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Diebstahlschutz

Hürdenlauf zur Beute

Die Preise für Solarmodule sind in den vergangenen Monaten drastisch gesunken. Das ließe vermuten, dass die Paneele für Diebe längst nicht mehr interessant sind. Denn mit den Kosten für Neumodule sinkt auch der Wert gestohlener Ware auf dem Schwarzmarkt.

Doch weit gefehlt. „Auch bei gesunkenen Modulpreisen bleibt der Diebstahlschutz für uns ein wichtiges Thema“, sagt Jana Grathwohl. Sie leitet bei Projektierer Enviria die Compliance-Abteilung. „Denn neben dem materiellen Schaden können Diebstähle zu erheblichen Projektverzögerungen führen“, warnt sie. „Unser Sicherheitskonzept schützt dabei nicht nur die Komponenten, sondern sichert auch die zuverlässige Projektrealisierung für unsere Kunden.“

Neue Beute im Blick

Zumal sich die Diebe ohnehin auf andere Beute konzentrieren. Die Experten der Barmenia und der Gothaer Versicherung sehen inzwischen vor allem Kabel als beliebtes Diebesgut. Deshalb könne man davon ausgehen, dass sich die Diebe tatsächlich am Preis orientieren. Mit den sinkenden Preisen für Module, Wechselrichter und andere Komponenten werden sich die Diebe wahrscheinlich noch stärker auf die Kabel konzentrieren, lautet die Einschätzung der Versicherungsexperten.

Die Baustelle absichern

Mit der Konzentration auf die abgesicherte Realisierung der Projekte benennt Jana Grathwohl von Enviria eine Herausforderung, mit der Solarprojektierer konfrontiert werden, wenn es um Diebstahl geht: die Bauphase. Lasse Nieswitz, Leiter der Projektabwicklung bei Goldbeck Solar, betont: „Mit jetzt fast 15 Jahren Erfahrung im Solaranlagenbau kann ich sagen, dass das Thema Diebstahl wie in der gesamten Baubranche definitiv ein Thema ist. Bei uns als EPC-Unternehmen spielt das vor allem in der Bauphase eine Rolle“, sagt er. „Später für den Anlagenbetreiber ist Diebstahl aber auch nach der Inbetriebnahme von Bedeutung“, ergänzt er.

So ähnlich wie die Diebe in den beiden Lebensphasen einer Solaranlage vorgehen, so sehr gleichen sich auch die Maßnahmen zum Schutz des Generators. „In der Bauphase geht es darum, die Hürden zu erhöhen, falls Diebe die angelieferten Komponenten über Nacht entwenden wollen, und im Falle eines Diebstahls den Schaden so gering wie möglich zu halten“, sagt Lasse Nieswitz. „Daher errichten wir zunächst einen Zaun um die Baustelle, noch bevor mit dem Bau der Solaranlage begonnen wird. Darüber hinaus können weitere Maßnahmen sinnvoll sein, wie die Installation eines Videoüberwachungssystems oder der Einsatz von Security-Personal.“

Mitarbeiter schulen

Diese Maßnahmen sind auch nach der Inbetriebnahme der Anlage hilfreich, um Diebe abzuhalten. Die konkreten Maßnahmen hängen vom Projekt ab. Im Unterschied zur Betriebsphase des Solargenerators ist es in der Bauphase beim Einsatz von Sicherungssystemen wichtig, dass diese mit autarker Stromversorgung funktionieren – entweder mithilfe von Solarmodulen mit Batterien, mit Brennstoffzellen oder mit Dieselgeneratoren, wobei es durchaus auch schon Fälle gegeben hat, bei denen der Diesel des Generators gestohlen wurde.

Auch bei Enviria basiert eine effektive Baustellensicherung auf drei Säulen: „physische Barrieren mit Zäunen und abschließbaren Toren, elektronische Überwachung mittels Kameras und Bewegungsmeldern und organisatorische Maßnahmen wie Kontrollen durch Sicherheitspersonal, Dokumentation und Schulungen der Mitarbeiter“, erklärt Roman F. Kehrberger, Leiter der Rechtsabteilung des Frankfurter Systemanbieters und Projektierers.

Zwei Meter hohe Zäune sind üblich

Schließlich müssen die Mitarbeiter auf der Baustelle auch daran mitwirken, dass die Komponenten nicht über Nacht verschwinden. So müssen sie darauf achten, dass das Baumaterial am Ende eines Arbeitstages in Bereichen gelagert wird, die eingezäunt sind und vom Kamerasystem erfasst werden.

