Die Preise für Solarmodule sind so weit im Keller, dass im Moment niemand in diesem Geschäft auch nur einen Euro verdient. Wer mit schwarzer Null rausgeht, darf sich glücklich schätzen. Das hat Folgen für die Innovationen: Derzeit werden sie kaum honoriert. Es bleibt abzuwarten, welche echten Neuheiten auf der Intersolar Europe in diesem Jahr präsentiert werden.
Zeichen stehen auf Konsolidierung
Die Zeichen stehen auf Konsolidierung. Also werden zunächst die Ankündigungen aus dem vergangenen Jahr umgesetzt. Die vor Jahresfrist präsentierten Solarmodule waren der Abgesang auf die Al-BSF-Zellen und die Perc-Technologie. Nun kommen neue Zellen: Heterojunction-Tandemzellen (SJT), Topcon und Back Contact (ABC oder IBC).
Al-BSF und Perc sind (fast) vorbei
Am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) haben Forscher rund 1.100 Datenblätter von Solarmodulen mittels künstlicher Intelligenz ausgewertet. „Topcon auf N-Type-Zellen und Heterojunction auf Siliziumbasis kommen stärker“, sagt Holger Neuhaus. Rund 15 Jahre lang war er Technikchef bei Solarworld, nun ist er Professor an der Universität Freiburg und leitet die Abteilung Modultechnologie am Fraunhofer ISE. „Al-BSF und Perc gehören der Vergangenheit an“, urteilt er. „IBC-Zellen bleiben vorerst ein Nischenmarkt.“
Zur Erinnerung: Unter der Ägide von Holger Neuhaus wurden die Perc-Zellen 2012 weltweit erstmals bei Solarworld eingeführt. 2015 kamen die ersten bifazialen Module von Solarworld, mit zwei Millimeter starken Gläsern vorn und hinten.
Perc-Zellen sind P-Typ-Zellen, bei denen der kristalline Siliziumwafer mit Bor positiv dotiert ist. Im Labor schafften die Zellen bis 24,5 Prozent Wirkungsgrad. Die neuen Topcon-Zellen schaffen bis 26,7 Prozent.
Topcon auf dem Vormarsch
Topcon steht für „Tunnel Oxide Passivated Contact“. Diese Zellen wurden am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg entwickelt. Die Zellen können sowohl monofazial als auch bifazial sein. Jinko hat ein monokristallines, bifaziales Topcon-Modul mit 23,53 Prozent Modulwirkungsgrad entwickelt.
Longi Solar schaffte mit einer P-Typ-Topcon-Zelle sogar 25,19 Prozent. Topcon-Zellen sind robuster gegenüber höheren Temperaturen als Perc-Zellen. Hinzu kommen höhere Erträge bei Schwachlicht. Trina und Qcells haben gleichfalls Topcon-Module angekündigt.
Die neuen N-Typ-Zellen Quantum Neo von Qcells werden beispielsweise in den neuen Q-Tron-Modulen eingesetzt. „Vom Labor bis zur Massenfertigung dauert es ungefähr zwei Jahre“, analysiert Professor Neuhaus. Allerdings warnt er vor zu großer Euphorie und fragt: „Wie zuverlässig ist Topcon? Da muss man sehr gründlich hinschauen. Ich erinnere nur an lichtinduzierte Degradation (LID) bei Perc-Zellen.“
SHJ: Kristalline Zelle mit Dünnschicht veredelt
Die zweite Entwicklungslinie sind die Heterojunction-Tandemzellen, bei denen ein kristalliner Siliziumwafer mit hauchfeinen, amorphen Siliziumschichten überzogen wird (SHJ oder HJT). Auf beiden Seiten werden passivierende Kontakte aufgebracht. Sie erreichen einen Wirkungsgrad von 26,8 Prozent.
Meyer Burger setzt auf diese Technologie und prozessiert solche Zellen im Werk in Thalheim. Ursprünglich wurden die Tandemzellen von Sanyo entwickelt und patentiert. Aus Sanyo wurde Panasonic, allerdings liefen die Schutzrechte vor einigen Jahren aus. Panasonic verabschiedete sich aus dem Zellgeschäft, dafür stieg Meyer Burger ein.
Waferdicke könnte schrumpfen
Die SHJ-Zellen haben etwas höhere Wirkungsgrade als Topcon und ihre Leistung ist stabiler bei höheren Temperaturen. Sie erlauben höhere Spannungen, zeigen bessere Performance bei Schwachlicht, also Bewölkung. LID spielt bei ihnen keine Rolle.
