Dünnschicht ist tot, es lebe die Dünnschicht! Nach dem ersten Hype um Solarmodule mit aufgesputterten Schichtzellen aus Cadmiumtellurid oder Kupfer-Indium-Kompositen (CIGS) steht eine neue Technologie in den Startlöchern. Perowskite gelten als neue Hoffnungsträger der Photovoltaik.
Der Begriff steht für bestimmte Mineralien, denen eine typische Kristallstruktur gemeinsam ist. Schon 1840 hat sie ein deutscher Wissenschaftler aus Fundstücken aus dem Ural klassifiziert und nach seinem russischen Kollegen Lew Perowski benannt. „Seit zehn Jahren werden Perowskite erforscht“, analysierte Michael Powalla, Professor am ZSW in Stuttgart. „Bisher gibt es sehr kleine Laborzellen.“
Jeden Tag 14 neue Papers
Bei einem Vortrag zur Frühjahrstagung der Solarbranche im Kloster Banz fasste Powalla den Stand der Forschungen zusammen. Weltweit befassen sich viele Forschergruppen mit diesem Thema. „Bislang gibt es mehr als 35.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen zu den Tandemzellen mit Perowskiten“, rechnete er vor. „Pro Tag kommen bis zu 14 Publikationen hinzu.“
Als Solarhalbleiter gehören die Perowskite zu den sogenannten Verbindungshalbleitern, wie beispielsweise CIGS oder Cadmiumtellurid. Genau genommen handelt es sich um metallorganische Dünnschichtzellen.
Recht große Bandlücke
Das Material ist komplex, viel komplexer als kristallines Silizium. Im ursprünglichen Mineral steckte Methylammoniumbleijodid, also ein Hybrid aus organischem Methylammonium und Bleijodid, das anorganisch ist. Weil die Perowskite Hybride sind, unterscheiden sie sich von CIGS, das rein anorganisch ist. Mittlerweile gibt es eine ganz große Familie von Perowskiten, die beispielsweise mit Cäsiumbleijodid sogar auch rein anorganische Materialien umfasst.
Besonders wichtig für Solarzellen ist die recht große Bandlücke, die man sehr gut einstellen und anpassen kann. Die Bandlücke der Perowskite fängt vor allem sichtbares und ultraviolettes Licht ein, also den Anteil im Sonnenspektrum, der höhere Frequenzen und geringere Wellenlängen zeigt.
Silizium hat dagegen eine feste, eher kleine Bandlücke. Siliziumzellen nutzen auch rotes und infrarotes Licht, um daraus elektrischen Strom zu generieren, beuten aber sichtbares Licht nicht so gut aus.
Höhere Spannungen, geringere Ströme
Daraus folgt, dass die elektrischen Spannungen aus Perowskitzellen höher sind als aus Siliziumzellen. Allerdings sind die elektrischen Ströme geringer. Obwohl es noch keine Module mit den neuen Zellen gibt, zeichnet sich ein Trend ab: Die Perowskite werden in Tandemzellen oder Triplezellen mit amorphem oder mikromorphem Silizium, Cadmiumtellurid oder CIGS integriert.
Als Substrat für das photoaktive Schichtenpaket dient in der Regel kristallines Silizium. Die eigentliche Solarzelle ist weniger als einen Mikrometer dick. Powalla schätzte ein: „Die große Herausforderung ist der Übergang von der Laborzelle zum flächigen Solarmodul.“
Schwierige Abscheidung der Schichten
Der Grund: Die Siliziumwafer sind ziemlich rau, wenn man ihre Oberfläche in Dimensionen einzelner Mikrometer betrachtet. „Darauf muss man die sehr feine Schicht aufbringen“, erläutert der Experte. „Das sind selbstorganisierende Nanoschichten. Obendrein braucht man speziell optimierte Kontakte.“
Alle großen Modulhersteller sind involviert. Im November 2023 meldete Longi einen neuen Rekord für den Wirkungsgrad: Die Chinesen schafften 33,9 Prozent Lichtausbeute, das Ergebnis wurde vom U.S. National Renewable Energy Laboratory (NREL) bestätigt.
Longi hatte damit den bisherigen Rekord von 33,7 Prozent übertroffen, den die King Abdullah University im Mai 2023 aufgestellt hatte. Der neue Effizienzrekord übertrifft das theoretische Shockley-Queisser-Limit von 33,7 Prozent für Single-Junction-Solarzellen aller Zellmaterialien.
