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Solarzellen

70 Jahre Solarzelle

Die ersten Solarzellen von ­Daryl Chapin aus dem Jahr 1954.

Foto: Solarmuseum

Die ersten Solarzellen von ­Daryl Chapin aus dem Jahr 1954.

Der 25. April 1954 war ein sonniger Tag. Auf dem Außengelände der Bell Laboratories im US-Bundesstaat New Jersey hatten sich drei Männer positioniert: Der Physiker Daryl Chapin hielt eine merkwürdige Kapsel in die Sonne, von der Größe einer Zigarettenschachtel.

Sein Kollege Gerald Pearson stand bei ihm am Mikrofon. Rund 100 Meter entfernt hatte sich der Chemiker Calvin S. Fuller aufgebaut, am Empfänger. Auf Chapins Zeichen sprach Pearson ins Mikro. Fuller hob die Hand und winkte. Das war das Signal, dass er die Nachricht verstanden hatte.

Die Nachricht ging um die Welt

Eine Nachricht, die um die Welt ging. Denn erstmals war es gelungen, elektrischen Strom aus Licht zu gewinnen – mit ausreichender Leistung, um technische Prozesse zu versorgen. Die „Solarbatterie von Bell“ machte weltweit Schlagzeilen, sprang auf die Titelseiten der New York Times und der Times in London.

Zwei Jahre zuvor hatte Daryl Chapin von seinem Boss bei der Telefongesellschaft AT&T den Auftrag bekommen, eine Batterie für die Tropen zu entwickeln. Die bekannten Bleibatterien funktionierten in gemäßigten Breiten gut, aber in den Tropen machten sie schnell schlapp. Hitze und Feuchtigkeit ließen die Kontakte korrodieren.

Abgelegene Telefonmasten versorgen

Es ging um die Stromversorgung von abgelegenen Telefonmasten, die nicht an ein Netz angeschlossen werden konnten. Die Bell Labs waren die Ideenschmiede von AT&T und Chapin einer der fähigsten Köpfe. Zunächst versuchte er es mit Selen, dessen photoelektrische Eigenschaften seinerzeit bekannt waren. Allerdings erreichte der Wirkungsgrad nur ein halbes Prozent, aus dem Quadratmeter Aperturfläche waren lediglich fünf Watt zu erwarten.

Der Einzelkämpfer baute ein Team auf, und das Trio konzentrierte sich fortan auf den Halbleiter Silizium. Erst kurz zuvor waren die ersten Bipolartransistoren aus Silizium entwickelt worden. Sie kamen gleichfalls 1954 auf den Markt, von den Bell Labs und Texas Instruments.

Dotierung von Silizium mit Bor

Um Silizium für Solarzellen zu nutzen, musste es elektrisch leitfähig gemacht werden. Chapin und sein Team dotieren das Material unter anderem mit Bor. Endlich konnten sie einen nennenswerten Stromfluss messen, sobald Sonnenlicht auf die Zelle schien.

Der Strom war größer als bei allen bis dahin bekannten Alternativen. Als sie Bor und Arsen zur Dotierung einsetzten, wurde die Leistung größer. Endlich schien eine technisch sinnvolle Zelle in Reichweite, die sich patentieren ließ.

Geld spielte keine Rolle

Schnell folgten die ersten Solarmodule, mit bis zu 50 Watt Leistung. Aber die Technik stand am Anfang und war sehr teuer. Mitte der 1950er-Jahre hätte eine heute übliche Solaranlage auf dem Dach eines Einfamilienhauses etwa anderthalb Millionen US-Dollar gekostet.

Die Technik schien aussichtsreich, aber Geld durfte keine Rolle spielen. Was lag näher, als Solarzellen in der Raumfahrt einzusetzen? 1957 hatte der sowjetische Sputnik die westliche Welt geschockt.

Vanguard 1 erstmals ausgestattet

Am 17. März 1958 schickten die Amerikaner ihren ersten brauchbaren Satelliten ins All, Vanguard 1. Er wog nur anderthalb Kilogramm und hatte einen Durchmesser von 15 Zentimetern. Der Satellit besaß sechs Antennen, die jeweils seitlich abstanden. Die Stromversorgung lief über Batterien und Solarzellen.

Noch heute schwirrt er durch den Orbit. Der batteriebetriebene Sender war bereits im Mai 1958 erschöpft, aber der solarbetriebene Sender funkte bis Mai 1964. Die Nasa erwartet, dass Vanguard 1 etwa 2200 in die Erdatmosphäre eintreten und verglühen wird.

