Der erste Griff geht zielsicher zum Telefonhörer im Konferenzraum. „Wir sind in den Batteriespeicher Lankow eingetreten“, sagt Jost Broichmann. Er ist Kommunikations- und Vertriebschef von Reevolt, der Wemag-Marke für mobile Kleinspeicher. „Ist gut, alles klar“, dröhnt es aus dem Hörer. Denn das Betreten von kritischer Infrastruktur muss in der Leitstelle angemeldet werden. Nur so wissen die Netztechniker, dass Personen im Schweriner Batteriekraftwerk sind. Der Speicher an sich kommt ohne Personal aus. Eine Software steuert die Ein- und Ausspeisung des Stroms aus den Batteriezellen. „Im Prinzip handelt es sich um ein Umspannwerk mit eingeschlossenem Batteriespeicher“, veranschaulicht Broichmann.
Für Bundesenergieminister Sigmar Gabriel (SPD) hat das Batteriekraftwerk Prestige. Es sei „ein wichtiger Schritt zum Gelingen der Energiewende“. Die offizielle Einweihung Mitte September hat der Minister sich nicht entgehen lassen. „Gerade im Bereich der Regelleistung zur Stabilisierung der Netzfrequenz können Batterien ihre Stärke ausspielen“, argumentiert Gabriel. Das Engagement der Wemag mit dem Batteriekraftwerk könnte deutschlandweit Schule machen, wenn es nach Gabriel ginge. Zur Eröffnung kamen immerhin 300 Besucher in die Stadt der sieben Seen. Zwölf andere Stadtwerke wollten sich das innovative Kraftwerk anschauen.
Fünf Milliarden Euro Verlust
Das Stromnetz wird derzeit größtenteils von unflexiblen Braun- und Steinkohlekraftwerken stabilisiert. Die fossilen Kraftwerke brauchen allerdings ein Vielfaches der benötigten Ausgleichsleistung. Folge: Die Schlote blockieren das Netz mit Kohlestrom. Durch die Kapazitäten der rotierenden Massen muss Energie aus Wind und Sonne ungewollt abgeregelt werden. Laut einer Berechnung des Energieforschungszentrums Niedersachsen wird dadurch ab 2017 ein gesamtwirtschaftlicher Verlust von mehr als fünf Milliarden Euro verursacht. „Diesen volkswirtschaftlichen Schaden vermeidet unser Batteriepark, weil er sich deutlich schneller und genauer steuern lässt als ein thermisches Kraftwerk“, erklärt Younicos-Chef Clemens Triebel.
„Die Fünf-Megawatt-Batterie in Schwerin ersetzt das Regelpotenzial einer konventionellen Gasturbine mit 50 Megawatt Leistung“, rechnet Triebel vor. Immerhin ein Faktor von eins zu zehn. Denn Batterien können viel schneller reagieren als fossile Kraftwerke – Gaskraftwerke sind dabei noch die schnellste Option im fossilen Fuhrpark, Kohlekraftwerke reagieren noch langsamer.
Stabil bei 50 Hertz
Der Grund ist einfach: Bei fossilen Kraftwerken muss die Frequenz über thermische Prozesse und menschliche Kommunikation angepasst werden. Die mit Software ausgestattete Batterie reagiert automatisch. Liegt die Frequenz unter 50 Hertz, ist zu wenig Strom im System. Die Batterie speist Strom aus, sodass die Frequenz ansteigt. Die Differenz zum optimalen Wert heißt hier Delta. Da das Stromsystem in jeder Sekunde ausgeglichen sein muss, ändert sich die Frequenz auch in jeder Sekunde. Sie wird live gemessen. Jede Steckdose verrät dabei die aktuelle Frequenz im Netz. Wird das Spannungsband von 49,8 und 50,2 Hertz dauerhaft verlassen, kann das Schäden an elektrischen Geräten verursachen. Die Verbraucher bekommen von den Ausgleichsregelungen allerdings nichts mit.