Zudem können SJT-Zellen theoretisch aus sehr dünnen Wafern mit nur 100 Mikrometern gefertigt werden. Derzeit gelten 150 Mikrometer als Standard. „Topcon und SHJ sind jetzt in der Fertigung angekommen“, meint Neuhaus.
Soll heißen: Diese Module stehen in großen Stückzahlen zur Verfügung. Um das Schwachlichtverhalten zu verbessern und die internen Verluste weiter zu senken, werden vor allem Halbzellen oder Drittelzellen in den Modulen verbaut.
IBC-Zellen mit freier Frontseite
Seit vergangenem Jahr werden zunehmend Module mit sogenannten IBC-Zellen gezeigt, beispielsweise Zebra Pro von Futurasun. IBC steht für „Interdigited Back Contact“. Bei diesen Zellen liegen beide Kontakte auf der Rückseite. Die Frontseite bleibt komplett unverschattet, weder durch Kontaktfinger (Busbars) noch durch hauchfeine Drähte (Smart Wire) gestört. Weil beide Kontakte (plus und minus) auf der Rückseite liegen, kann man die Anschlüsse niederohmig ausführen. Das minimiert Übergangsverluste.
Longi hat ein HPBC-Modul mit P-Typ-Zellen vorgestellt, das ziemlich erfolgreich ist: das Himo X6. Ende 2023 stellte Aiko Solar in Düsseldorf ein ABC-Modul auf der Basis von N-Typ-Zellen vor.
ABC-Zelle 2021 entwickelt
Aiko Solar wurde 2009 als Zellfabrikant gegründet, zunächst für Perc-Zellen. 2021 wurde die ABC-Zelle (All Back Contact) entwickelt. Der chinesische Hersteller betreibt seit 2020 ein Forschungszentrum in Freiburg, die Nähe zum Fraunhofer ISE ist sicher kein Zufall. Die ABC-Zelle schafft einen Wirkungsgrad von 26,6 Prozent.
Weil die Frontseite ohne Kontaktfinger auskommt, ist sie komplett schwarz. Dadurch gewinnt sie zwei bis sechs Prozent Aperturfläche. Obendrein sind die Degradation und der Temperaturkoeffizient sehr niedrig. Das wirkt sich bei Schwachlicht gewinnbringend aus.
Auf der Rückseite befinden sich relativ breite Busbars und Kontaktfinger, um Verluste aufgrund des elektrischen Innenwiderstands zu senken. Die Metallisierung erfolgt silberfrei.
Aiko wird Modulhersteller
Das 72-Zellen-Modul Comet für Gewerbekunden schafft über 24 Prozent Wirkungsgrad. Die Baureihe Neostar bietet 54 Zellen, sie ist eher für private Anwender gedacht. Die Zellen werden als Halbzellen verschaltet. Aiko bietet sie als Glas-Folie- oder Glas-Glas-Module an. In Deutschland wird das schwarze Glas-Folie-Modul (bis 450 Watt) vertrieben. Die Glas-Glas-Variante leistet 445 Watt. Das größere Gewerbemodul bietet zwischen 600 und 620 Watt.
Aiko hat im vergangenen Jahr eine eigene Modulfabrik hochgefahren. Ob der Ausbau auf 25 Gigawatt – was den Zellfabriken entspricht – schnell vorangeht, wird wesentlich von den Preisen abhängen. Ab Sommer 2024 soll das Comet-Modul mit 144 Halbzellen als bifaziales Modul kommen. Es hat eine schmalere Metallisierung und bietet 65 Prozent Bifazialität. Dieses Projektmodul leistet bis 645 Watt.
Die Auswertung von mehr als 1.000 Datenblättern brachte auch ans Licht: Die Zellen wachsen. Große Zellen der Formate G12/M10 und 210 R (210 x 182 Millimeter, rechteckig) dominieren zunehmend. Auch bei der Kontaktierung tut sich einiges. Zwischen 15 und 18 Busbars werden Standard. Vorbei die Zeiten, als drei, vier oder fünf breite Busbars die Frontseite der Zellen in Streifen zerlegten. Die neuen Zellen und Module kommen allesamt in feinen Nadelstreifen daher. Statt an Busbars mit rechteckigem Querschnitt werden die Ladungsträger über Runddrähte eingesammelt. Oder die Frontseite bleibt gänzlich frei, wie bei den IBC-Zellen.
