Die Intensität der Sonneneinstrahlung variiert je nach Tageszeit und Jahresverlauf. Besonders in den Herbst- und Wintermonaten ist der Anteil der diffusen Lichtstrahlung hoch. Dies gilt für alle Dächer, egal ob sie nach Osten, Westen oder Süden ausgerichtet sind. Schwachlicht herrscht aber auch in den frühen Morgenstunden und am Abend. Davon sind vor allem Dächer mit Ost-West-Ausrichtung betroffen.
Aus diesem Grund konzentrierten sich Projektierer, Investoren und Installateure bis vor Kurzem vorwiegend auf Dächer mit Südausrichtung, da dort die optimale Sonneneinstrahlung gegeben ist und die höchsten Erträge erwartet werden können. Viele große Dächer auf Gewerbebauten, Fabriken oder kommunalen Gebäuden sind jedoch nach Osten und Westen ausgerichtet. Der Fortschritt in der Modultechnik macht auch diese Dächer für die Gewinnung von Solarstrom interessant. Denn Dünnschichtmodule aus Kupfer, Indium und Selen (CIS) erlauben dort aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften Erträge, die mit der kristallinen Zelltechnik nicht möglich sind.
Die spezifizierte Nennleistung und der Wirkungsgrad von Solarmodulen werden – gemäß den Bestimmungen der Industrienormen – mit dem sogenannten Sonnensimulator oder Flasher im Labor gemessen. Dazu wird eine künstliche Einstrahlung erzeugt, deren Intensität und Lichtspektrum der „vollen“ Mittagssonne entspricht und senkrecht auf das Modul ausgerichtet wird. Allerdings lassen sich aus der so gemessenen Nennleistung keine Rückschlüsse ziehen, wie sich ein Modul unter abweichenden Bedingungen verhält.
Stark bei Schwachlicht
Besonders der Wirkungsgrad unter Schwachlicht, sei es unter diffusem oder nicht senkrecht auf das Modul ausgerichtetem Licht, kann stark von der Spezifikation des Paneels abweichen. In der Praxis lassen sich große Unterschiede zwischen den verschiedenen Modultechnologien feststellen. Zudem variieren diese Werte je nach Hersteller meist auch innerhalb einer Modultechnologie.
So zeigen CIS-Solarmodule beispielsweise ein deutlich besseres Schwachlichtverhalten im Vergleich zu poly- oder monokristallinen Modulen. Selbst bei niedrigen Einstrahlungswinkeln liefern CIS-Module am Morgen früher Strom und gehen am Abend später „aus der Sonne“. Mit ihrer Hilfe lassen sich daher auch die im klassischen Sinne für die Photovoltaik ungünstigen Ost-West-Dächer effizient und profitabel nutzen, da das gute Schwachlichtverhalten die hier von schwachen Lichtanteilen geprägten Einstrahlungsverhältnisse nahezu kompensiert.
Breiteres Spektrum nutzen
Doch wie lässt sich der Unterschied im Schwachlichtverhalten der unterschiedlichen Modultechnologien erklären? Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. So beeinflussen beispielsweise auch qualitative Ansprüche und der technologische Aufwand, den der jeweilige Modulhersteller für seine Produktion betreibt, das Ergebnis. Allerdings gibt es auch deutliche Unterschiede in den physikalischen Eigenschaften, die sich für manche Technologien – in diesem Fall für CIS-Dünnschichtmodule – als entscheidender Vorteil erweisen.
Die CIS-Dünnschichtmodule können ein breiteres Lichtspektrum nutzen. Dies wird bei einer genaueren Betrachtung der sogenannten Spektralantwort (Spectral Response, SR) der CIS-Module deutlich, die durch die Absorptionsfähigkeit von Licht mit unterschiedlichen Wellenlängen bestimmt wird. Wie erwähnt, simuliert der im Labor eingesetzte Sonnensimulator das Lichtspektrum einer direkt auf das Modul einstrahlenden Mittagssonne. Ändert sich der Sonnenstand, legt die Einstrahlung damit automatisch auch eine längere Entfernung durch die Erdatmosphäre zurück. Dies wirkt sich auch auf das Lichtspektrum aus, und die Anteile der einzelnen Wellenlängen verändern sich.
Besonders groß ist diese Abweichung vor allem in den frühen und späten Tagesstunden sowie bei diffusem Licht, weil dann der Anteil der infraroten Strahlung am gesamten Lichtspektrum größer wird. In diesem Bereich sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Modultechnologien besonders signifikant: Kristallines Silizium weist gerade bei infraroten Wellenlängen über 1.000 Nanometern eine schwache Spektralantwort auf, erreicht schneller seine Grenze und absorbiert in diesem Bereich kaum noch Licht.
Die CIS-Technologie besitzt hingegen eine deutlich höhere Spektralantwort – und damit eine höhere Effizienz. Die Folge: CIS-Module produzieren selbst dann noch Strom, wenn amorphe oder kristalline Siliziummodule die Energieproduktion bereits eingestellt haben.
