat er rund 1.300 Wechselrichter installiert. Er hat zehn Anlagen mit Modulen von S-Energy in der Betreuung, die fehlerhaft sind. „Alle anderen Anlagen laufen ohne Probleme“, bestätigt er. Eigentlich schwört er auf die koreanischen Paneele. „Sie halten 840 Kilo aus, normalerweise ist die Verarbeitung exzellent“, erzählt er. „Außer mit den reklamierten Chargen haben wir keinerlei Schwierigkeiten.“

Kein Mangel an der Installation

Normalerweise schaffen die Solargeneratoren im Norden der Republik zwischen 1.000 und 1.050 Kilowattstunden je Kilowatt. Doch nun hat er den Kanal voll, um es vorsichtig zu sagen. „Solche Schadensfälle wie mit S-Energy kosten mich richtig Geld“, klagt er. „Das kann mir das Genick brechen.“

Klar ist aber auch: Da es sich um Produktionsfehler handelt, liegt eindeutig kein Mangel in der Installation vor. Demnach ist tatsächlich der Modulhersteller in der Bütt, und nicht der Installateur, der die Module in bestem Gewissen und Vertrauen auf die Garantien aus Korea aufs Dach gebracht hat.

Auch Ersatzmodule wiesen Mängel auf

Für die beschriebenen Schadensfälle liegen bereits Gutachten vor, angefertigt von Suncycle, dem Servicedienstleister von S-Energy in Europa. Die Gutachten liegen auch unserer Redaktion vor. Der Schaden ist massiv.

So sind in Weddingstedt (233 Kilowatt) von insgesamt 995 Modulen rund 70 Prozent defekt. Bei anderen Anlagen geht es um die Hälfte bis ebenfalls 70 Prozent der Module. Här hat 86 Anlagen mit Modulen des koreanischen Herstellers im Monitoring, bei zehn zeigten sich die typischen Schäden.

Wie an der Anlage in Weddingstedt. Nach der Begutachtung durch Suncycle im Mai ging es zunächst recht flott voran: Im September 2016 wurden alle Module gegen aufgearbeitete Paneele ausgetauscht. Doch laut Flasherliste leisten die aufgearbeiteten Module teils nur noch 209 Watt statt 235 Watt wie die ursprünglich installierte Neuware.

Doch die Geschichte ist damit nicht zu Ende: „Dann fiel uns auf, dass bei feuchtem und diesigem Wetter die Isolationswerte nicht stimmen“, erzählt Ove Asmussen. „Offenbar funktionieren die reparierten Module nur bei Schönwetter.“

Wieder gingen E-Mails hin und her. Im Dezember brachte ein Team von Suncycle weitere 44 Module nach Weddingstedt, um der Sache auf den Grund zu gehen. Sie wurden eingebaut, die getauschten Module im Labor untersucht. Dabei kam heraus, dass aufgrund mangelnder Abdichtung an den Längsseiten Feuchtigkeit in die reparierten Module eindringen kann.

Seitdem liegt Amussen mit Suncycle im Clinch, wann denn nun die übrigen 950 Module gegen korrekt reparierte und abgedichtete Paneele getauscht werden. Freilich kommt der Dienstleister angesichts des Schadensumfangs kaum hinterher, anderswo Module von den Dächern zu nehmen und schnell genug aufzuarbeiten. Auch der Erfüllungsgehilfe von S-Energy kann nicht zaubern, wenn der Hersteller die Sache aussitzen will.

Auch den zweiten Tausch bezahlen

Allerdings soll Asmussen nun auch den zweiten Tausch der Module bezahlen, also die Kosten für Demontage und neuerliche Montage übernehmen. Noch eins drauf: Suncycle will erst einmal einen Lkw mit Modulen schicken, dann die getauschten Module in der Werkstatt durchsehen und danach irgendwann den zweiten Lkw auf die Reise schicken. Soll das Gerüst so lange an der Halle stehen bleiben?

Darüber hinaus lassen sich die Hamburger die Gutachten ordentlich bezahlen. Für Weddingstedt blätterte Asmussens Firma 1.650 Euro hin, für Leck 2.100 Euro und für Nordstrand 2.500 Euro.

Natürlich muss der Kunde den Schaden nachweisen. Aber augenfällig handelt es sich um Schlamperei aus der Produktion und nicht um die üblichen Servicefälle. „Einmal hat ein Sturm Teile einer Anlage abgedeckt“, erinnert sich Asmussen. „Damals haben wir rund 40 Kilowatt S-Energy-Module durch Module von IBC Solar ersetzt. Das hat die Versicherung anstandslos übernommen.“

Die Altersvorsorge ging drauf

Anfangs sollte von jedem schadhaften Modul eine Infrarotaufnahme als Nachweis erbracht werden, zugeordnet zur Seriennummer des Moduls, das sich aber nur auf der Rückseite befindet. Das bedeutet, dass der Installateur die geschädigten Anlagen – in der Regel mehr als 200 Kilowatt – komplett vom Dach nehmen und bei geeigneten Einstrahlungsverhältnissen ausmessen muss. Das ist ein ungeheurer Aufwand, den niemand entlohnt.

„Ich habe mittlerweile 50.000 Euro durch diese Schadensfälle verloren“, rechnet Hans Joachim Här vor. „Das sollte eigentlich meine Altersvorsorge sein.“ Pro Modul muss er mit rund 30 Euro rechnen, für die Demontage der schadhaften Paneele und die Remontage der Austauschware. Die ihm niemand ersetzt.