Garantie für 20 Jahre
Younicos hat den Speicher innerhalb von zwölf Monaten schlüsselfertig errichtet. Im Inneren des Gebäudes in der Größe einer Turnhalle speichern 25.600 Lithium-Manganoxid-Zellen den Ökostrom. Auf Millisekunden genau. Fünf jeweils vier Tonnen schwere Mittelspannungs-Transformatoren verbinden das Kraftwerk sowohl mit dem regionalen Verteilnetz als auch mit einem nahe gelegenen 380-Kilovolt-Höchstspannungsnetz. Denn auch hier gilt das Gesetz für kritische Infrastruktur: n-1. Das bedeutet: Wenn ein Transformator oder ein Stromkreis ausfällt oder abgeschaltet wird, muss die Versorgungssicherheit gewährleistet bleiben. Auch damit die Trafos nicht überlastet werden.
Der Besuch bei den Akkus in der Großbatterie fühlt sich leicht frisch an. 17 Grad herrschen. Es ist die Vorgabe des Herstellers, dass die Temperatur exakt zwischen 17 und 20 Grad gehalten wird. Im Gegenzug garantiert Samsung eine Lebensdauer von 20 Jahren für seine Batterieakkus. „Drei koreanische Mitarbeiter des Samsung-Konzerns waren extra vor Ort, um die Akkus einzubauen“, berichtet Broichmann.
Die genaue Zusammensetzung der Lithium-Batterie basiert auf einer langjährigen Forschung und Testergebnissen von 20 Herstellern in einem eigenen Prüflabor des Berliner Unternehmens Younicos. Deren IT-Experten programmierten auch die Software des Schweizer Wechselrichterherstellers Indrivetec für die Steuerung um. „Der Speicher ist die technisch beste Lösung, um die naturbedingten Schwankungen aus regenerativer Einspeisung auszugleichen“, berichtet Thomas Pätzold, technischer Vorstand der Wemag. Im Netzgebiet der Wemag sind derzeit rund 1.000 Megawatt Leistung aus Ökostromquellen installiert.
Tipp von der Hausbank
Der Speicher kostet insgesamt 6,5 Millionen Euro. Nach der Anschubfinanzierung von 1,3 Millionen Euro durch das Innovationsprogramm des Bundesumweltministeriums wird der Großspeicher am Primärregelenergiemarkt sein Geld verdienen, erklärt Pätzold. „Zukünftig soll die Batterie darüber hinaus andere Systemdienstleistungen wie Schwarzstartfähigkeit oder Blindleistung bereitstellen“, sagt er. Für das Stromnetz sind das systemwichtige Dienstleistungen.
Die Hausbank der Wemag gab den entscheiden Hinweis zum Einstieg ins Geschäft mit Großbatterien. Denn die geplanten Investitionen in Windparks durch den Schweriner Energieversorger lagen 2012 hinter den Erwartungen zurück. Da kam der Tipp der Commerzbank gerade recht. Auf einem Investorentreffen lernte die Bank, dass Batteriespeicher künftig gebraucht werden – und zwar nicht nur in Deutschland. Und Younicos hatte eine Software entwickelt, die Batteriezellen effizient und auch profitabel managen kann. Mitte 2012 rief die Wemag dann bei Younicos-Chef Triebel an.
Viel Ökostrom im Netz
Die Herausforderung ist klar: Die Quote des Ökostroms an der verbrauchten Strommenge im Netzgebiet der Wemag beträgt bereits 86 Prozent – Tendenz steigend. Schon in diesem Jahr könnte die rechnerische Vollversorgung mit Ökostrom erreicht werden. Das Netz der Wemag-Tochter ist damit eher ein Entsorgungsnetz: Denn der Strom muss immer öfter und in immer größeren Mengen exportiert werden. Oder die Stromüberschüsse werden gespeichert. Der Batteriespeicher arbeitet dabei sehr effizient. Der Wirkungsgrad liegt bei über 90 Prozent.
Ursprünglich war der Speicher in Schwerin sogar für zehn Megawatt Leistung geplant – also doppelt so groß. Platz genug bietet die Grünfläche, wo der Speicher nun steht. Der Wemag-Aufsichtsrat hat sich dann jedoch dazu entschlossen, den Speicher eine Nummer kleiner zu bauen. Auch das war bereits eine innovative Entscheidung. Die Wemag AG erzielte im Jahr 2013 einen Umsatz von 400 Millionen Euro. Zum Vergleich: Energieriese RWE machte mehr als das Hundertfache an Umsatz.
