Selbst größere chinesische Konzerne geben gleichlautende Statements ab, zumindest wenn sie an westlichen Börsen notiert sind. Ob diese Beteuerungen immer aufrichtig und ehrlich sind, darüber möchte ich hier nicht spekulieren. Was aber hat das Thema Menschenrechte überhaupt mit der Solarbranche zu tun? Welche Zusammenhänge es da gibt, die für den weiteren Erfolg der Photovoltaik in Europa und deren schnellen Ausbau vielleicht nicht ganz unwichtig sind, darauf komme ich weiter unten noch zu sprechen.
In meinem Januar-Kommentar berichtete ich ja bereits über Einflussgrößen und Faktoren, die das Marktgeschehen und die Preisentwicklung für Module aktuell beeinflussen. Neben politischen Einflüssen gibt es ein Transportproblem zwischen Asien und den restlichen Teilen der Welt, sowie Engpässe bei vielen für die Solarmodulproduktion dringend benötigten Materialen. An dieser Situation hat sich in den letzten Wochen nichts geändert, schon gar nicht verbessert. Im Gegenteil - immer mehr asiatische Hersteller und Lieferanten erhöhen die Preise oder kündigen dies zumindest für die Zeit nach Chinesisch Neujahr an. Zunächst will man sich sammeln, die strategische und pandemische Lage analysieren und dann die Ergebnisse für die kommenden Monate präsentieren. Dass noch etwas Unerwartetes passiert, welches die Situation verbessert und die Modulpreise wieder fallen lässt, ist allerdings nicht zu erwarten – im Gegenteil.
Rohstoffe werden knapp
Welche Rohstoffe für eine reibungslose Modulproduktion mittlerweile knapp und damit teuer werden, das lässt sich leider gar nicht mehr an einer Hand abzählen. Dass es um die Verfügbarkeit von Polysilizium oder Solarglas schlecht bestellt ist, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Vielleicht hat der eine oder andere auch bereits mitbekommen, dass es auch bei Stahl und Aluminium, dem Material für Modulrahmen und Unterkonstruktion langsam kritisch wird. Die damit verbundenen Probleme sind in der Regel aber auf mangelnde Produktions- oder eben Transportkapazitäten zurückzuführen, die sich aber bereits im Ausbau befinden, so dass deren Lösung nur eine Frage von Monaten ist.
Platin, Silber und Kupfer werden immer teurer
Weit weniger erfreulich ist die Situation bei Edelmetallen, denn deren Förderungs- und Verarbeitungskapazität lässt sich nicht ohne weiteres erhöhen. Corona-bedingt fließen Gelder der institutionellen Anleger und privaten Spekulanten jetzt vermehrt in Werte wie Platin, Silber und Kupfer, aber auch andere gefragte Rohstoffe, so dass deren Börsenpreise explodieren. Dummerweise werden diese Edel- und Halbedelmetalle in der Solarzellen- und Modulproduktion eingesetzt, deren Kosten damit zwangsläufig weiter steigen werden.
Der Begriff Xinjiang kommt einigen von uns vielleicht bekannt vor. Der Name der gleichlautenden Provinz im Westen von China taucht immer wieder in Berichterstattungen über Repressalien und gewaltsames Vorgehen der chinesischen Zentralregierung gegenüber der islamischen Minderheit der Uiguren auf.
Die uigurische Bevölkerung in China
Es ist die Rede von Kasernierung und Zwangsarbeit, gegen die Vertreter der Uiguren im chinesischen In- und vor allem Ausland protestieren und die Weltgemeinschaft um Hilfe anrufen. So weit so schlimm, aber kaum einem Akteur innerhalb der Branche ist bewusst, dass ein Großteil des weltweit verfügbaren Polysiliziums, also dem Rohstoff aus dem alle Solarzellen gefertigt werden, in der Provinz Xinjiang hergestellt wird. Die USA haben bereits Sanktionen gegen andere Rohstoffe aus dieser Region angeordnet, zum Beispiel gegen Baumwolle und Baumwollerzeugnisse. Nun wird überlegt, ob nicht auch der Import von Silizium verboten oder zumindest mit hohen Strafzöllen belegt werden soll. Darüber hinaus wird Druck auf die Europäische Union ausgeübt, es den Amerikanern gleichzutun.
Die Firmen Daqo New Energy, TBEA und East Hope
Eine derartige Importbeschränkung hätte möglicherweise dramatische Auswirkungen auf den weltweiten Handel mit Solarprodukten. Immerhin kommen mehr als 50 Prozent des gesamten im Reich der Mitte gefertigten Polysiliziums aus der Region Xinjiang und damit 40 Prozent des weltweit verfügbaren Rohstoffs. Einige Firmen wie Daqo New Energy, TBEA und East Hope produzieren fast ausschließlich in der betroffenen Region und können mit ihrer Großindustrie auch nicht ohne weiteres in andere Provinzen ausweichen. Dies alles passiert in einer Marktsituation, wo die Verfügbarkeiten ohnehin schon knapp sind und die Lage daher äußerst angespannt ist.
Es bleibt abzuwarten, ob von einigen Konzernen hastig herausgegebene Erklärungen und Pressemeldungen, in denen die Firmenleitung zumindest verbal größtmöglichen Abstand nimmt vom Einsatz von Zwangsarbeitern und von Menschenrechtsverletzungen generell, die Erhebung von Sanktionen gegen die Solarindustrie noch verhindern kann, solange die chinesische Regierung weiterhin die uigurische Bevölkerung inhaftiert und foltert.
Das Lieferkettengesetz der Bundesregierung
Sind wir einmal ehrlich, Umwelt- und Sozialstandards haben immer noch einen viel zu geringen Stellenwert in unserem Wirtschaftssystem, das zeigt sich in Deutschland gerade wieder in Form einer sehr kontroversen Diskussion zur geplanten Einführung eines längst überfälligen Lieferkettengesetzes. Ein Lieferkettengesetz soll Unternehmen dazu verpflichten, im Ausland beschaffte Rohstoffe oder Fertigerzeugnisse in allen Phasen ihrer Wertschöpfung auf etwaige umweltschädigende oder gegen die Arbeitsbedingungen verstoßende Produktionsverfahren zu überprüfen und deren Unbedenklichkeit zu dokumentieren. Dies schließt noch keine echten Konsequenzen bei Verstößen ein, sorgt aber für mehr Transparenz und macht ein Greenwashing oder aber die Gewinnmaximierung auf Kosten der Arbeiter in anderen Regionen der Welt schwieriger, betroffene Produkte unattraktiver. Gleichzeitig kann dadurch die lokale Wirtschaft, welche mit immer höheren Umwelt- und Sozialstandards konfrontiert wird, deutlich gestärkt werden. Dies sollte in unser aller Interesse sein. (Martin Schachinger, PVXchange)
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