Die Photovoltaikbranche entwickelt sich sehr dynamisch: PPA-Anlagen, Speichertechniken, Vermietung von Anlagen, Balkonsolar – all das wäre vor wenigen Jahren kaum denkbar gewesen. Ein Modell aus den Zeiten, als die Photovoltaik noch in den Kinderschuhen steckte, ist nach wie vor aktuell: der Nutzungsvertrag für Flächen oder Dächer, auf denen eine Photovoltaikanlage errichtet werden soll.
Miete oder Pacht?
Dass diese Verträge immer noch gebraucht werden, ist leicht erklärbar: Solarinvestoren brauchen Flächen, und Grundstückseigentümer wollen Einnahmen erzielen. Der Nutzungsvertrag bringt beide Seiten zusammen.
Und doch haben Nutzungsverträge ihre Tücken. Das erste Problem ist der Vertragstyp. Neben dem Begriff Nutzungsvertrag tauchen in der Praxis auch die Bezeichnungen Gestattungs-, Miet- oder Pachtvertrag auf. Was ist richtig?
Der Bundesgerichtshof hat mit einem Urteil vom 7. März 2018 (XII ZR 129/16) Klarheit geschaffen und die Entscheidungen mehrerer Oberlandesgerichte ausgehebelt: Die richtige Bezeichnung lautet Mietvertrag.
Denn die Früchte der Photovoltaikanlage würden nicht wie bei Pachtverträgen aus dem Grundstück, sondern aus der Sonneneinstrahlung gezogen.
Tatsächlich halten sich die Auswirkungen dieser Entscheidung jedoch in Grenzen. Denn die meisten Regelungen des Mietrechts sind ohnehin auch auf Pachtverträge anzuwenden. Wer die Photovoltaikanlage auf Grundlage eines Pacht- oder Nutzungsvertrags errichtet, muss sich also um die Wirksamkeit des Vertrags keine Gedanken machen.
Erfordernis der Schriftform
Worum sich allerdings insbesondere die Solarinvestoren Gedanken machen sollten, ist die Schriftform. Denn Paragraf 550 BGB schreibt vor, dass Verträge, welche die Schriftform nicht einhalten, bereits nach einem Jahr gekündigt werden können.
Daher müssen sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere der Mietgegenstand, die Miethöhe, die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergeben.
Unüberschaubare Rechtsprechung
Hierzu gibt es inzwischen eine unüberschaubare Rechtsprechung, die zeigt, dass der Teufel oft im Detail steckt. So passiert es mitunter, dass zwar beim ursprünglichen Vertrag die Schriftform eingehalten wurde. Bei späteren Vertragsänderungen wird jedoch die notwendige Sorgfalt nicht an den Tag gelegt.
Dabei hat der BGH entschieden, dass für wesentliche Vertragsänderungen nichts anderes gilt als für den Ursprungsvertrag. Ein Verstoß gegen das Schriftformgebot führt auch hier zur Kündbarkeit des Vertrags (BGH vom 25. November 2015, XII ZR 114/14).
Änderungen schriftlich regeln
Einem Ausweg zur Rettung von Verträgen, die gegen das Schriftformgebot verstoßen, hat der BGH in einem anderen Urteil einen Riegel vorgeschoben. Manch gewiefte Flächenmieter haben eine sogenannte Schriftformheilungsklausel in die langfristigen Mietverträge aufgenommen. In solchen Klauseln verpflichten sich die Parteien, den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Schriftform zu kündigen.
Der Bundesgerichtshof hält solche Klauseln für generell unwirksam (BGH vom 27. September 2017, XII ZR 114/16). Die Konsequenz für Photovoltaikinvestoren lautet, dass nur die erforderliche Sorgfalt bei Gestaltung und Abschluss des Vertrags hinreichenden Schutz gegen die Gefahr der vorzeitigen Kündigung bietet. Zumindest so lange, bis der Gesetzgeber ein Erbarmen hat und die zum Teil verheerenden Konsequenzen eines Verstoßes gegen Paragraf 550 BGB abmildert.
Konflikte vermeiden
Flächenmietverträge für Solaranlagen sollen in der Regel dem Investor mindestens für 20, meistens sogar für 30 Jahre Rechtssicherheit verschaffen. In derartigen Zeiträumen können zahlreiche Nutzungskonflikte auftreten, die mit dem Flächenmietvertrag geregelt werden.
