Nach Berechnungen des PI Berlin wären bereits 20 Prozent Heizungserneuerung durch derartige Speicher-BHKW hinreichend, um ganzjährig stundengenau Regelenergie bereitzustellen zuzüglich des Wasserstoffs für Industrie und Schwertransport. Geheizt wird auf Anforderung, aber gekoppelt an Wasserstoff oder an die Stromerzeugung.
Auch im (finalen) stromgeführten Betrieb würden effizient ungenutzte Wärmeverluste reduziert. Das Umschalten zwischen beiden Betriebsarten wird durch den Einspeisewechselrichter gesteuert – je nach Frequenz- und Spannungslage am Netzknoten. Die Signale kommen so direkt vom Netz und wären verpflichtend für den Betrieb des Speicher-BHKW bei Vergütung des erzeugten Wasserstoff/Stroms.
Direktsignal statt Digitalisierung
Ein Direktsignal wäre technisch sauberer als die umfassende Digitalisierung des Stromnetzes, weniger riskant und besser akzeptiert. Der Aufbau weiterer Infrastrukturen ist nicht notwendig, wobei das Gasnetz sukzessive umgenutzt wird. Die Anpassung des Gasnetzes an Wasserstoff ist nur ein Rückgriff auf unsere „Stadtgas“-Vergangenheit mit einem Wasserstoffanteil von 51 Prozent. Der Eigentümer oder Vermieter nutzt vor Ort wie gewohnt Wärme aus dem Speicher-BHKW beziehungsweise darf sie weiterhin in Rechnung stellen.
Das Berliner Startup Home Power Solutions nutzt diesen Ansatz bereits für den Strom- und Wärmebedarf von Ein- und Zweifamilienhäusern, nur mit Photovoltaik und Wasserstofftanks, ganzjährig netzunabhängig.
Das Gasnetz als großer, kollektiver Speicher
Bei der Vernetzung von erzeugungsarmen Stadtgebieten mit erzeugungsstarkem Umland wird aber eine Vergütung der Gasnetz-Einspeisung wichtig. Genauso wie bei Stromknappheit, die der Stromeinspeisung, die dann fairerweise auch bestehenden Batteriespeichern zustünde.
Immerhin liegen bei den jetzt installierten Solar-Batterie-Systemen im Winter eine Gigawattstunde Speicherkapazität brach, würden sie nicht teilweise von innovativen Sharing Communities genutzt. Doch anders als das Stromnetz schafft das Gasnetz sowohl räumlichen als auch zeitlichen Ausgleich - als günstiger, großer und kollektiver Speicher.
Energiebürger werden erneut gebraucht
Die Investitionen in Photovoltaik und Wind kamen zum größeren Teil von den Bürgern selbst und waren der wichtigste Treiber für den Erfolg des EEG in Deutschland und weltweit.
Wer dabei nur über die Verhinderung von Mitnahmeeffekten nachdenkt, hat die gestellte Aufgabe nicht wirklich verstanden. Das Engagement der Energiebürger wird erneut gebraucht, um auch den Speichermarkt anzuschieben. 20 Prozent der Heizenergie wird in Mehrfamilienhäusern in den Städten verbraucht. Warum also nicht genau dort Speicher-BHKW zulassen?
Die Großindustrie versagt
Warum der Markt bei uns nicht hinreichend wirkt, siehe das Beispiel Elektromobilität: Wäre VW nicht massiv geschubst worden, und zwar von außerhalb der Politik, wären wir immer noch auf dem Stand von 2015. Zeitgleich missbrauchte VW seine Befreiung von der EEG-Umlage für die firmeneigenen BHKW.
Würden wir uns nur auf unsere Großindustrie und ihre Geschäftsmodelle verlassen, verschieben wir Innovationen ins Nirgendwo und ernten schädliche Mitnahmeeffekte im großen Stil. Wir brauchen deshalb unbedingt neue Player.
Behutsam, und dennoch entschlossen
Die Energiewende braucht den zweiten Schritt und der muss behutsam und doch entschlossen getan werden, wenn ihn unsere Industrie ohne Schubser (wieder) nicht tut. Die Vision vom dezentralen Speicher-BHKW – als eine Möglichkeit – wird der Energieindustrie prinzipiell nicht gefallen, aber den kreativen Start-Ups und den investitionsbereiten Energiebürgern schon: Erst die Solaranlage auf dem Dach und dann das Speicher-BHKW im Keller – als zweiter Schritt.
Politik darf nicht visionär sein, aber war sie es beim EEG nicht schon?
Dr. Paul Grunow ist Geschäftsführer des Photovoltaik-Institus in Berlin.
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