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Boom ohne Ende?

Mit dem „Move-In“, dem Einzug der ersten Maschinen, wird es bei Signet Solar im sächsischen Mochau ernst. Denn jetzt wird sich zeigen, ob das Konzept der schlüsselfertigen Fabrik wirklich aufgeht. Ein Konzept auf dem der Dünnschicht-Boom zu guten Teilen aufbaut, weil sich das nötige Know-how fertig einkaufen lässt. „Wir bekommen die Produktionslinie schlüsselfertig geliefert und installiert, in allen einzelnen Komponenten bis zum endgültigen Output der Module“, sagt Vertriebsleiter Matthias Gerhardt.

Ein Tieflader lieferte am 25. Februar die erste Beschichtungsmaschine für Photovoltaikmodule aus amorphem Silizium, 30 Tonnen schwer und mit einer weißen Plane vor neugierigen Blicken geschützt. Das gigantische Gerät ist Teil einer Fabrik vom Typ Sunfab, die Applied Materials als einer der größten Halbleiterausstatter seit dem letzten September zur Produktion von sechs Quadratmeter großen Modulen anbietet.

Das Bemerkenswerte daran ist: Die Fertigfabrik verkauft sich wie warme Semmeln obwohl – um im Bild zu bleiben –noch niemand weiß, wie sie schmeckt. Es scheint, als hätte man in der Branche Angst, zu spät zu kommen.

Endlich vor dem Durchbruch?

Das dürfte jenen Dünnschicht-Experten Genugtuung bereiten, die seit mehr als zehn Jahren auf den Durchbruch warten. Sie mussten zusehen, dass ihre Entwicklungen die Forschungslabore hauptsächlich für Anwendungen in Taschenrech nern und Taschenuhren verließen, während die Produktion kristalliner Module in andere Sphären abhob. Dabei liegen die Vorteile der dünnen Schichten auf der Hand: Sie benötigen weniger Silizium, lassen sich im Prinzip leichter und vor allem auf großen Flächen produzieren und sehen mit ihren großen homogenen Oberflächen einfach besser aus. Obendrein sollen die niedrigeren Produktionskosten die schlechteren Wirkungsgrade der Zellen aufwiegen. Vorteile, die auch Signet-Solar für sich verbucht. „In absehbarer Zeit soll aus unseren Solarzellen erzeugter Strom genauso viel kosten wie der Strom, der aus der Steckdose kommt“, erklärt Gerhardt. Dieses Ziel könne man auf die Schnelle nur mit Dünnschicht erreichen.

Da stellt sich die Frage, warum der Durchbruch nicht früher kam und die Dünnschicht erst jetzt ihre Erfolge feiert. „Damals fehlte die nötige Produktionstechnologie“, erklärt Bernd Rech, der die mikromorphe Fertigungstechnologie am Forschungszentrum Jülich maßgeblich entwickelt hat und jetzt die Abteilung Silizium-Dünnschichtphotovoltaik am Hahn-Meitner-Institut in Berlin leitet. Die kristalline Zellenproduktion konnte auf den Herstellungsprozessen der Mikro- elektronik aufbauen, die ebenfalls Silizium Wafer nutzt. Ein ähnlicher Synergieeffekt kommt für die Dünnschichttechnologie erst jetzt zum Tragen. Zur Produktion von Flachbildschirmen ist es nötig, hochreine Schichten von nur wenigen millionstel Meter Dicke auf Substrate aufzubringen. Genau das, was die Dünnschichtphotovoltaik braucht.

Deshalb wundert es nicht, dass die beiden großen Anlagenhersteller Applied Materials und Oerlikon aus diesem Bereich kommen, und jetzt in die Photovoltaik einsteigen. Konnten es vorher nur große Firmen wie Sharp stemmen, eigene Dünnschicht-Fertigungsanlagen zu entwickeln, sind jetzt finanzkräftige Investoren in der Lage, schlüsselfertige Fabriken wie die Sunfab zu kaufen. „Gab es in Deutschland vor sechs Jahren noch keine einzige Fabrik mit einem Ausstoß über zehn Megawatt pro Jahr, kommt man jetzt mit dem Zählen kaum noch nach“, stellt Rech fest. Mindestens 15 Firmen hat er ausgemacht, die gerade eine große Dünnschicht-Produktionslinie aufbauen.