Absicherung gegen einen Blackout
„Wir haben bereits diverse Anfragen für Großspeicher auf dem Tisch“, berichtet Broichmann. Beispielsweise von Industriebetrieben, die sich kein Gaskraftwerk, sondern einen firmeneigenen Batteriespeicher neben die Produktion stellen möchten, um einen möglichen Blackout abzufedern. Younicos und die Wemag arbeiten deshalb künftig enger zusammen. Für Aufbau und Steuerung der Batterien bringt Younicos das Know-how mit. Die Netztechnik für den Wechselstrom und die Beschaffung der Trafos gehören dagegen zur Kernkompetenz des Energieversorgers.
Jeder der fünf Trafos brummt vor sich hin. Der eine lauter, ein anderer etwas leiser, je nachdem wie intensiv sie arbeiten. Optisch passiert nichts, aber akustisch hat man den Eindruck, in einem Maschinenraum zu stehen.
Runterfahren, neu kalibrieren
Für die Lebensdauer der Batterien ist es entscheidend, dass die Akkus schonend be- und entladen werden. Das gesamte Batteriekraftwerk ist in der Regel etwa zu 50 Prozent geladen. Allerdings sind die unterschiedlichen Zellen sehr unterschiedlich zwischen mindestens 20 und meist höchstens 80 Prozent geladen. Diese Fahrweise erhöht die Lebensdauer der Zellen – und nur so kann eine Batterie über zwei Jahrzehnte halten. Bei Fahrzeugen gibt Samsung in der Regel sieben Jahre Garantie auf seine Batterien.
Einmal im Jahr muss jede Batterie allerdings kalibriert werden. Das bedeutet, eine Batterieeinheit wird komplett entladen und neu geladen, um sie einzumessen. Denn ein Batteriemanagementsystem ermittelt rechnerisch den Ladezustand der Akkus. Dabei wird im laufenden Betrieb aber nur eine der 100 Einheiten mit 50 Kilowattstunden runtergefahren, der Rest des Batteriekraftwerks arbeitet weiter. Möglich ist dies, weil die gesamte Anlage etwas größer gebaut wurde. Damit bleibt die Regel n-1 für kritische Infrastrukturen erfüllt. Das gilt auch für das Kühlkonzept. Eine der drei Klimaanlagen darf ausfallen, dann passiert nichts weiter.
Geld verdienen durch Regelenergie
Die Auktionen für Regelenergie können ein lohnendes Geschäft sein. Die Übertragungsnetzbetreiber schreiben die benötigte Regelenergie einmal in der Woche aus. 628 Megawatt werden für Deutschland, Schweiz und Holland benötigt. Rund 3.000 Euro pro Megawatt können im Schnitt verdient werden.
Allerdings ist der genaue Erlöse relativ schwer zu prognostizieren, da die Gebote im sogenannten Merit-Order-Modell extrem schwanken können. Die Kapazität der Batterie fällt mit fünf Megawattstunden eher klein aus. Aber das Geschäftsmodell liegt in einer kurzfristigen Bereitstellung von Strom, und die Vergütung erfolgt nach Leistung, nicht nach Kapazität. Eine langfristige Speicherung wie in einem Pumpspeicher rentiert sich bei Batterien derzeit nicht.
Aber die Batterie kann darüber hinaus noch mehr: Die sogenannte Schwarzstartfähigkeit und die Lieferung von Bindleistung finden noch keine direkte Vergütung am Markt. Dennoch haben sie einen Wert, gerade auch für Industrieunternehmen. Die Großbatterie bietet ein ganzes Paket von gefragten Dienstleistungen. Broichmann frohlockt: „Ein Unternehmen aus dem Rheinland hat das erkannt – und prüft mit uns aktuell den Kauf eines größeren Batteriespeichers.“
Belectric
Blei-Säure-Batterie am Solarpark Alt Daber
Der Projektierer von Solarparks Belectric aus dem fränkischen Kolitzheim plant, einen Batteriespeicher in das bestehende Solarkraftwerk Alt Daber in Brandenburg zu integrieren. Ende November soll der Speicher ans Netz gehen. Der Park verfügt über eine Leistung von 68 Megawatt. Der Speicher besteht aus zwei Containern und hat insgesamt eine Leistung von zwei Megawatt und eine Kapazität von zwei Megawattstunden. Rechnerisch könnte er etwa 550 Haushalte über Nacht mit Strom versorgen. Der Wirtschaftsministerium in Brandenburg fördert das Projekt mit 376.000 Euro.