Doch der Schutz hört nicht nach dem Bau des Solargenerators auf. Denn die großen Solarparks stehen weitab und Versicherungen sind es leid, Diebstahlschäden zu regulieren. „Für Freiflächenanlagen ist mindestens eine geeignete Einfriedung erforderlich“, lautet die Empfehlung der Barmenia Versicherung. Diese muss vom Boden gerechnet mindestens 1,80 Meter hoch sein und über einen zusätzlichen Ausleger als Übersteigschutz verfügen, sind sich Versicherungen und Polizei einig.

Regionale Vorgaben beachten

Außerdem empfehlen die Versicherungsexperten, einen Stahlzaun oder eine Mauer mit dieser Übersteigsicherung und einem zusätzlichen Unterkriechschutz zu errichten. Ein Holz- oder Weidezaun stelle keine stabile Umzäunung dar. Ein verschließbares Tor oder eine andere Anlage, um unbefugten Zutritt zu verhindern, ist dann schon eine Selbstverständlichkeit.

Allerdings müssen hier auch die regionalen Vorschriften beachtet werden. „Ein Unterkriechschutz ist oft aufgrund ökologischer Vorgaben nicht realisierbar“, weiß Lasse Nieswitz von Goldbeck Solar. Zumal in manchen Regionen wie beispielsweise in Österreich Zäune oftmals ganz verboten sind. In solchen Fällen hilft nur noch eine Kameraüberwachung oder eine andere Sicherungsmaßnahme.

Außerdem raten die Experten der Allianz Versicherung je nach Risikobewertung auch zu einer regelmäßigen Überwachung durch einen Wachdienst und zur Sicherung der Komponenten selbst. Dazu gehören unter anderem Schraubkopfsicherungen durch eingeschlagene Stahlkugeln oder Stahlstopfen oder durch Schraubenköpfe, die mit Harz ausgegossen werden. Zudem sollten die Wechselrichter mechanisch geschützt werden. Hier können ebenfalls Schraubkopfsicherungen eingesetzt werden. Aber auch Umschweißkäfige oder andere Einhausungen haben sich bewährt.

Wechselrichter einhausen

Die Polizei Görlitz rät sogar, hochwertige Wechselrichter und Speicher in einem besonders gesicherten Haus oder Raum zu installieren. Dabei komme es vor allem auf die Sicherheit der Fenster und Türen an. Wie solche einbruchhemmenden Bauprodukte beschaffen sein müssen, zeigt die DIN 1627. Für den privaten Bereich empfiehlt die Polizei Bauprodukte nach der Version RC2 dieser DIN. Im gewerblichen Bereich ist die RC3 als Grundnorm empfehlenswert. Außerdem kann das Gebäude zusätzlich mit einer Alarmanlage gesichert werden, damit die Täter nicht unbemerkt bleiben.

Der mechanische oder elektronische Diebstahlschutz sollte natürlich den örtlichen Gegebenheiten angepasst und entsprechend ausgelegt sein. Dazu gehören beispielsweise Zaunsensorik, Domkameras, Video- oder Kameraüberwachung des gesamten Parks mit Bewegungserkennung sowie GPS-Sender in den Anschlussdosen der Module. Diese helfen, die Komponenten wiederzufinden, wenn sie einmal gestohlen wurden.

Kamerasysteme sind teuer

Auf Kamerasysteme greifen Investoren und Parkbetreiber oftmals ungern zurück. Diese kommen entsprechend selten zum Einsatz, weiß Eric Herrmann, EPC Program Manager bei IBC Solar. Denn eine Kameraanlage ist nicht nur in der Anschaffung teuer, sondern auch im Betrieb. Sie muss regelmäßig gewartet werden. Außerdem muss das Kamerasystem auf eine Notrufzentrale aufgeschaltet sein. Denn wenn die Kameras ausfallen oder die Alarmmeldungen nicht ausgewertet werden, merken das die Diebe schnell. Sie nähern sich dem Solarpark und beobachten, ob jemand reagiert. Kommt niemand, wissen sie, dass die Kameraüberwachung nicht funktioniert.