Award für Schindel-Matrix-Technologie
Ein Fachmann für die Fertigungstechnik ist Nils Klasen, Technology Manager bei der Firma M10 Solar Equipment aus Freiburg. M10 Solar Equipment gewann 2022 den Intersolar Award mit einer Technik, die neuartige Schindelmatritzen im industriellen Maßstab fertigt. „Für uns wird es langsam ernst“, bestätigt Nils Klasen. „Wir haben unser Produkt mit dem Fraunhofer ISE entwickelt und wollen es sehr bald in den Markt bringen.“
Die Schindel-Matrix-Technik von M10 Solar Equipment zerlegt die Zellen in schmale Streifen, die wie Mauerwerk ineinander geschichtet sind. Auf diese Weise erzeugen sie variierbare Muster auf der Oberfläche. Mit Farbfolie auf der Rückseite lassen sich optisch ansprechende Solarmodule herstellen, beispielsweise für Fassaden.
Bisher sind Halbzellenmodule meist mit der Butterfly-Technik verschaltet. Zwei Halbmodule werden parallel verknüpft. Die einzelnen Halbzellen sind über Drähte von der Vorderseite einer Solarzelle zur Rückseite der nächsten Zelle verschaltet.
Leitfähiger Kleber statt Metallverbinder
Bei der Schindel-Matrix gibt es keine Metallverbinder mehr. Stattdessen kommt in den Überlappungsbereichen der Zellen ein leitfähiger Klebstoff (mit Kupfer oder Silber) zum Einsatz, der den Ladungstransport sicherstellt. Für ein Standardmodul von 1,6 Quadratmeter Fläche werden je nach Füllanteil des Klebers 0,8 Gramm Silber gebraucht. Die Klebschicht ist nur 30 bis 40 Mikrometer dick, Kupferbänder sind Geschichte.
Die deutlich kleineren Streifenzellen erzeugen geringere Ströme, die wiederum geringere Verluste verursachen. Im Modul gibt es weniger Totraum, die Packungsdichte steigt. Ohne Drähte bleibt die Frontseite unverschattet und im Modul gibt es weniger inaktive Flächen. Außerdem zeigten die kleineren Zellen bessere Resistenz gegen partielle Verschattung durch Antennen oder Gauben. Die Herausforderung liegt in der Passivierung der Kanten, denn die Zellstreifen werden aus Standardzellen geschnitten. Für Topcon-Zellen gibt es bereits industrielle Lösungen, um die Schnittkanten zu veröden.
12.000 Zellen pro Stunde
M10 Solar Equipment will keine Module fertigen, sondern Maschinen für die Produktion der Schindelmatritzen entwickeln. Ziel sind 12.000 Zellen pro Stunde. Sie werden geschnitten, die Kanten passiviert, verklebt und querverschaltet. Ende 2024 könnten die ersten Module verfügbar sein.
Um größere Zellformate zu verarbeiten, braucht die Maschine eine halbe bis eine Stunde Umrüstzeit. Neue Zelllayouts im Modul werden über die Steuerung eingespielt, als Update des Maschinenprogramms.
Jedes Jahr ein halbes Prozent mehr
Fakt ist: Kurzfristige Verwerfungen im Modulmarkt werden vermutlich die Zahl der Hersteller bereinigen. Den Leistungshunger der Solarkunden stoppen sie nicht. Kostbare Fläche wird effizienter ausgenutzt, um mehr Strom zu erzeugen.
Die neue Generation der Solarzellen öffnet neue Horizonte für einen Markt, der weltweit an Dynamik gewinnt. Man muss kein Prophet sein: Auch 2024 wird der Zubau deutlich wachsen.
Es wird weiterhin an neuen Zellen geforscht, an spannenden Innovationen in der Fertigungstechnik. Professor Holger Neuhaus vom Fraunhofer ISE beziffert die Zunahme der Modulwirkungsgrade auf 0,5 Prozent im Jahr und prophezeit: „Das wird in den nächsten Jahren so weitergehen.“
https://www.ise.fraunhofer.de/
Heckert Solar
Markteinführung des Apollon 1.0 und innovative Zeus-Serie
Mit dem Start der Serienproduktion des Apollon 1.0 und der Einführung der international ausgerichteten Zeus-Modulserie antwortet Heckert Solar aus Chemnitz auf die wachsende Nachfrage nach ausgezeichneter Qualität und Nachhaltigkeit. Die Module werden mit Topcon-Zellen gefertigt.