Rückkehr zur Erde

Solarzellen für die Raumfahrt wurden weiterentwickelt und sind dort heute nicht mehr wegzudenken. So erhielt die Raumsonde Helios aus Europa Anfang der 1980er-Jahre rund 2.000 monokristalline Solarzellen. Sie wurden bei MBB in München ins Gehäuse der Sonde integriert und leisteten rund 280 Watt.

Zahlreiche Entdeckungen und Erfindungen verbesserten das Verständnis der physikalischen Vorgänge. Schließlich kehrte die Solarzelle – für irdische Anwendungen entwickelt – zur Erde zurück.

Siemens und AEG treiben die Technik voran

Ende der 1970er-Jahre begannen zwei Weltkonzerne, die Technik für terrestrische Einsätze zu optimieren: Siemens und AEG. Im Weltraum wurde vor allem reines, monokristallines Silizium verwendet. 1979 stellte jedoch die AEG ihre erste Zellfabrik in Heilbronn auf preiswerteres polykristallines Silizium um.

Dort wurden die Siliziumplatten prozessiert. Sie hatten eine Kantenlänge von zehn Zentimetern und waren 0,4 Millimeter dick. Die Scheiben wurden zunächst gewaschen, mit einer Maske bedeckt und im Vakuumofen mit Aluminium bedampft. Auf diese Weise erfolgte die Kontaktierung der Frontseite. Die Rückseite wurde vollflächig mit Aluminium ­verspiegelt.

Der Satellit Vanguard 1 wurde 1958 mit Solarzellen ausgestattet.

Foto: NASM

Der Satellit Vanguard 1 wurde 1958 mit Solarzellen ausgestattet.
Die Raumsonde Helios wurde mit 2.000 monokristallinen Solarzellen verkleidet.

Foto: MBB

Die Raumsonde Helios wurde mit 2.000 monokristallinen Solarzellen verkleidet.

Mit Reinhold Messner zum K2

Wie leistungsfähig die Solarzellen damals waren, verdeutlicht diese Episode: Als Reinhold Messner 1979 zum K2 nach Pakistan aufbrach, hatte er ein tragbares Funkgerät mit Solarzellen dabei. Es leistete 20 Watt. Messner hatte die Erlaubnis, den 8.611 Meter Gipfel zu erklimmen, nur unter der Voraussetzung bekommen, dass er eine ständige Verbindung zur Polizeistation in 100 Kilometern Entfernung hielt.

In Wedel bei Hamburg entstand Anfang der 1980er-Jahre eine Manufaktur, die 20 solcher Zellen per Handarbeit in ein Layout brachte, ein Modul. Die fragilen Zellen wurden in Folie laminiert und zwischen Gläsern eingebettet. Danach erhielt das Verbundglas einen stabilen Rahmen.

Pellworm: Erster Solarpark der Welt

AEG baute 1983 auf der Nordseeinsel Pellworm den ersten Solarpark weltweit, „solarelektrische Anlage“ genannt. Mehr als 17.500 Solarmodule aus Wedel wurden auf 182 schräg stehende Rahmen montiert, die zwei Fußballfelder bedeckten.

Die Systemspannung betrug 346 Volt, die Leistung rund 300 Kilowatt. Die Anlage kostete elf Millionen Euro und versorgte eine Batterie im Kurzentrum der Insel.

Siemens in München experimentierte gleichfalls mit Solarzellen, um Masten für Mobilfunk mit Strom zu versorgen. Schon 1982 wurden kleine Solarmodule erprobt, die Zellen kamen aus Frankreich.

Richtfunk in der Wüste Sinai

Siemens Telekom bekam den Auftrag, eine Übertragungsstrecke durch die Wüste Sinai von Sharm el Sheikh nach Kairo zu bauen. „Dort haben wir die erste Photovoltaikanlage mit USV und Batterien installiert“, erinnert sich Alfred Karner, damals Projektleiter bei Siemens.