Insgesamt bleibe es eine wirtschaftliche Abwägung, ob ein solches Kamerasystem installiert werde, erklärt Lasse Nieswitz. „Oftmals sind die Materialien, die gestohlen werden könnten, so kostengünstig, dass es wirtschaftlicher ist, den Verlust auszugleichen. Wenn die Installation eines Überwachungssystems beispielsweise 100.000 Euro kosten würde, müssten schon erhebliche Diebstähle vorkommen, damit sich diese Investition, einschließlich der laufenden Betriebskosten, tatsächlich lohnt.“

Sollte die Versicherung jedoch eine Kameraüberwachung als Voraussetzung für den Abschluss der Police verlangen, bleibt dem Betreiber oft keine andere Wahl, als diese einzurichten. Hier gilt die Regel: Es ist besser, die Kameraüberwachung gleich miteinzuplanen und zumindest schon mal Leerrohre zu verlegen. Lasse Nieswitz rät, die Kabelgräben zu nutzen, wenn sie bereits für die Verlegung der Solarparkkabel geöffnet sind. Denn wenn diese später nochmals geöffnet werden müssen, weil die Versicherung doch eine Kameraüberwachung verlangt, wird es richtig teuer.

Risiken vor Ort bewerten

Auch Enviria nutzt die Kameraüberwachung in der Regel, wenn das Risiko eines Diebstahls sehr hoch eingeschätzt wird. „Bei Projekten auf gesicherten Werksgeländen können wir oft die vorhandene Infrastruktur nutzen, was sowohl kosteneffizient als auch sicher ist“, sagt Jana Grathwohl.

Zusätzlich fließen auch andere Faktoren wie die Projektgröße und der Wert des Projekts als auch die Versicherungsanforderungen neben der Bewertung der standortspezifischen Risikofaktoren und dem Kosten-Nutzen-Verhältnis der Maßnahmen in die Planung der Sicherheitsmaßnahmen mit ein. „Insgesamt macht aber typischerweise die Investition in Sicherungsmaßnahmen einen sehr geringen Anteil der Gesamtprojektkosten aus“, weiß Roman F. Kehrberger von Enviria. „Diese Investition rechnet sich durch vermiedene Schäden und Verzögerungen sowie günstigere Versicherungskonditionen.“

Es gibt aber noch andere Möglichkeiten. „Auch das Solarparkdesign kann Diebstähle erschweren“, weiß Lasse Nieswitz. „Eine wichtige Maßnahme dazu ist, die Baustraßen innerhalb des Solarparks so zu gestalten, dass der Zugang erschwert wird. Wir minimieren die Anzahl der Wege und sorgen dafür, dass Diebe größere Distanzen auch ohne Fahrzeug zurücklegen müssten, um an die wertvollen Komponenten zu gelangen.“

Diebe mit Schildern warnen

Damit wird der Diebstahl zeitaufwendiger und unattraktiver. „Im Engineeringprozess berücksichtigen wir außerdem die Platzierung der Wechselrichter, die Verschraubung von Komponenten sowie die strategische Positionierung von Kamerasystemen an entscheidenden Stellen“, erklärt Lasse Nieswitz.

In der Regel sollte auf die Sicherheitsvorkehrungen gegen Diebe mit Schildern hingewiesen werden. Diese haben durchaus eine abschreckende Wirkung, vor allem auf Diebstahlamateure und Gelegenheitsdiebe, wissen die Experten der Allianz Versicherung. Doch professionelle Diebesbanden halten weder Schilder noch Schutzmaßnahmen ab. Da könnten sich Kennzeichnungen der Komponenten mit Sicherheitsetiketten (siehe das Interview auf Seite 26) oder künstlicher DNA als sinnvoll erweisen.

Videoüberwachung ist teuer. Entsprechend zurückhaltend setzen Solarparkbetreiber diese ein.

Foto: Velka Botička

Videoüberwachung ist teuer. Entsprechend zurückhaltend setzen Solarparkbetreiber diese ein.
Diese Wechselrichter sind gut gegen Langfinger geschützt.

Foto: Velka Botička

Diese Wechselrichter sind gut gegen Langfinger geschützt.
Hinweisschilder auf den Schutz der Anlage schrecken zumindest Gelegenheitsdiebe ab.

Foto: Secondsol

Hinweisschilder auf den Schutz der Anlage schrecken zumindest Gelegenheitsdiebe ab.
Die Kennzeichnung der Komponenten mit Sicherheitsetiketten oder künstlicher DNA erhöht die Chance, sie wiederzufinden.

Foto: Secondsol

Die Kennzeichnung der Komponenten mit Sicherheitsetiketten oder künstlicher DNA erhöht die Chance, sie wiederzufinden.

Kurz nachgefragt

„Abschreckung der Diebe ist wichtig“

Mit PV-Diebstahl.de hat Secondsol eine einfache Lösung entwickelt, die ­andere Maßnahmen zur Sicherung von Solaranlagen ergänzt. Geschäftsführer Stefan Wippich erklärt, wie der zweistufige Anlagenschutz funktioniert.