Außer den amorphen und mikromorphen Dünnschichttechnologien, die von der Produktionstechnik der Flachbildschirme profitieren, sind aber auch Kupfer-Indium-Selenit (CIS) und Cadmium Tellurid (CdTe) Zellen im Kommen. Insbesondere letztere haben sich zu einem Preisbrecher entwickelt, seit First Solar in Frankfurt an der Oder mehr als 100 Megawatt Module pro Jahr produziert.

Initialzündung Siliziumknappheit

Ein weiterer Grund für den Einstieg in die dünnen Schichten ist, dass Silizium seit drei Jahren knapper wird. Zwar gibt es den Rohstoff buchstäblich wie Sand am Meer, doch die Silizium Wafer Industrie benötigt ihn in hoher Reinheit. Bis vor kurzem lebte die Photovoltaikindustrie quasi von den Abfällen der Mikroelektronik. Das reicht nicht mehr, seit eine Modulfabrik nach der anderen aus dem Boden gestampft wurde. Der Rohstoff wurde teuer. Nach der jüngsten Analyse der Sarasin-Bank kostete das auf dem Spotmarkt frei erhältliche Silizium bis zu 200 Euro pro Kilogramm, das ist fast zehnmal mehr als noch vor fünf Jahren.

Damit machen die Rohstoffpreise einen bedeutenden Anteil an den Produktionskosten kristalliner Module aus. Große Firmen beziehen das Silizium zwar über langfristige Verträge für zurzeit 40 bis 50 Euro. Umgerechnet ergeben sich daraus etwa 50 Cent pro Watt Solarzellenleistung. Das scheint nicht viel zu sein, doch die Verknappung bremste das Wachstum der Branche. „Unser Wachstum ist 2007 wie auch 2006 durch die Siliziumknappheit limitiert“, sagt Claus Beneking, Vorstandsvorsitzender des Modulherstellers Ersol, auf der letzten Hauptver sammlung seines Unternehmens. Daraufhin investierte Ersol in den Aufbau einer Dünnschichtproduktion (siehe Seite 52).

Andere taten es dem Erfurter Unternehmen gleich. Applied Materials und Oerlikon haben inzwischen mindestens zehn Fabriken an Kunden wie Ersol und Signet Solar verkauft. „Das ist jetzt sehr spannend, denn diese Fabriken sind gerade erst im Aufbau“, sagt Michael Powalla vom Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff (ZSW) in Stuttgart und wissenschaftlicher Leiter des diesjährigen Dünnschicht-Symposiums in Bad Staffelstein. Denn noch läuft keine Einzige mit voller Leistung. „Die Frage ist, wie schnell kommen sie wirklich mit welcher Qualität auf den Markt“.

Aufschwung mit Risiken

An dieser Frage wird sich entscheiden, wie schnell aus dem Ankündigungsboom ein echter Aufschwung wird. Stephan Franz vom Marktforschungsinstitut EuPD Research rechnet nicht damit, dass sämtliche Meldungen über geplante Dünnschicht-Produktionskapazitäten, die er für seine Studie zur Marktentwicklung gesammelt hat, auch umgesetzt werden. „Wenn wir die angekündigten Produktionslinien zählen, kommen wir für 2010 auf 6,5 Gigawatt Produktionskapazität“. Vermutlich werden es aber nur rund 3,5 Gigawatt, schätzt er. Das entspräche immer noch einem gigan tischen Wachstum. Zurzeit sind Fabriken für nominell etwa 750 Megawatt gebaut, die tatsächliche Produktion liegt sogar nur bei etwas mehr als der Hälfte.