Über die Jahre haben sich bestimmte klassische Konfliktfelder zwischen den Vertragsparteien herausgebildet, die bei den Vertragsverhandlungen einer interessengerechten Lösung zugeführt werden müssen. Verhandelt wird naturgemäß immer über die Höhe der Miete. Dabei haben sich zwei Modelle herauskristallisiert: die fixe oder die ertragsabhängige Miete. Bei der ertragsabhängigen Miete wird dem Grundstückseigentümer ein prozentualer Anteil des Ertrags der Solaranlage abgegeben. Das ist aufgrund der höheren Unsicherheit beim Vermieter oftmals weniger beliebt.
Neben der Höhe und dem Modell der Mietzahlungen lohnt sich auch ein Blick auf die Details. Solarinvestoren wollen gerne Grundstücke sichern, ohne sich bereits bei Vertragsabschluss zu verpflichten, ob und wann der Bau beginnt. Oftmals ist eine solche Verpflichtung auch angesichts rechtlicher Unwägbarkeiten schwierig.
Sie bevorzugen daher, dass die Mietzahlung erst ab Baubeginn oder sogar Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage fließt. Dies stört wiederum die Grundstückseigentümer, die zum Beispiel mit der Kündigung anderer Flächenpächter bereits in Vorleistung getreten sind und nicht jahrelang im Ungewissen über den Beginn der Mietzahlungen bleiben wollen. Eine Kompromisslösung in der Praxis sind inzwischen sogenannte Reservierungsgebühren, welche für den Zeitraum bis Baubeginn vereinbart werden.
Die Rolle der Banken
Nicht unproblematisch ist mitunter die Rolle der finanzierenden Banken. Obwohl die Bank des Solarinvestors in aller Regel am eigentlichen Vertragsabschluss des Nutzungsvertrags nicht beteiligt ist, so hat ihre Stellung im Vertragswerk in den vergangenen Jahren erheblich an Gewicht gewonnen.
Finanzierende Banken versuchen inzwischen, die Finanzierung optimal im Flächenmietvertrag abzusichern. Hierzu gehören die Eintragung von Dienstbarkeit und Vormerkung zu ihren Gunsten genauso wie der Ausschluss von Vertragsänderungen ohne Zustimmung der Bank.
Üblich sind auch Vertragsklauseln, wonach im Falle einer Kündigung des Mietverhältnisses die finanzierende Bank automatisch in den Vertrag eintreten oder einen Dritten hierfür bestimmen kann.
Gewährleistung und Haftung
Selbst die Löschung von Dienstbarkeiten oder Vormerkungen aus dem Grundbuch vor Ablauf der Finanzierung soll der Zustimmung der finanzierenden Bank bedürfen. Änderungswünsche des Vermieters sind hier oft schwer realisierbar, weil die finanzierende Bank nicht am Verhandlungstisch sitzt.
Ein Schattendasein in den Flächenmietverträgen führen Klauseln zur Gewährleistung und Haftung. Insbesondere aus Sicht des Grundeigentümers sind diese Bereiche jedoch von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit.
Kommt es nämlich aus irgendeinem Grund zu seiner Haftung dafür, dass die Photovoltaikanlage nicht gebaut werden kann oder abgebaut werden muss, droht ein hoher Schaden. Deswegen ist es wichtig, Vorkehrungen zu treffen, um das Risiko zu minimieren.
Denkbar sind beispielsweise Klauseln, welche die Haftung begrenzen, zum Beispiel auf grobe Fahrlässigkeit oder eine bestimmte Haftungssumme. Hilfreich kann es sein, die Risikobereiche der Vertragsparteien klar abzugrenzen, sodass zum Beispiel alleine der Solarinvestor die Geeignetheit der Fläche oder des Gebäudes prüft.
Zudem sollte der Grundstückseigentümer im Vertrag dokumentieren, dass er den Investor über ihm bekannte Umstände aufgeklärt hat, etwa ein Risiko von Altlasten oder durch die Nutzung benachbarter Flächen, die eine Photovoltaikanlage beeinträchtigen könnten.