Sie haben mit PV-Diebstahl eine Möglichkeit entwickelt, das Verschwinden von Komponenten aus Solaranlagen zu behindern. Wie funktioniert das?

Stefan Wippich: PV-Diebstahl ist ein zweistufiger Anlagenschutz. Die ­erste Stufe ist die Sicherung der Komponenten vor Ort. Diesen realisieren wir ­einerseits mit speziellen Sicherheitsetiketten und andererseits mit ­großen Schildern am Zaun um die Anlage, dass die Komponenten mit diesen ­Etiketten versehen sind. Dies wirkt abschreckend auf Diebe. Die Etiketten ­erhöhen zudem den Aufwand, Komponenten weiterzuverkaufen oder weiterzunutzen, wenn diese tatsächlich gestohlen werden sollten. An dieser Stelle kommen wir zur zweiten Stufe des Anlagenschutzes: das Track and Trace von ­gestohlenen Komponenten.

Wie funktioniert diese zweite Stufe?

Dazu werden die Module mit Seriennummer und der Nummer auf dem ­Sicherheitsetikett in unserer Datenbank registriert. Sollten die ­Komponenten gestohlen werden, kann die Polizei über die QR-Codes auf den Etiketten und/oder die Seriennummer der Module beziehungsweise der Wechselrichter in der Datenbank genau sehen, dass die Module aus einer registrierten Anlage stammen. Sie kann auch sehen, aus welcher Anlage diese stammen und ob sie legal verkauft werden oder gestohlen wurden. In der Datenbank sind die Kontaktdaten der Eigentümer der Komponenten hinterlegt. Mit ihnen kann die Polizei dann direkt Kontakt aufnehmen.

Das ist eine gute Idee. Doch die Sicherheitsetiketten könnte der Dieb abziehen und dann fällt das nicht mehr auf, oder?

Wenn die Diebe die Sicherheitsetiketten abziehen wollen, zerreißen diese in kleine Stücke. Außerdem bleibt immer ein ­Schachbrettmuster zurück, das man nur mit einer sehr aufwendigen Reinigung entfernen kann. Dadurch erhöhen wir mit dem Etikett einerseits das Entdeckungsrisiko, wenn Diebe die Komponenten mit dem Label mitnehmen. Mit dem QR-Code ist das Produkt sehr einfach zu identifizieren und die ­Polizei hätte einen ersten Ermittlungsansatz. Andererseits erhöhen wir mit dem Etikett den Aufwand vor Ort, sollten sich die Diebe entscheiden, die Etiketten gleich zu entfernen. Diebe können dann in der gleichen Zeit nicht so viele Komponenten mitnehmen und das verringert die Schadenshöhe.

Sind die Module mit den Etiketten auch schwerer verkäuflich?

Richtig. Auch für den Verkauf müssten sie aufwendig gereinigt werden, was den Wert der Module und Wechselrichter für Diebe drastisch verringert. Denn auch Diebe denken über die Wirtschaftlichkeit ihrer Unternehmung nach und wollen Komponenten mit so wenig Aufwand wie möglich verkaufen. Die Entfernung der Etiketten steigert aber den Aufwand, und damit sinkt der Erlös für die Täter. Aber auch ohne Etikett besteht immer noch das Risiko, über die Seriennummer der Module oder Wechselrichter entdeckt zu werden. Denn die Nummer ist ja immer noch in der Datenbank hinterlegt. Wir haben damit eine echte Möglichkeit entwickelt, die Herkunft von Komponenten zurückzuverfolgen.

Reichen die Kennzeichnung mit den Etiketten und die Registrierung aus, um einen Diebstahl zu verhindern?

Indirekt, so wie andere Systeme auch. Wir setzen auf massive ­Abschreckung. Dies ersetzt natürlich keinen Zaun und auch keine Alarmanlage oder ­ähnliche Sicherungsmaßnahmen, sondern ergänzt diese. Wie bei der Fahrrad-Codierung geht es darum, dass durch Sicherheitsetiketten und ­Onlinespeicherung Produkte schwerer zu verkaufen sind. Das schreckt ab. Auch beim Fahrrad ist die Codierung effektiver als Diebstahlschutz. Denn wie erwähnt zeigt sie den Eigentümer und macht es der Polizei leichter, aufgefundene Produkte zuzuordnen. Es geht darum, dass die Diebe gar nicht erst auf die Idee kommen, in den Solarpark einzubrechen oder auf das Dach zu steigen.

Das Interview führte Sven Ullrich.

Foto: Secondsol

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