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Verzögerungen: Besser spät als nie?

Oft wird das Photovoltaikprojekt planmäßig realisiert, doch manchmal allerdings wird die Geduld des Investors auf eine harte Probe gestellt. Der anvisierte Termin verstreicht, die Installation oder der Netzanschluss kommen nicht voran.

Wer haftet für Verzögerungen?

Solche Verzögerungen können sich gleich doppelt auswirken: Zum einen kann die gesetzliche Stromvergütung geringer ausfallen, als sie prognostiziert wurde. Je nach Zubau von Solarleistung in der Vergangenheit wird die Solarstromvergütung im EEG laufend angepasst.

Im Normalfall sinkt sie kontinuierlich ab. Wird eine Photovoltaikanlage später als geplant in Betrieb genommen, kann die Stromvergütung für die folgenden 20 Jahre geringer ausfallen.

Zum anderen kann eine Anlage zwar rechtzeitig in Betrieb genommen worden sein, die Einspeisung in das Stromnetz erfolgt jedoch später als erhofft. Auch in diesem Fall entstehen dem Anlagenbetreiber finanzielle Nachteile für den Zeitraum, in dem die Anlage keinen Strom einspeisen kann.

Diese Nachteile wirken sich noch stärker aus, wenn – wie im Regelfall – die Anlage fremdfinanziert ist. Dann muss der Anlagenbetreiber bereits Tilgungszahlungen an die Bank leisten, ohne auf Einnahmen für seinen Strom zurückgreifen zu können. Wer aber haftet bei verspäteten Leistungen?

Muss der installierende Fachbetrieb den Anlagenbetreiber von sämtlichen Schäden freistellen? Oder trägt dieser selbst das Risiko, wann mit der Photovoltaikanlage Geld verdient werden kann? In der Praxis sind viele Punkte umstritten. Es lohnt sich daher, einen Blick auf die Details zu werfen:

Was steht im Vertrag?

Grundlage für jeden Schadensersatzanspruch ist die vertragliche Vereinbarung der Parteien. Hier finden sich mehr oder weniger genaue Regelungen, wann die Photovoltaikanlage fertiggestellt werden soll.

Häufiger Streitpunkt ist die Frage, welche Leistungen vom Solarunternehmen zum vereinbarten Fertigstellungsdatum überhaupt geschuldet sind. In einem Fall, den das OLG München am 28. Januar 2020 (Az.: 28 U 425/19) entschieden hat, ging es um die Frage, ob der Bau einer Trafostation zur Errichtung der Solaranlage gehört.

Im Vertrag war von einer „schlüsselfertigen Photovoltaikanlage“ die Rede. Die Solarfirma sah hiervon den Trafo nicht umfasst. Das Gericht schloss jedoch aus der vertraglichen Formulierung, dass der Kunde eine vollständig funktionsfähige Photovoltaikanlage erwarten kann.

Dies umfasse, dass die Photovoltaikanlage in der Lage ist, Einnahmen zu erzielen. Ohne Transformatorenstation wiederum sei dies nicht möglich. Das Solarunternehmen hatte also auch den Trafo in der festgesetzten Lieferzeit bereitzustellen.

Die kundenfreundlichste Auslegung

Mitunter sind die Parteien uneinig, ob der Netzanschluss der Photovoltaikanlage, der unter Einbeziehung des Netzbetreibers hergestellt werden muss, noch zu den Leistungen des Solarunternehmens gehört. Auch in solchen Fällen wird man auf den konkreten Vertragstext zurückgreifen müssen.

Ist der Vertragstext jedoch nicht klar genug, so verweist das OLG München in der genannten Entscheidung auf das Gebot der kundenfreundlichsten Auslegung. Der Verwender der Vertragsklauseln – dies ist in der Regel das Solar­unternehmen – trägt demnach das Risiko missverständlicher Regelungen.

Missverständliche Klauseln

Aus Sicht des Solarunternehmens ist es deswegen von hohem Interesse, bereits bei der Vertragsgestaltung darauf zu achten, dass die eigenen Leistungen möglichst genau definiert werden. Insbesondere Begriffe wie „schlüsselfertig“ oder „betriebsbereit“ sollten nur verwendet werden, wenn der Kunde tatsächlich ein „All-inclusive-Paket“ bekommen soll.