Vergleich mit CdTe
Allerdings bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass alle Dünnschichttechnologien bei schwachem oder diffusem Licht gut abschneiden. Auf einem flachen Nord-Dach, bei dem Cadmium-Tellurid (CdTe)- und CIS-Module verglichen wurden, zeigt sich der Unterschied zwischen den beiden Technologien gleich in den ersten Morgenstunden und besteht bis zum Ende des Tages bei Sonnenuntergang. Die CIS-Module schalten sich morgens bei schwachem Licht schneller ein und abends, bevor es dunkel wird, später ab. Daher arbeiten sie länger am Tag und können ihre Spitzenleistung optimal einsetzen. Denn neben der Spitzenleistung ist entscheidend, wie lange die Anlage täglich im Betrieb sein kann. So sind die CIS-Module in der Lage, auch unter den schwierigeren Bedingungen auf Ost-West-Dächern, Flachdächern oder gar auf Nord-Dächern mehr Betriebsstunden zu erzielen und daher mehr Solarenergie zu liefern als andere Modultechnologien.
Der Effekt des Light Soaking
Das gute Schwachlichtverhalten und die damit verbundenen höheren Erträge im Vergleich zu anderen Technologien sind ein wichtiges Argument für viele Kunden, sich für Anlagen mit CIS-Dünnschichtmodulen zu entscheiden. Ein weiterer Grund für die höheren Erträge ist der sogenannte Light-Soaking-Effekt.
Dieser Begriff beschreibt eine spezielle Eigenschaft der CIS-Dünnschichtmodule, die eintritt, sobald diese dem Sonnenlicht ausgesetzt sind: Die genauen chemischen und physikalischen Vorgänge, die zum Light Soaking führen, sind momentan noch nicht völlig erforscht. Sicher ist jedoch, dass sich bereits nach den ersten Betriebsstunden in der Sonne die Leistung und der Wirkungsgrad des Moduls erhöhen.
Mehr Leistung als bezahlt
Dadurch gibt das Modul mehr Leistung ab, als der Hersteller am Ende der Fertigungslinie misst. Das bedeutet: Der Investor kauft das Modul mit einer bestimmten Nennleistung, erhält aber dauerhaft eine um mehrere Watt höhere, stabilisierte Leistung. Gleichzeitig ist die Leistung über die Zeit stabiler, das heißt, die Degradation der Module im Vergleich zu kristallinen oder amorphen Technologien ist geringer. Selbst wenn die CIS-Module im Durchschnitt jährlich 0,5 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit einbüßen, gewinnen sie durch den Light-Soaking-Effekt bedeutend an Leistung hinzu, sodass sie über eine Betriebszeit von 25 Jahren weit mehr als ihren garantierten Output liefern.
Auch im Leistungsvergleich zwischen unterschiedlichen Modultypen schneiden die Dünnschichtmodule nicht zuletzt durch den Light-Soaking-Effekt besser ab: Seit Ende 2010 läuft eine Vergleichsanlage in Schleswig-Holstein auf einem 15 Grad geneigten, nach Südosten gerichteten Dach mit CIS-Modulen sowie vier verschiedenen kristallinen Modultypen. Dazu wurden die Ertragsdaten der verschiedenen Technologien im Laufe von zwei Jahren verglichen.
Hohe Toleranz für Verschattungen
Die Ergebnisse wurden auf die Spitzenleistung (Kilowatt) bezogen und zeigten: CIS-Module weisen den höchsten Energieertrag in Kilowattstunden pro Kilowatt vor.
Eine weitere Eigenschaft der CIS-Dünnschichttechnologie, die zu höheren Erträgen gegenüber kristallinen Modulen führt, ist deren hohe Verschattungstoleranz. Bei Schattenwurf auf kristalline Module oder deren teilweiser Abdeckung durch Laub oder Schmutz können das komplette Modul und sogar der gesamte String ausfallen. Der Grund hierfür liegt in der Serienverschaltung der Solarzellen zu einem Modul sowie der Aneinanderreihung mehrerer Module zu einem String. Durch die Serienverschaltung begrenzt der Strom des schwächsten Moduls – also des Modules, das am wenigsten Energie produziert – den Ertrag der gesamten Anlage. Im Extremfall fällt das Modul komplett aus.
Hier verhalten sich die CIS-Module deutlich weniger empfindlich. CIS-Module bestehen im Gegensatz zu kristallinen Modulen aus langen streifenartigen Zellen – bei Solar Frontier sind es beispielsweise 170 pro Modul.
Aufgrund dieser Zellform verteilt sich ein Schatten meist auf mehrere Zellen, die jeweils nur teilweise verschattet werden und weniger Stromverlust erleben. Daher fällt nur die Fläche des Moduls aus, die vom Schattenwurf betroffen ist. Kristalline Module hingegen fallen schon bei kleinen Verschattungen aus, da der Schatten meistens eine oder mehrere der quadratischen Zellen komplett abdeckt, was zum kompletten Ausfall des Modules führt und die Leistung der Anlage somit signifikant reduziert.
