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Ausbau von Pumpspeichern weitgehend überflüssig

Ein üppiger Ausbau von Pumpspeichern ist überflüssig. Die derzeitigen Kapazitäten reichen aus, um die Energiewende zu stemmen, wenn alternative Möglichkeiten der Speicherung genutzt werden. Eine große Rolle spielt neben Power to heat und Power to Gas die Elektromobilität.

Die Minderung der Emission von Treibhausgasen ist im Zweifel auch ohne großen Ausbau von Pumpspeichern möglich, wenn die Synergien zwischen der Strom- und der Wärmeversorgung sowie der Mobilität genutzt werden. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Technischen Universität Wien. Die Forscher haben dabei erstmals die drei Komponenten des Energiemarktes gemeinsam betrachtet. Außerdem haben sie ihre Untersuchungen nicht nur für Österreich durchgeführt, sondern auch auf Deutschland ausgeweitet.

Energiespeicherung ist kein ungelöstes Problem

Eine Erkenntnis: Ein üppiger Ausbau von Pumpspeicherkapazitäten ist bei einer intelligenten Planung des Energieverbrauchs und der Nutzung von Energieeffizienzmaßnahmen nicht zwingend notwendig, würde aber die Stromkosten reduzieren. „Die Speicherung von Energie wird oft als großes ungelöstes Problem der Energiewende dargestellt, weil Wind und Sonne nicht immer Energie liefern“, erklärt Gerhard Totschnig von der Energy Economics Group der TU Wien. „Die Simulation zeigt aber, dass dies nicht stimmt. Auch ohne Speicherausbau können die Kohlendioxidemissionen in Österreich und Deutschland bis 2050 um 80 Prozent reduziert werden.“ Totschnig hat hier den Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken und von Power-to-Gas-Anlagen sowie die Verwendung überschüssigen Ökostroms zur Wärmeversorgung im Blick. Der Ausbau von elektrochemischen Speichern floss in die Analyse nicht mit ein.
Der Speicherausbau hat neben der Kostenersparnis vor allem den Vorteil, dass er die ungenutzten Überschüsse von Windkraft und Photovoltaik reduziert. Die eigentliche Herausforderung, entsprechende Ziele bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen zu erreichen, ist aber der erforderliche hohe Ausbau an Photovoltaik und Windkraft in Kombination mit einer Verbesserung der Energieeffizienz.

Mehrere Szenarien simuliert

Die Wiener Forscher haben in ihrer Untersuchung mehrere Szenarien simuliert, die zu einer Reduzierung des Treibhausgasausstoßes von 76 bis 90 Prozent für die Segmente Stromerzeugung, Raumwärme, Warmwasser und Straßenverkehr führen würden. Dazu haben die Forscher detailliert das österreichische und deutsche Strom- und Wärmesystem, die Möglichkeiten der Elektromobilität und des Lastmanagements der Industrie dargestellt. „Außerdem haben wir die Simulationen mit hoher zeitlicher Auflösung berechnet, nämlich im Stundentakt für ein ganzes Jahr“, erklärt Totschnig. Auf diese Weise konnten sie nicht nur die Investitions- und Betriebskosten sowie die Strompreise für jedes Szenario errechnen, sondern auch berücksichtigen, dass Kraftwerke für das Hoch- und Herunterfahren eine gewisse Zeit brauchen und Startkosten haben. „Durch eine genaue Simulation von Energiebedarf, Angebot und Preis lässt sich berechnen, welche Maßnahmen unter welchen Bedingungen wirtschaftlich sind, und welche sich wohl nicht am Markt durchsetzen werden“, sagt Totschnig.

Wirtschaftlichkeit hängt vom Reduktionsziel ab

Konkret haben die Forscher Szenarien mit und ohne Speicherausbau durchgerechnet. In den Szenarien mit Speicherausbau unterscheiden die Forscher noch zwischen verschiedenen  Kombinationen: Nur Speicherausbau, Elektromobilität zusammen mit dem Ausbau von Speichern sowie Power-to-Heat zusammen mit dem Speicherausbau. In einem letzten Szenario rechneten die Forscher die Stromgestehungskosten und die Fernwärmepreise aus, wenn alle Optionen zusammen mit einem Anteil der Elektromobilität von 50 Prozent realisiert werden. Das Ziel der Reduzierung von Treibhausgasen liegt dabei bei 147 Millionen Tonnen pro Jahr. „Denn welche Maßnahmen wirtschaftlich sind, hängt auch vom Reduktionsziel der Treibhausgase ab, das man sich setzt“, betonen die Wiener Forscher. So wird beispielsweise ein Ausbau der Anlagen zur Trennung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff (Power-to-Gas) erst dann wirtschaftlich, wenn man sich hohe Reduktionsziele setzt oder wenn es heftige Netzengpässe gibt.

Der Ausbau von Speichern wird außerdem dann notwendig, wenn der Zubau an Solarstromanlagen überproportional ist. Denn dann führen die mittäglichen Einspeisespitzen zu hohem Speicherbedarf. In einem optimalen Szenario werden zu gleichen Teilen überschüssiger Solar- und Windstrom in Pumpspeichern gebunkert, gesteuert in Elektroautos gespeichert oder in Wärme umgewandelt. „Die Nutzung von Strom für Wärme und Elektromobilität hilft, den erzeugten Strom besser zu nutzen und somit billiger zu machen, doch der Hauptvorteil dieser Maßnahmen ist es, dadurch im Sektor Wärme und Verkehr Emissionen einzusparen“, betont Gerhard Totschnig.

Energiewende ist Frage des politischen Willens

Mit Blick auf ihre Ergebnisse betonen die Forscher, dass die Energiewende in erster Linie eine Frage des politischen Willens ist. „Auch ihre Auswirkungen auf die Stromkosten hängen von politischen Entscheidungen ab“, sagt Totschnig. „Derzeit liegen die Kosten für Privatkunden bei 17 bis 18 Cent pro Kilowattstunde. Doch ein großer Teil davon entfällt auf Steuern und Netzgebühren. Nach unseren Berechnungen würde die Kilowattstunde Stromerzeugung durch die CO2-Einsparungen bloß um etwa fünf Cent teurer werden.“ Dabei sind die Kosten eines Netzausbaus oder die Einsparungen für einen verminderten Netzausbau durch den Bau von Speichern nicht eingerechnet. „Vorausgesetzt Staat und Netzbetreiber geben sich mit den Einnahmen zufrieden, die derzeit auch erhoben werden, ergäben sich damit für einen typischen Haushalt mit einem Stromverbrauch von etwa 3.000 Kilowattstunden pro Jahr überschaubare jährliche Mehrkosten von 150 Euro“, rechnen die Wiener Forscher vor. (Sven Ullrich)