Skepsis ist deshalb angesichts der großspurigen Ausbaupläne angebracht. Eine der offenen Fragen ist, wie viel eigenes Know-how die Betreiber der neuen Fabriken brauchen. Die Mitarbeiter von Signet Solar kommen zum Beispiel aus der Halbleiter- und Glasbranche, aber nicht direkt aus der Photovoltaik-Entwicklung. „Ein Hauptdifferenzierungsmerkmal der neuen Modulhersteller wird es sein, den Produktionsprozess in den Griff zu bekommen“, so Stephan Franz. Es wird also nicht so sein, dass alle Hersteller die gleichen Zellen produzieren, bloß weil sie die gleichen Maschinen haben.

Wie lange der Dünnschicht-Aufschwung trägt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die Entwickler in den Labors ihre Hausaufgaben machen. Zum einen müssen sie weiter an den Schrauben drehen, mit denen der Produktionsprozess schneller und billiger wird. Zum anderen müssen sie höhere Wirkungsgrade erreichen. Besonders in der amorphen Siliziumtechnologie sind noch Verbesserungen notwendig.

Höherer Wirkungsgrad möglich

Der Wirkungsgrad der rein amorphen Siliziumtechnologie ist mit rund sechs Prozent in der Großserienproduktion vergleichsweise niedrig. Dabei sind die einzelnen Siliziumatome ohne kristalline Ordnung in Schichten mit einer Dicke von einigen hundert milliardstel Metern angeordnet. Sie schimmern meist rötlich braun, da sie mit dieser Dicke diesen Teil des Lichts nicht nutzen können. Vergrößert man die Schichtdicke, erhöht sich zwar zunächst der Anfangswirkungsgrad, weil das Sonnenlicht effektiver absorbiert werden kann. Doch gleichzeitig nehmen die Alterungsprozesse zu, die immer noch einer der größten Nachteile der amorphen Technologie sind. In der jetzigen Form verlieren solche Zellen rund 20 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit in den ersten 1000 Betriebsstunden. Kunden bemerken das in der Regel kaum, da die Firmen die Leistung angeben, die die Module nach der Alterung haben werden. Einzig bei der Verschaltung ist das wichtig. Die anfänglich größeren Ströme dürfen die Elektronik nicht zerstören.

Ein Ausweg liegt in der Erweiterung zu mikromorphen Zellen, bei denen amorphe mit mikrokristallinen Schichten verbunden werden. Mikrokristallin heißt: die Atome liegen nicht so unregelmäßig wie im amorphen Fall, sondern bilden Nanometer kleine kristalline Bereiche. Der Kunde bemerkt es vor allem an der Farbe. Mikrokristalline Schichten nutzen das rötliche Licht, das die amorphen Schichten übrig lassen und erscheinen deshalb in elegantem schwarz. Da weniger Licht verloren geht, steigt der Wirkungsgrad der Zellen. „Im Labor funktioniert die Technologie schon so gut, dass damit Module mit zehn Prozent Wirkungsgrad gefertigt werden könnten“, erklärt Rech. Jetzt gilt es, die hohen Wirkungsgrade auch in der Praxis zu erreichen. Langfristig seien vielleicht sogar zwölf Prozent denkbar, sodass die Silizium-Dünnschicht zu den CIS-Modulen aufschließen könne. Die Werte der kristallinen Module werden sie auf absehbare Zeit jedoch nicht erreichen.

Neue Anwendungen

Unabhängig von Produktionskosten und Wirkungsgrad eröffnen die Dünnschicht- module neue Möglichkeiten. Die Schichten können auf flexible Materialien aufgetragen werden. Vorbild sind die Unisolarmodule, bei denen die Halbleiterschichten auf dünnes Stahlblech aufgebracht werden und die bereits seit einigen Jahren auf dem Markt sind. Andere Hersteller ziehen allmählich nach. Die flexiblen Zellen passen sich nicht geraden Flächen an und sind vor allem auch leich ter als die herkömmlichen Glasmodule. „Damit eignen sie sich besonders auch für Leichtbaudächer, die keine großen Gewichte tragen können“, so Rech.