Ohne Blei und Cadmium
Diese Argumente überzeugen auch in der Praxis: Jörg Lauterbach, Geschäftsführer der Solagent GmbH in Wirsberg, sollte Anfang 2011 eine Solaranlage für das Dach einer Reithalle in Neudrossenfeld planen. Zunächst zog er auch kristalline Module in Betracht. Letztlich entschied er sich aber für CIS-Dünnschichtmodule, da diese auf dem nach Ost und West ausgerichteten Dach nicht nur hohe Erträge, sondern auch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis versprachen. Der umweltfreundliche Aspekt der Dünnschichtmodule, die ohne Cadmium und Blei hergestellt werden, war ein zusätzliches Argument.
Die Anlage auf dem Dach besteht aus 1.384 Modulen, mit einer installierten Leistung von 50 Kilowattpeak auf der Ost- und 130 Kilowattpeak auf der Westseite des Daches. Vor dem Aufbau und Anschluss der Anlage lag die Zusage des Netzbetreibers bereits vor. Bei der Installation wurden Module vom Typ Solar Frontier SF130-L mit 130 Watt Spitzenleistung mit den Maßen 1.257 Millimeter mal 977 Millimeter eingesetzt.
Sprung im Wirkungsgrad
Der Wirkungsgrad der Anfang 2011 hergestellten Module lag damals bei 10,6 Prozent. Nur knapp eineinhalb Jahre später erreichten die Module von Solar Frontier bereits Wirkungsgrade von bis zu 13 Prozent. Diese Steigerung zeigte nicht nur, dass sich Erfolge aus dem Labor zeitnah und erfolgreich in industrielle Maßstäbe umsetzen lassen, sondern auch, wie schnell die CIS-Technologie den Abstand zu kristallinen Modulen bei der Effizienz verringert.
Insgesamt wurden 173 Strings mit je acht Modulen auf dem Dach installiert. Getragen wird die Anlage von Unterkonstruktionen des Typs Novotegra (Baywa r.e.), die die Kabel vor Wasser und Wind schützen. Die Verkabelung ist direkt in den Schienen verlegt und damit gut geschützt. Regen, Schnee und andere Witterungseinflüsse können weder den Modulen noch der Verkabelung schaden.
Installation in weniger als drei Wochen
Nach knapp zweieinhalb Wochen war die Anlage fertig montiert, verkabelt und einsatzbereit. Anfang Mai 2011 ging sie ans Netz und trägt seitdem zur sauberen Stromversorgung von Neudrossenfeld bei. Die von der Reithalle nicht selbst benötigte Energie wird eingespeist und versorgt jährlich durchschnittlich 35 Vier-Personen-Haushalte mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 4.100 Kilowattstunden mit Strom. Dies entspricht einer Einsparung von etwa 127 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Grund genug für die Sparkasse Kulmbach-Kronach, die Investition auch aufgrund der Rentabilität abzusichern.
Prognosen deutlich übertroffen
Beinahe zwei Jahre nach Inbetriebnahme zeigt die Ertragsbilanz, dass die Anlage die Erwartungen auch in der Praxis mehr als übertrifft: Allein im Jahr 2012 produzierte die Solaranlage in Neudrossenfeld rund 181.000 Kilowattstunden Sonnenstrom.
Anlagenplaner Jörg Lauterbach hatte in seiner Planung mit 143.936 Kilowattstunden im Jahr gerechnet – ein Wert, der deutlich übertroffen wurde. Bei solchen Erträgen zeigt sich, dass Photovoltaikinstallationen auf Ost-West-Dächern durchaus eine rentable Stromausbeute erzielen – wenn die Planer mit dem technischen Fortschritt gehen und die richtigen Solarmodule verwenden.
Schon 14,6 Prozent erreicht
Die eingebauten CIS-Module sind nicht nur effizient und umweltfreundlich, sondern bieten auch unter schwierigsten Bedingungen überdurchschnittliche Ertragsaussichten. Abzusehen ist, dass Ost-West-Dächer künftig in der Erzeugung von Solarstrom eine deutlich größere Rolle spielen werden als bisher.
Mittlerweile haben die Ingenieure von Solar Frontier in der Fertigung bereits einen Modulwirkungsgrad von 14,6 Prozent erreicht. Das entspricht der Effizienz von polykristallinen Modulen. Mit solchen Wirkungsgraden kann die CIS-Technik ihre Vorteile, wie gute Erträge bei Schwachlicht und Verschattung, voll ausspielen und zusätzliche Flächen für die Photovoltaik erschließen.
Der Autor
Mohamed Ali Bouattour
ist Technical Sales Engineer bei Solar Frontier Europe in München. Er hat die dargestellte Anlage begleitet und die Datenanalyse aufbereitet.https://www.solar-frontier.eu/