Risiken vorher klären
Flächennutzungsverträge für die Photovoltaikanlage können nach wie vor eine Win-win-Situation für Flächeneigentümer und Investor sein. Damit der beidseitige Nutzen über einen Zeitraum von 30 Jahren sichergestellt wird, ist bei der Vertragserstellung ein hohes Maß an Sorgfalt und die Berücksichtigung der beiderseitigen langfristigen Interessen notwendig.
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Kurz nachgefragt
„Vielleicht muss man sich streiten“
Welche Verträge sind für Solarteure gegenüber ihren Kunden besonders wichtig?
Thomas Binder: Am wichtigsten ist der mit dem Kunden abzuschließende Kauf- oder Werkvertrag über die Photovoltaikanlage. Beinhaltet das Vertriebsmodell, dass die Photovoltaikanlage auf einer fremden Fläche gebaut wird, sollte auch auf den Dach- oder Flächenmietvertrag großen Wert gelegt werden. Darüber hinaus gibt es Vertriebsmodelle, welche eine Pacht der Anlage beinhalten. Dieses Modell dient insbesondere dazu, eine Eigenversorgung im Sinne des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu ermöglichen.
Welche Fallstricke werden oft unterschätzt?
Eine wichtige Ursache für Haftung sind vorvertragliche Ertragsprognosen oder Berechnungen mit Programmen wie PV-Sol. Diese Berechnungen spielen eine Rolle, wenn sich die Angaben oder Vorhersagen in den Prognosen später nicht realisieren. Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass derartige Risiken mit einem kurzen Hinweis auf die Unverbindlichkeit der Prognose im Vertrag ausgeschlossen werden können. Mir fällt auch auf, dass bei Dach- oder Flächenmietverträgen manchmal zu wenig Sorgfalt an den Tag gelegt wird. Diese Verträge haben strenge formale Anforderungen und bilden für 30 Jahre die Grundlage der Investition. Ein Thema ist ebenso das Widerrufsrecht für Kunden, das beim Erwerb einer Photovoltaikanlage entstehen kann.
Welche Gefahren drohen den Installateuren dadurch?
Generell drohen bei vorvertraglichen Beratungsfehlern Schadenersatzansprüche. Muss zum Beispiel ein Vertrag aufgrund eines Beratungsfehlers rückabgewickelt werden, so ist dies mit erheblichen Kosten verbunden. Im schlimmsten Fall muss man sich zudem mit dem Kunden über den Gewinn streiten, der ihm durch den fehlgeschlagenen Kauf der Photovoltaikanlage entstanden ist. Auch wenn es nicht zur Rückabwicklung kommt, kann es sein, dass der Kunde entgangenen Gewinn für die zukünftige Laufzeit der Anlage geltend macht. Bei Fehlern der Solaranlagen drohen in erster Linie Gewährleistungsansprüche, das heißt hier geht es zunächst um die Behebung des Fehlers. Auch dies kann jedoch in der Folge zu Schadensersatzforderungen oder sogar zum Rücktritt vom Vertrag führen.
Die Fragen stellte Heiko Schwarzburger.
300-Kilowatt-Regel im EEG 2021
Bei Zusammenlegung gilt das Windhundprinzip
Die neue 300-Kilowatt-Grenze im EEG 2021 schreibt vor, dass größere Anlagen mindestens 50 Prozent des Solarstroms vor Ort verbrauchen müssen. Nur 50 Prozent des Solarstroms werden bei Einspeisung vergütet. Bringt man zwei Anlagen mit 300 Kilowatt im Abstand von mindestens zwölf Monaten aufs Dach, werden beide vergütet.
Dann gilt das sogenannte Windhundprinzip. Werden die Anlagenabschnitte mit einem zeitlichen Abstand von mindestens zwölf Monaten in Betrieb genommen, erfolgt wie üblich keine Zusammenfassung.
Beispielsweise mehrere 300-Kilowatt-Anlagen können jeweils die volle Einspeisevergütung in Anspruch nehmen. Erfolgt die Inbetriebnahme innerhalb von zwölf Monaten, greift für die zweite Anlage – wenn 300 Kilowatt überschritten werden – der neue Paragraf 48 Absatz 5 EEG 2021.
Das heißt: Nur wenn innerhalb eines Jahres der zweite Solargenerator mit 300 Kilowatt angeschlossen wird, muss er die Eigenverbrauchsregel erfüllen.