Zwischen 1982 und 1986 war er mit Photovoltaik und Dieselgeneratoren in Nigeria unterwegs, dann 3,5 Jahre in Saudi-Arabien, drei Jahre in Libyen, Tansania, Kasachstan, Sibirien und Senegal. „Insgesamt 14 Jahre war ich hauptsächlich in Afrika tätig“, erzählt er. „Die USV-Anlagen zwischen den Stationen wurden anfangs mit kleinen Modulen von 50 bis 70 Watt erbaut. Wir hatten nie Probleme mit den Solarmodulen. Die SM55 und SM110 waren bereits Glas-Folie-Module und funktionieren meines Wissens fast alle noch heute.“

„Beginnen Sie mit Solarmodulen!“

Erwin Perkonigg kam Mitte der 1980er-Jahre aus Malaysia zurück, wo er für Siemens gearbeitet hatte. „Mein neuer Auftrag lautete: Beginnen Sie mit Solarmodulen!“ Der diplomierte Energietechniker kam in ein kleines Team am Frankfurter Ring in München. Und erhielt die Aufgabe, eine Fertigung von kleinen Modulen für Funkanlagen zu entwickeln.

Glas-Glas wäre zu schwer geworden

So entstand die Modulfabrik von Siemens in München. Die Solarzellen fertigte Siemens damals selbst in Kooperation mit Wacker. Wacker lieferte die Siliziumwafer, die Prozessierung erfolgte bei Siemens im Werk. Mitte der 1980er-Jahre startete die erste kombinierte Fertigung von Zellen und Modulen in München.

Siemens Solar war ein Joint Venture von Siemens und Bayernwerke. Die Solarmodule gab es als Kleinspannungsserie mit 15 bis 17 Volt Leerlaufspannung. Das ergab 12,5 bis 14 Volt als optimale Spannung für die Ladetechnik von Zwölf-Volt-Batterien. „Die Module waren robust und haben die große Hitze in der Sahara oder im Orient ausgehalten“, erinnert sich Perkonigg, der die Fabrik seinerzeit leitete. „Wir fertigten Glaslaminate, keine Glas-Glas-Module, denn diese wären zu schwer geworden.“

Anfang der 1990er-Jahre kam die Fabrik in München in schwieriges Fahrwasser. Sie war nicht ausgelastet, zumal das Richtfunkgeschäft schrumpfte. ­Perkonigg versuchte, Architekten für die Solartechnik zu begeistern. ­„Damals habe ich die erste Solaranlage mit Rolf Disch in Freiburg gebaut“, sagt er. „Um die Fertigung zu verbessern, haben wir viel mit dem Fraunhofer-Institut in Freiburg kooperiert.“

Ein Investor namens Frank Asbeck

Wirtschaftlich war die Unternehmung ein Fehlschlag, wie so oft bei Pionieren. Shell stieg bei Siemens Solar ein, zunächst als Teilhaber. Später übernahm Shell sämtliche Anteile, aus Siemens Solar wurde Shell Solar. Viel Geld wurde investiert, denn der Konzern wollte die Pumpen und Heizstationen seiner Pipelines mit Sonnenenergie versorgen.

Doch dann stieß Shell das verlustreiche Geschäft ab, an einen Investor namens Frank Asbeck. Perkonigg ging kurz vorm Verkauf in Pension. Er resümiert: „Wir haben mit nichts begonnen und versucht, es gut und besser zu machen.“

Eine Industrie entsteht

Ende der 1990er-Jahre wurden die ersten Förderprogramme für Solardächer aufgelegt, ab 2000 dann das Erneuerbare-Energien-Gesetz. In Gelsenkirchen baute der Glashersteller Pilkington ein Werk für Solarmodule auf. Qcells wurde gegründet, aus der Ideenschmiede Wuseltronik heraus, auf einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg. Solon entstand, ­Asbecks ­Solarworld und die Solarfabrik in Freiburg im Breisgau, von Georg ­Salvamoser gegründet.

Fabriken von Europa bis Japan

In Erfurt entstand der Zellhersteller Ersol, in Dresden bald darauf Solarwatt. So nahm die irdische Industrie Fahrt auf, entwickelte sich, sprang nach Fernost, zu Kyocera in Japan und den ersten Fabriken in China. Ein Vierteljahrhundert später hat die Photovoltaik alle anderen Technologien zur Stromerzeugung überflügelt.

Am Anfang stand eine Idee, vor einem Menschenalter in den USA entwickelt. Chapin, Pearson und Fuller leben nicht mehr. Daryl Chapin war bis weit nach seiner Pensionierung als Erfinder aktiv, entwarf unter anderem ein Brettspiel für Blinde. Er starb 1995 hochbetagt in Florida.

Erfinder wurden hoch geehrt

Auch Gerald Pearson war als Forscher sehr erfolgreich und starb 1987 in Kalifornien. Der Chemiker Calvin S. Fuller machte viele Entdeckungen und Erfindungen auf dem Gebiet der Polymere, hielt mehr als 30 Patente.