Sollen bestimmte Leistungen (zum Beispiel der Netzanschluss oder der Einbau von Zählern) nicht von dem Vertrag umfasst werden, so empfiehlt es sich, den Kunden ausdrücklich und deutlich darauf hinzuweisen, dass hierfür eine weitere Beauftragung erforderlich ist.

Ist ermittelt, welche Leistungen das Solarunternehmen nach dem bestehenden Vertrag erbringen muss, so steht noch nicht fest, wann dies zu geschehen hat. Grob gesagt sind hier zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Der Vertrag enthält einen Leistungszeitpunkt oder der Vertrag schweigt hierzu.

Enthält der Vertrag einen Leistungszeitpunkt, so gerät der Auftragnehmer automatisch in Verzug, wenn er die Leistung aus eigenem Verschulden nicht bis zu dem vereinbarten Zeitpunkt fertigstellt. Zuzurechnen ist ihm dabei auch das Verschulden eines Subunternehmers, den er einsetzt.

Reicht die Inbetriebnahme aus?

Zwist kann zwischen Kunde und Auftragnehmer bei der Frage entstehen, worauf sich der Leistungszeitpunkt bezieht. Wird im Vertrag geregelt, dass die Photovoltaikanlage bis zu einem bestimmten Tag „fertiggestellt“ werden muss, so beruft sich der Solarunternehmer manchmal darauf, dass damit die Inbetriebnahme nach den Vorgaben des EEG gemeint ist.

Dies umfasst lediglich die Montage der Solarmodule und der Wechselrichter und die (probeweise) Erzeugung von Strom. Die Verbindung mit dem Stromnetz müsste demnach nicht in der zugesicherten Frist erfolgen. Auch hier gilt aber das Gebot der kundenfreundlichsten Auslegung des Vertrags.

Will das Solarunternehmen die Haftung nur für die rechtzeitige Inbetriebnahme nach EEG übernehmen, so muss dies eindeutig aus den vertraglichen Regelungen hervorgehen.

Wird keinerlei Leistungszeit im Vertrag vereinbart, so ist der Erwerber der Photovoltaikanlage keinesfalls schutzlos. In diesem Fall gilt die gesetzliche Regel, dass Verzug eintritt, wenn der Kunde die vertragliche Leistung angemahnt hat. Der Kunde muss seinen Auftragnehmer demnach auffordern, das geschuldete Werk fertigzustellen.

Mahnungen und Fristen

Empfehlenswert ist, diese Aufforderung mit einer angemessenen Frist zu verbinden. In der Regel stehen dem Kunden nämlich nur nach Ablauf einer solchen Frist die umfassenden Gewährleistungsrechte nach den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wie Rücktritt oder Ersatzvornahme zu.

Ist der Verzug nach diesen Vorgaben tatsächlich eingetreten, kann der Kunde den während des Verzugs eintretenden Schaden ersetzt verlangen. Hierbei handelt es sich in der Regel um die entgangene Stromvergütung, sei es durch Zahlungen des Netzbetreibers, durch den Verkauf des Stroms an Dritte oder die Verwendung des Strom in Form der Eigenversorgung.

Die Gerichte verzichten oftmals darauf, diesen Schaden durch einen Gutachter zu ermitteln. Es reicht ihnen aus, den Durchschnittswert aus den späteren Erträgen der Photovoltaikanlage zu bilden oder die Ertragsprognose des Solar­unternehmens heranzuziehen (zum Beispiel OLG Dresden vom 25. Juni 2013, Az.: 9 U 1190/12).

Verluste in der Zukunft

Etwas komplizierter kann es werden, wenn aufgrund der verspäteten Inbetriebnahme die Stromvergütung geringer ausfällt als bei einer rechtzeitigen Fertigstellung der Anlage. Weil die Stromvergütung über 20 Jahre hinweg in der zu geringen Höhe ausgezahlt wird, fällt der Schaden größtenteils erst in der Zukunft an.

Der Anlagenbetreiber kann nach Auffassung des OLG Koblenz (Urteil vom 22. Dezember 2016, Az.: 2 U 1322/15) trotzdem bereits zu Beginn des Vergütungszeitraums die Auszahlung einer Geldsumme verlangen, indem der zukünftige Schadensbetrag abgezinst wird.

Der Autor

Dr. Thomas Binder
ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe einer Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis zwischen Netzbetreibern, Anlagenbetreibern und Photovoltaikfachfirmen.

Foto: privat

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