Im Dezember 2022 hatte das Helmholtz-Zentrum in Berlin einen Wirkungsgrad von 32,5 Prozent gemeldet. Auch die Berliner Forscher kombinierten die Perowskitschicht als Topzelle mit einer Unterzelle aus Silizium. Damit schraubten sie die Lichtausbeute weiter hoch.
Module ab 2027 erwartet
Ein Drittel des Lichts in elektrischen Strom umzuwandeln – das ist ein lohnenswertes Ziel. Zumal sich die Effizienz von kristallinen Siliziumzellen derzeit ihrer theoretischen Grenze von 29,4 Prozent nähert. Die theoretische Effizienz von Silizium-Perowskit-Tandemzellen erreicht gar bis zu 43 Prozent.
Doch entscheidend für die Energiewende – für sinkende Kosten für Sonnenstrom – sind nicht die Rekorde aus den Laboren. Die Frage ist, wann praxistaugliche Solarmodule aus den Fabriken kommen. Professor Powalla sieht neue Module mit Perowskiten auf Siliziumsubstrat „signifikant ab 2027“.
Prototyp von Oxford PV leistet 421 Watt
Der erste Schritt zum Modul sind Zellen, die über die Größe der Testmuster in den Laboren hinauswachsen. Die Firma Oxford PV in Brandenburg/Havel hat mittlerweile Wafer mit vier Zoll Kantenmaß beschichtet und aus diesen Zellen mehr als 28 Prozent Wirkungsgrad geholt.
Ein erstes Modul liegt vor, mit 25 Prozent Effizienz und 421 Watt Leistung. Seine Fläche entspricht mit 1,68 Quadratmetern üblichen Standardmodulen. Oxford PV will 200 Megawatt im Jahr produzieren. Bei den Maschinen arbeitet das Unternehmen eng mit Meyer Burger und dem Fraunhofer ISE zusammen.
Das ZSW in Stuttgart erprobt die großflächige Abscheidung der metallorganischen Komposite im Maßstab von Quadratmetern. Das würde dem technologischen Stand entsprechen, den wir von Cadmiumtellurid, CIGS oder Dünnschichtsilizium kennen.
Schlitzguss wie bei CIGS-Modulen
Die Stuttgarter Forscher beschichten einen Prototyp mit 30 mal 30 Zentimetern über spezielle Schlitzdüsen. „Diese Technik stammt aus der Abscheidung von CIGS-Solarzellen“, bestätigte Powalla. „Der komplizierte Aufbau der Schichten ist technisch einfach zu lösen.“
Schlitzguss ermöglicht nach seiner Auffassung auch die Stapelung von zwei Perowskitschichten oder die Kombination mit CIGS-Zellen, um das Spektrum des nutzbaren Lichts zu verbreitern. Am ZSW wird eine Pilotlinie vorbereitet, die Perowskitzellen auf PET-Folien abscheiden kann.
Chinesen schlafen nicht
Großflächige Tandemzellen werden auch von First Solar vorangetrieben, dem US-amerikanischen Pionier der Dünnschichtmodule mit Cadmiumtellurid. Der Modulhersteller hat in Schweden mit der Firma Evolar ein Entwicklungszentrum aufgebaut, dessen großflächige Tandemfolien über 35 Prozent kommen sollen.
Wie die jüngste Meldung von Longi beweist, schlafen die chinesischen Hersteller nicht. Im Gegenteil: Sie stützen sich auf riesige Entwicklungsteams. „Die Chinesen fangen an, solche Folien massenhaft herzustellen“, berichtete Powalla.
Was ist da drin?
Im Reich der Mitte sollen schon die ersten Solarparks mit semitransparenten Solarfolien auf der Basis von Perowskiten entstehen. „Die Fabriken stoßen bis 100 Megawatt im Jahr aus.“ Auch soll es in China bereits zertifizierte Module geben. Doch sei es „unglaublich schwer zu bewerten, was in den Modulen drin ist“.
Für den Professor und viele Experten der Solarbranche ist der Knackpunkt, wie stabil die Beschichtungen mit metallorganischen Solarzellen sind. Erfahrungen mit bekannten Dünnschichttechnologien haben gezeigt, dass sie nicht ohne Weiteres 20 oder 30 Jahre zuverlässig durchhalten. Für die Stabilität der Perowskite ist die Passivierung der Grenzflächen entscheidend. Gelingt es, sie zuverlässig zu veröden, könnten die Mineralien trotz der hohen UV-Einstrahlung oder anderer Einflüsse über Jahrzehnte sauberen Strom liefern. Auch brauchen die Zellen winzige Beimengungen von Blei, um standfest zu sein.
