Wie entwickelt sich das Problem der Diebstähle an Photovoltaikanlagen?
Harald Brand: Das ist unterschiedlich. Wie versichern seit 20 Jahren europaweit Photovoltaikparks, und die Entwicklung von Diebstählen hat sich immer wieder verändert. In den letzten zwei bis drei Jahren registrieren wir in Holland sehr viele Kabeldiebstähle. Vorher waren immer wieder Solarparks in Italien mit Diebstahl konfrontiert. Wir stellen die regionalen Verschiebungen innerhalb Europas immer dann fest, wenn in den vorherigen Problemregionen der Schutz gegen Diebstahl zugenommen hat. Dann konzentrieren sich die Diebe auf Regionen, in denen die Anlagen weniger geschützt sind.
Das heißt, sie vagabundieren weiter?
Ja. Das gilt auch für Deutschland. Auch wenn hier durchaus noch Solarparks ohne Überwachung versichert werden, gehe ich davon aus, dass sich das ändern wird. Wenn es irgendwann mal in Holland so weit ist, dass nahezu alle Parks entweder überwacht werden oder so abgesichert sind, dass es sich für die Banden nicht mehr rentiert, dann werden die sich ein neues Betätigungsfeld suchen. Sie gehen dann dorthin, wo die Parks nicht überwacht werden. Ich gehe deshalb davon aus, dass diese Welle irgendwann auch Deutschland treffen wird.
Die Module und andere Komponenten sind preiswerter geworden. Ist das Diebstahlproblem damit nicht vom Tisch?
Im Gegenteil: Die Diebstähle nehmen zu. Es hat sich nur verändert, was gestohlen wird. Früher in Italien wurden vor allem Module gestohlen, weil die Module damals noch relativ teuer waren. Allein die deutschen Versicherer mussten damals in Italien mehrere Hundert Millionen Euro aufgrund von Diebstahlschäden regulieren. Nachdem die Module preiswerter geworden waren, wurden hauptsächlich Stringwechselrichter gestohlen. Jetzt sind es vor allem Kupferkabel, auf die es die Diebe abgesehen haben. Wenn Alukabel verbaut sind, ist die Problematik vom Tisch. Denn diese interessieren die Diebe nicht. Die Diebe merken sehr schnell, dass es sich nicht um Kupfer handelt, wenn sie die ersten Kabel durchgeschnitten haben, und verschwinden. Dann entsteht aber zumindest kein großer Schaden. Der Ausfall der Stromproduktion ist aber trotzdem da.
Wie hoch können denn solche Schäden aufgrund von Kabeldiebstahl sein?
Die Diebe nehmen alles an Kabeln mit, was sie bekommen können. Der Schaden kann deshalb immens sein. Immerhin sind in großen Photovoltaikparks Kabel im Wert von mehreren Hunderttausend Euro verbaut. Die Kabel müssen außerdem anschließend neu verlegt werden, erst dann funktioniert der Park wieder. Es kommt auch noch der Schaden durch die ausgefallene Stromproduktion hinzu, und der kann sogar höher sein als der Sachschaden.
Eigentlich sind die Kabel im Park in der Erde verlegt. Die Diebe müssten sie erst ausgraben. Ist der Aufwand nicht zu groß?
Nein. Den Dieben geht es um Kabel, die oberirdisch verlegt sind. Das sind die Kabel von den Modultischen zu den Wechselrichtern oder zu den Generatoranschlusskästen und die Kabel, die dann weiter verlaufen und in der Erde verschwinden. Diese werden direkt abgeschnitten. Aber das sind auch etliche Kilometer an Kabeln, was da zusammenkommt.
Welche Maßnahmen empfehlen Sie als Versicherungsmakler zum Schutz vor Diebstahl?
Letztendlich hilft nur eine komplette Überwachung des Zaunes. Der Zaun ist auf jeden Fall wichtig als erste Hemmschwelle für Gelegenheitsdiebe. Professionelle Banden hält dies natürlich nicht ab. Außerdem sollte die Zaunlinie lückenlos mit Kameras überwacht werden. Die Kameras müssen auf eine Notrufzentrale aufgeschaltet sein. Es muss aber auch sichergestellt sein, dass die Kameraanlage gegen Manipulation gesichert ist. Auch bei Stromausfall muss das System einen Alarm absetzen.
Wie schnell muss das Schutzsystem reagieren?
Es muss sichergestellt sein, dass von der Notrufzentrale innerhalb von 30 Minuten Interventionskräfte, also Polizei oder Wachschutz, vor Ort sind, wenn ein Alarm ausgelöst wird. Damit können vor allem größere Diebstähle verhindert werden. Kleinere Diebstähle, die innerhalb einer Viertelstunde passieren, können auch damit nicht verhindert werden. Eine solche Überwachung wird inzwischen bei den Solarparks, die von Diebstahl betroffen waren, von den Versicherern gefordert.