Im Jahr 1994 endete sein fruchtbarer Lebensweg mit über 90 Jahren in Vero Beach in Florida, bis zuletzt rege und neugierig auf den Fortschritt. 2008 wurde das Trio in die National Inventors Hall of Fame aufgenommen – als die Erfinder der ersten Solarzelle.

Fertigung von Solarzellen für Satelliten am Cesi in Italien.

Foto: Cesi

Fertigung von Solarzellen für Satelliten am Cesi in Italien.
Solarzellen im Weltraum bei Sonnenaufgang. Die Sonneneinstrahlung ist elfmal so stark wie auf der Erde.

Foto: Samantha Cristoforetti/Esa/Nasa

Solarzellen im Weltraum bei Sonnenaufgang. Die Sonneneinstrahlung ist elfmal so stark wie auf der Erde.
Fertigung von Zellen 1983.

Foto: BdW

Fertigung von Zellen 1983.
Vorbereitung der Zellen für die Metallisierung.

Foto: BdW

Vorbereitung der Zellen für die Metallisierung.
Rahmung der Module bei AEG.

Foto: BdW

Rahmung der Module bei AEG.
Pellworm im Jahr 1983: Diese Anlage leistet rund 300 Kilowatt und kostete elf Millionen Euro.

Foto: BdW

Pellworm im Jahr 1983: Diese Anlage leistet rund 300 Kilowatt und kostete elf Millionen Euro.
Die ersten Solarmodule von Siemens waren an den kreisrunden Zellen leicht erkennbar.

Foto: Karner

Die ersten Solarmodule von Siemens waren an den kreisrunden Zellen leicht erkennbar.

Thomas Nordmann/TNC

Seit 50 Jahren in der Solarenergie tätig

Thomas Nordmann begann seine berufliche Karriere 1969 als Laborant am Physikalischen Institut der ETH Zürich. Seit 1974 gehört er zu den ­Solarpionieren in der Schweiz. Zwischen 1975 und 1978 war er der erste vollamtliche Mitarbeiter der Forschungsgruppe zur Sonnenenergie am damaligen Eidgenössischen Institut für Reaktorforschung EIR (heute: PSI). Dort initialisierte und baute er die damals größte thermische Solaranlage der Schweiz (200 Quadratmeter).

Zwischen 1978 und 1984 war Nordmann als Produktmanager zuständig für den Aufbau des neuen Unternehmensbereichs Solarenergie und Wärmepumpen der Elco Energie Systeme AG in Vilters.

1985 gründete er die TNC AG, die er bis heute als Inhaber leitet. 1995 entwickelte er die Solarstrombörse der EWZ in Zürich. Damit gewann er den Schweizer und den Europäischen Solarpreis. Seit 1994 repräsentieren Thomas Nordmann und TNC die Schweiz bei der Internationalen Energie Agentur IEA PVPS. Er ist Ehrenpräsident von Swissolar.

Seit 50 Jahren gestaltet er die Entwicklung der Sonnenenergie und der Photovoltaik in der Schweiz und auch etwas in Deutschland. „1975 durfte ich auf dem Atomversuchsreaktor Diorit am Forschungszentrum EIR in Würenlingen einen thermischen Kollektorprüfstand aufbauen“, erinnert er sich. „Photovoltaik wurde nur genutzt als Selen-Belichtungsmesser meiner Kodak Retina 35-Millimeter-Kleinbildkamera. Ohne die Batterie zu tauschen, konnte man schon damals das Tageslicht messen.“

1987 startete TNC den Bau einer Netzverbundanlage auf der bestehenden Schallschutzwand der Autobahn A13 bei Chur. „Damals kostete ein Kilowatt Photovoltaiksystem noch deutlich über 20.000 DM“, erzählt er. „Der Stromgestehungspreis, je nach Kapitaldienst, lag bei ein bis zwei ­Euro je Kilowattstunde.“ Die Anlage ging 1989 ans Netz, sie leistete 103 Kilowatt.

Die größten handelsüblichen Module hatten damals eine Nennleistung von 48 Watt und einen Wirkungsgrad um elf Prozent. „Noch in den ­Kinderschuhen steckte damals die Netzeinbindung“, berichtet Nordmann. „Der verwendete 100-Kilowatt-Inverter von Siemens war ein ­manufakturgebauter Prototyp.“