Die Modulreihe Zeus „powered by Heckert Solar“ wird zunächst mit Glas-Glas-Modulen (445 Watt) gestartet. Zudem will Heckert Solar die Baureihe durch gewerbliche Module ergänzen.
In Deutschland gefertigt werden die neuen Solarmodule Apollon 1.0, die seit Mitte März 2024 in Chemnitz von den Bändern laufen. Sie zeichnen sich durch außergewöhnliche Stabilität und hohe Leistungsfähigkeit bis 440 Watt aus. Zudem kündigte Heckert Solar die Entwicklung neuer Glas-Glas-Module an, die ab Ende des Jahres in Chemnitz produziert werden.
Solitek
Bifaziale Perc-Module für Carports
Das in Litauen ansässige Unternehmen Solitek hat kürzlich sein neues Produkt vorgestellt: bifaziale Doppelglasmodule, die speziell für Carports vorgesehen sind. Sie leisten 370 Watt, bestehen aus Gläsern mit drei Millimetern Dicke, die im Alurahmen eingefasst sind. Die neuen Module erhielten die bauaufsichtliche Zulassung für Überkopfverglasungen und sind gegen Hagel beständig (Klasse 4).
Zudem erfüllen die Module die Anforderungen der Brandklasse A. Sie halten Schneelasten bis 10.500 Pascal und Winddrücken bis 5.400 Pascal stand. Die Module bestehen aus monokristallinen Perc-Zellen (M6, Typ 60p), der Wirkungsgrad erreicht 19,57 Prozent. Jedes Modul (1.782 x 1.061 x 35 Millimeter) wiegt 32 Kilogramm und ist für Systemspannungen bis 1.000 Volt DC ausgelegt.
Ausgestattet mit einer Anschlussdose mit der Schutzart IP 68 und einem Rahmen aus schwarzem anodisiertem Aluminium sind diese Module auf Langlebigkeit und robuste Leistung ausgerichtet. Die Gläser auf der Vorderseite erhielten Antireflexbeschichtung. Für die Rückseite wird Floatglas eingesetzt. Solitek gibt 30 Jahre Produktgarantie.
Aktuelles Video
Matthias Klopstein von AE Solar: Module mit höherem Ertrag und Stabilität
PV on Tour: Für die bifazialen Glas-Glas-Module Terra von AE Solar wurde das Layout der Zellen verändert. Sie wurden um 90 Grad gedreht und liegen nun mit der Längsseite entlang der Längsseite des Moduls. Dadurch sinkt der Zellbruch bei sehr hohen Windlasten oder starkem Schnee erheblich, denn die Zellen passen sich besser an die Biegelinie an. Matthias Klopstein ist Vertriebsleiter für Europa. Von ihm erfahren wir, welche weiteren Innovationen in den Kraftpaneelen stecken.
https://www.photovoltaik.eu/videos/pv-on-tour
Solarwatt
Emissionsarme Module leisten 450 Watt
Ab sofort bietet Solarwatt neue Topcon-Module mit bis zu 450 Watt an. Die neue Baureihe ist als Glas-Glas- und Glas-Folie-Ausführung Pro Shop von Solarwatt erhältlich. Die Doppelglasmodule werden als bifaziale Halbzellenmodule in den Ausfertigungen Style, Black und Pure angeboten. Sie verfügen über einen Aluminiumrahmen (35 Millimeter), sind robust und sehr langlebig.
Die Glas-Folie-Module sind in Pure und Black gleichfalls mit 35-Millimeter-Rahmen aus Aluminium versehen. Für die Glas-Glas-Module gewährt Solarwatt eine Produkt- und Leistungsgarantie von 30 Jahren. Für Glas-Folie-Module beträgt die Produktgarantie 20 Jahre und die Leistungsgarantie 25 Jahre.
Neben der hohen Leistung zeichnen sich die Module durch ihren sehr niedrigen CO₂-Abdruck aus. Dank moderner Fertigung in vom TÜV Süd kontrollierten Zero-Carbon-Fabriken verursacht jedes Modul nur 220 Kilogramm Emissionen (CO₂-Äquivalente). Zum Vergleich: Standardmodule erzeugen derzeit mehr als 600 Kilogramm CO₂. 75 Prozent des Aluminiums für die Rahmen stammen aus Recycling, beim Silizium zur Herstellung der Solarzellen sind es 45 Prozent und bei den Gläsern 20 Prozent.