Kann man nicht mit Attrappen arbeiten? Dann sehen die Diebe, die Anlage ist geschützt, und trauen sich nicht hinein?
Wir haben in allen Ländern die Erfahrung gemacht, dass die Diebesbanden zunächst austesten, ob die Überwachung funktioniert. Sie halten sich im Bereich des Zaunes auf, auch wenn Kameras zu sehen sind, und testen mehrmals, was passiert. Wenn jedes Mal nichts passiert, wissen sie ganz genau, dass es entweder Dummys sind, die dort angebracht sind, oder die Alarmkette nicht funktioniert. Dort, wo sofort etwas passiert, etwa dass Interventionskräfte vor Ort kommen, werden die Parks in Ruhe gelassen. Dann wenden sich die Diebe einem anderen Park zu, wo es leichter ist.
Wie kann man Solarparks schützen, wenn Zäune nicht erlaubt sind, etwa um die Querung von Tieren nicht zu behindern? Müssen dann zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden?
Wenn der Zaun wirklich komplett fehlt, würde eine Kameraüberwachung an einer virtuellen Zaunlinie helfen können. Das ist fast genauso gut. Es fehlt zwar die erste Hemmschwelle, nämlich der Zaun, den es zu übersteigen gilt. Aber es würde in jedem Fall ein Alarm ausgelöst werden, der dann wiederum auf eine Notrufzentrale aufgeschaltet werden muss und dann die Alarmkette in Gang setzt. Das gilt auch für Zäune, die unten offen bleiben müssen, um den Wildwechsel zu ermöglichen. Damit freundet man sich bei den Versicherern nach und nach an, aber begeistert sind sie davon nicht.
Wie wirken sich die Sicherheitsmaßnahmen auf die Versicherungsprämie aus? Oder wirken sie sich gar nicht aus, weil ein ungeschützter Park nicht versicherbar ist?
Eher Letzteres. Die Schutzmaßnahmen oder Präventionsmaßnahmen führen in der Regel nicht zu einer Reduzierung der Prämien, sondern im Gegenteil: Die nicht vorhandenen Schutzmaßnahmen führen zu einer Prämienerhöhung oder zu einer Erhöhung von Selbstbeteiligungen oder zum Ausschluss von Gefahren. Es ist Aufgabe des Kunden, dafür zu sorgen, dass keine Schadenfälle passieren, und nicht Aufgabe des Versicherers. Versichert ist nur der schlimmste Fall. Wir erleben auch, dass Versicherer bei Diebstählen aufgrund fehlender Sicherungsmaßnahmen die Versicherung des Parks kündigen. Für den Betreiber ist das der schlimmste Fall, da es dann schwierig wird, bei einem anderen Versicherer neuen Deckungsschutz zu bekommen.
Was passiert, wenn es zum Diebstahlschaden an einem überwachten Solarpark gekommen ist? Wird die Versicherung die Prämie erhöhen?
Bei solchen Schadensfällen kommt es darauf an, ob die Überwachung funktioniert hat. Wenn sie funktioniert hat, dann bleibt es ja vermutlich bei einem geringen Schaden. Dann wird vermutlich nichts passieren. Wenn sie nicht funktioniert hat, dann ist es genauso, als wenn der Park gar nicht überwacht worden wäre. Wenn Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, sollten sie also auch funktionieren.
Mit welchen Prämienerhöhungen muss der Betreiber rechnen, wenn er einen Schaden hat und die Anlage nicht ausreichend abgesichert war?
Das ist sehr individuell. Das schaut sich der Versicherer je nach Einzelfall genau an. Es hängt dann unter anderem auch ein bisschen davon ab, welche Maßnahmen der Kunde dann gegen zukünftige Diebstähle ergreift. Es gelingt uns in der Regel, alternative Versicherer zu finden, sollte der bisherige Versicherer kündigen. Die Entwicklung zeigt jedoch, dass sich immer mehr Versicherer aus diesem Markt verabschieden. Betreiber tun also gut daran, möglichst solche Schäden zu vermeiden, indem sie ihre Anlagen entsprechend überwachen lassen. Das lässt auch die Prämien erträglich bleiben.
Was müssen die Anlagenbetreiber im Falle eines Diebstahls nachweisen? Brauchen sie ein Protokoll der Polizei oder Ähnliches?
Ja. Diebstahlschäden müssen immer bei der Polizei angezeigt werden, und das muss auch nachgewiesen werden. In der Regel wird sich dann auch ein Gutachter den Schaden noch anschauen, vor allem bei höheren Schäden.
Wie werden die Werte ersetzt?
Ersetzt werden die Schäden immer als Neuwert am Schadentag. Der Parkbetreiber erhält also immer eine neuwertige Anlage oder neuwertige Komponenten. Man sollte jedoch darauf achten, dass die Versicherungssumme in regelmäßigen Abständen überprüft und der Preisentwicklung angepasst wird.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.