Denn selbstverständlich fühlt er sich bei seinem Kunden in der Pflicht und will ihn mit dem Skandal nicht alleinlassen. Der Ertragsausfall der abgeschalteten Anlagen, die Demontage und Montage und die Gutachten verursachen gleichfalls Kosten, die Ove Asmussen bis Ende Februar auf rund 150.000 Euro bezifferte. Damals waren wir aus Berlin nach Weddingstedt und Leck gereist, um uns die Malaise vor Ort anzuschauen.

Warum werden die Module repariert?

Reparieren oder Austausch gegen Neumodule? Die Produktionskapazität von S-Energy beträgt im Jahr 500 Megawatt. Bei einem Händler in München stehen derzeit zwischen zwölf und 15 Megawatt Neuware zum Verkauf. Warum werden die schadhaften Module – in der Summe einige Megawatt – überhaupt repariert? Wäre es nicht schneller und billiger für alle Parteien, einfach neue Module auf die Dächer zu bringen?

Bevor der Auftrag an Suncycle erging, hatten andere Dienstleister bereits abgewinkt. Denn das Problem der schadhaften Lötstellen bei S-Energy ist massiv und im Markt seit Längerem bekannt. „Das ist mit diesem Reparaturverfahren nicht wirklich zu lösen“, urteilt ein Sachverständiger. Um die Lötstellen zu sanieren, wird im Reparaturzentrum von Suncycle in Isseroda ein Streifen der Rückseitenfolie abgenommen, nachgelötet und die Folie neu verklebt. Dann werden die Modulseiten mit Silikon neu abgedichtet.

Ein Anruf in unserer Redaktion

Zudem kommt der Dienstleister nicht aus dieser Zwickmühle heraus: Er kann nur agieren, wenn er grünes Licht von seinem Auftraggeber bekommt. Der sitzt in Fernost, pflegt den Gangnam Style. Auch der Repräsentant von S-Energy in Frankfurt am Main macht sich weitgehend unsichtbar. Ohne Freigabe aus Korea läuft nichts.

Mit seinem Anruf in unserer Redaktion im Dezember hat Hans Joachim Här einen Stein ins Rollen gebracht, um nicht zu sagen: eine Lawine. Jede Woche melden sich bei uns ein bis zwei genervte Installateure oder Anlagenbetreiber. Sie haben alle das gleiche Problem: Offensichtlich hat S-Energy bei der Verlötung der Zellstrings und der Anschlüsse geschlampt. Bei manchen Modulen sieht man auf den ersten Blick, dass die Lötstempel unsauber sind. Bei manchen Modulen zeigt sich das Problem aber erst nach Jahren: an durchgeschmorten Glutnestern. Durch die Hotspots tritt auch Glasbruch auf, leicht zu erkennen an der getrübten Frontscheibe.

Der Skandal schlägt Wellen

Nun schlägt der Skandal immer höhere Wellen und dürfte auch die aktuellen Handelspartner von S-Energy treffen. Dort warten noch einige Megawatt darauf, im europäischen Markt verkauft zu werden. Zwar haben die schadhaften Module mit den aktuellen Lieferungen und diesen Händlern nichts zu tun. Sie stammen aus den Jahren 2009 bis 2014. Es ist aber nicht auszuschließen, dass auch neue Module ein ähnliches Problem bekommen – mit der Zeit. Den Händlern sind die Reklamationsfälle bekannt, dennoch wird die Ware weiter verkauft.

Das Gros der beanstandeten Module wurde seinerzeit über Donauer und Hawi vertrieben, beide Händler sind mittlerweile insolvent. Donauer hatte damals eine Versicherung bei der Münchner Rück hinterlegt, für den Fall, dass S-Energy eines Tages insolvent gehen sollte.

Aber S-Energy ist noch am Markt tätig, wenn auch ohne Gerichtsstand in Deutschland. Bisher äußert sich das Unternehmen zu den Reklamationen nicht oder nur nach sehr langem Zögern. Die Dispute mit den aufgebrachten Kunden werden gänzlich Suncycle überlassen, doch der Dienstleister kann eigentlich auch nur mit den Achseln zucken.

Immerhin: Das Management von Suncycle hat unsere Berichterstattung sofort aufgegriffen, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Nun liegt der Ball in Korea. Klar ist: Wer im europäischen Markt weiterhin aktiv sein will, muss solche Schadensfälle schnell und unbürokratisch regeln. „Wissen Sie, solche Produktionsfehler können passieren“, sagt Hans Joachim Här. „Aber dann muss man dem Kunden schnell Ersatz anbieten und die Reklamationen nicht auf die lange Bank schieben. Und der Hersteller muss alle Kosten übernehmen.“ Es wird Zeit, dass S-Energy endlich Farbe bekennt. Schluss mit lustig, Schluss mit Gangnam Style.

Betreiberkonferenz in Kassel

Mangelnder Service: Wir nennen Ross und Reiter

Auf der Betreiberkonferenz in Kassel am 5. Mai 2017 werden wir die uns vorliegenden Erkenntnisse zu den Schadensfällen bei S-Energy und anderen Modulherstellern präsentieren. Unser Fachmedium hat es sich zur Aufgabe gemacht, Qualitätskonzepte in der Photovoltaik und bei Stromspeichern zu unterstützen. Nur dann können die Installateure Anlagen bauen, die den Kunden viele Jahre Freude machen. Dafür ist ein effizienter After-Sales-Service ist von essenzieller Bedeutung.

www.neue-energiewelt.de

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