Testmuster am HZB erwiesen sich 300 Stunden lang stabil, ohne Verkapselung. Bislang zeigen sich die Perowskite anfällig gegen hohe Temperaturen um 150 Grad Celsius. Bei dieser Temperatur läuft der Laminierprozess zur Verkapselung mit EVA-Folie, den die fragilen Beschichtungen überstehen müssen.
Industrialisierung steht bevor
Langfristig wird das Blei durch andere Elemente ersetzt, auch das ist ein Thema der Forschung. Michael Powalla ist überzeugt: „Da tut sich eine neue Tür auf. Denn die Kosten sind im Vergleich zu CIGS oder Cadmiumtellurid deutlich niedriger.“
Deshalb formieren sich bereits Konsortien, die weiter denken, über die Grenzen der Labore hinaus. Im März 2023 wurde ein niederländisch-deutsches Konsortium gegründet, um Perowskitmodule zur Marktreife zu bringen. Sie sollen bifaziale Zellen bekommen und mehr als 300 Watt pro Quadratmeter leisten. Zum Vergleich: Module mit Perc-Standardzellen schaffen rund 200 Watt.
Ergebnisse innerhalb von vier Jahren
Innerhalb von vier Jahren wollen die Forscher ihre Arbeiten abschließen. Sie verwenden Perc-Zellen als Substrat. Darauf wird die Perowskitzelle geschichtet. Um den Zellverbund vor Feuchtigkeit zu schützen, wird das Laminat in Glas-Glas-Module implementiert. Am Konsortium sind auch Qcells und das Berliner HZB beteiligt.
Ein anderes Konsortium gruppiert sich um Meyer Burger und das Forschungsinstitut CSEM in Neuchâtel. Beteiligt sind zudem die Universität Stuttgart, das HZB und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau.
Diese Gruppe will Perowskitschichten mit Heterojunction-Zellen kombinieren, die mehr als 30 Prozent Lichtausbeute erzielen. Meyer Burger hat bei der Fertigung solcher Tandemzellen die Nase vorn. Über Smart Wire könnten auch die neuen Zellen kontaktiert werden.
Die Zusammenarbeit baut auf Kooperationen bei der Entwicklung von Heterojunction-Siliziumzellen (HJT) auf. Erste Zellen schafften 29,6 Prozent Wirkungsgrad aus Solarzellen mit 25 Quadratzentimetern Größe.
Zellen von der Rolle
Einen anderen Ansatz verfolgen Forscher an der Universität im walisischen Swansea. Sie haben ein Druckverfahren entwickelt, um Folien mit Perowskitschichten zu bedrucken, von Rolle zu Rolle. Im Test bedruckten sie 2023 eine 20 Meter lange Folie.
Solche dünnen Solarfolien würden völlig neue Einsatzfelder eröffnen. Voraussetzung war die Entwicklung einer preiswerten Tinte auf der Basis von Kohlenstoff. Sie soll die aufgedampften Goldelektroden ersetzen, die in konventionellen Verfahren benutzt werden.
Gigantische Mengen fertigen
Die Tinte enthält Lösungsmittel, die als dünner Film trocknen, ohne ihre Trägerschicht zu beschädigen. Aufgedruckt auf Glasplättchen zeigten die Kohleelektroden eine vergleichbare Effizienz von 13 bis 14 Prozent wie herkömmliche Goldelektroden. Nach Angaben der Forscher hielten sie jedoch höheren Temperaturen stand und erwiesen sich als langlebiger.
Die Testfolie erreichte einen Wirkungsgrad von 10,8 Prozent. Das klingt wenig. Wenn sich die Folien einfach und preiswert herstellen lassen, könnten die geringen Kosten die geringere Lichtausbeute aber mehr als wettmachen. Dann könnte man die Solarfolien sehr schnell in gigantischen Mengen produzieren. Die meterlange Testfolie aus dem Labor in Swansea ist ein echter Sprung, denn bislang waren Testzellen meist nur wenige Quadratzentimeter groß.
Auch die Forschungen an Tandemzellen mit Silizium oder HJT als Basis scheinen vielversprechend. Man darf gespannt sein, ob die ersten kommerziellen Produkte tatsächlich schon 2027 verfügbar sind – wie Michael Powalla prophezeit. Klar ist bereits: Das Rennen um höhere Wirkungsgrade geht weiter. Solarzellen aus kristallinem Silizium waren erst der Anfang. Die nächste Revolution steht bevor, ein weiterer Entwicklungsschub für sehr effiziente Solarsysteme.