Ein anderer Markt, auf dem die Dünnschichtzellen stark sind, ist die Gebäude- integration. Der Wirkungsgrad der Dünnschichtzellen reagiert nicht ganz so empfindlich auf hohe Temperaturen wie der der kristallinen Module. Ein Vorteil, da in Gebäude integrierte Module wärmer werden als aufgeständerte. Außerdem sehen die homogenen Dünnschichtflächen einfach besser aus als die gemusterten Flächen kristalliner Module. Wenn bald die ersten sechs Quadratmeter großen amorphen Siliziummodule aus den Werkhallen von Signet Solar gerollt werden, dürften Architektenherzen höher schlagen. Ebenso bei den integrierten Dachziegeln und bunten CIS-Zellen aus dem ZSW in Stuttgart. Sie absorbieren zwar nicht das gesamte Lichtspektrum, „bringen aber trotzdem noch 80 Prozent des sonst üblichen Wirkungsgrads“, sagt Dieter Geyer, der sie mit entwickelt hat.

Rosige Aussichten

Das amerikanische Marktforschungsunternehmen Nanomarkets hat letzten Sommer in einer Studie die Vor- und Nachteile der einzelnen Technologien verglichen (siehe Seite 50). Zwar beherrschen die kristallinen Module mit 95 Prozent eindeutig den Markt. Doch die Produktionskosten liegen über denen der meisten Dünnschichttechnologien, die zudem das höhere Kostensenkungspotenzial haben.

Das erklärt teilweise auch, dass zurzeit wie wild Fabriken angekündigt und Verträge zum Kauf der Maschinen geschlossen werden. Kleine Firmen mit kleinen Produktionskapazitäten könnten in Zukunft vielleicht nicht mehr mithalten, so die Autoren der Studie. Sie müssen schnell wachsen. Ob das gelingt, liegt jedoch nicht zuletzt an den Anlagenbauern. „Auch die müssen wachsen“, erklärt Stephan Franz. „Bei den angekündigten Ausbauplänen besteht die Gefahr, dass die Anlagenhersteller nicht liefern können“. Insofern könnte ein Grund für die rasante Entwicklung sein, dass die Zellhersteller sich schnell die für die Expansion nötigen schlüsselfertigen Fabriken sichern müssen, bevor die Anlagen ihre Leistungsfähigkeit überhaupt unter Beweis gestellt haben. Bei allen Risiken schätzt Nanomarkets trotzdem, dass der Weltmarkt für Dünnschichtmodule von rund einer Milliarde US-Dollar im Jahr 2007 auf über drei Milliarden im Jahr 2010 wachsen wird.

Das heißt jedoch nicht, dass die Produktion der kristallinen Module zurückgehen wird. Der BSW-Solar warnt davor, die einzelnen Technologien gegeneinander auszuspielen. Es hänge von der Anwendung ab, ob kristalline oder Dünnschichtzellen sinnvoller seien. Bis 2010 wird der Dünnschicht-Marktanteil auf etwa 20 Prozent wachsen, so ein Szenario der European Photovoltaic Industry Association. 2030 liegt er danach mit 30 Prozent bereits Kopf an Kopf mit der Produktion kristalliner Module. Den Rest teilen sich dann allerdings schon ganz neue Konzepte.

An solchen forscht auch Bernd Rech. Im Visier hat er dünne polykristalline Schichten, die die Vorteile beider Technologien – billige Produktionsmethoden und einen hohen Wirkungsgrad – miteinander vereinen. Der Physiker hat jedoch die Sorge, dass in Deutschland nicht genug Geld in die Forschung fließt. „Wenn nicht, könnte es sein, dass die Anlagenbauer ihre schlüsselfertigen Fabriken zwar hierzulande ausprobieren, später aber in den USA oder Japan fertigen“.

Dass Resch damit nicht ganz unrecht haben könnte, wird auch in Sachsen deutlich. Signet Solar hat seinen Firmensitz in den USA. Der Dresdner Raum hat die Firma mit der dort versammelten „Kompetenz bei Halbleiter, Dünnschicht und optischen Technologien“ überzeugt. Erklärtes Ziel ist, die Technologie hier weiterzuentwickeln und die Produktion dann in großem Maßstab hochzuziehen. Das allerdings zu einem guten Teil in Indien, dessen Bedarf an Energie und Nachhaltigkeit rasant steigt.

MF

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