Mit der Installation will Belectric seinen speziell für Solarkraftwerke entwickelten Speicher in der Praxis testen. Die großen Energiespeicher in Solarkraftwerken sind in der Lage, die Systemdienste, die Solarkraftwerke leisten können, zu erweitern. So können sie kurz- und mittelfristig den Strombedarf decken und damit positive und auch negative Regelenergie bereitstellen.
Allerdings ist die Speicherintegration noch mit technologischen Herausforderungen verbunden. „Freiflächen-Solarkraftwerke gerade in Verbindung mit modernen Speicherlösungen sind die entscheidenden Instrumente, um die Energiewende kostengünstig und sicher umzusetzen“, betont Bernhard Beck, Geschäftsführer von Belectric. „Mit unserem Speicher können wir die Regelanforderungen übernehmen, die derzeit die konventionellen Kraftwerke leisten“, erklärt Beck. Somit gehen Solarkraftwerke den nächsten Schritt in Richtung erneuerbare Vollversorgung in Deutschland.
Allerdings kann ein Batteriespeicher bedeutend stärkere Lastsprünge bewältigen als ein konventionelles Kraftwerk. Belectric hat sowohl den Speicher als auch das Steuerungs- und Sicherheitssystem selbst entwickelt. Nur bei der Batterietechnologie haben die Franken mit dem amerikanischen Batteriehersteller Exide zusammengearbeitet und auf die erprobte Blei-Säure-Technologie zurückgegriffen. Die Lebensdauer soll mindestens 3.000 Lade- und Endladezyklen betragen.
Younicos
Speicherfirma auf Expansionskurs
Die Berliner Firma Younicos hat im April 2014 das US-Unternehmen Xtreme Power übernommen. Die Übernahme macht die Berliner zu einem weltweit führenden Anbieter von großen Energiespeichern. Sie liefern unter anderem die Software für das Demonstrationsprojekt eines Batteriekraftwerks mit sechs Megawatt Leistung in Leighton Buzzard, Großbritannien.
Younicos und Xtreme Power haben unabhängig voneinander Lösungen zum Zusammenspiel der Schlüsselelemente der Stromnetzinfrastruktur entwickelt. Das umfasst die Kombination von verschiedenen Batterietechnologien und Leistungselektronik mit selbst entwickelter Software. Diese reagiert selbstständig auf die Anforderungen des Energiemanagements von Verbund- sowie auch Inselnetzen.
Auch die US-Amerikaner haben bereits Erfahrung im kommerziellen Betrieb und der Rund-um-die-Uhr-Betreuung zahlreicher Projekte. Xtreme Power gehört dabei immerhin zu den Unternehmen in der Branche die bereits Megawatt-Anlagen installiert haben. Im westtexanischen Notrees hat das Unternehmen beispielsweise gemeinsam mit Duke Energy den größten Speicher der USA für Windkraftanlagen errichtet.
E-Speicherwerk
Megawatt-Lithiumspeicher fürden Solarpark in Neuhardenberg
Die Firma Upside Services errichtet in Neuhardenberg ein Batteriespeichersystem in einer Containerbauweise mit Lithium-Ionen-Batterien. Die Gesamtleistung der Speichereinheit wird fünf Megawatt und die Speicherkapazität fünf Megawattstunden betragen. Die Anlage wird in einem ehemaligen Flugzeughangar installiert. Im März 2015 soll der Speicher in Betrieb gehen und später Regelenergie zur Verfügung stellen. Das Batteriesystem liefert dabei die Firma E-Speicherwerk aus Ostrach in Oberschwaben.
In unmittelbarer Nähe des geplanten Speichers befindet sich der Mitte 2013 in Betrieb genommene Solarpark Neuhardenberg, der mit 146 Megawatt Leistung und einem Investitionsvolumen von rund 200 Millionen Euro eine der größten Photovoltaik-Freiflächenanlagen Deutschlands ist.
Da die Speichereinheit und der Solarpark in dieselbe Netzinfrastruktur integriert sind, kann technisch gesehen eine Lastspitze des Solarparks zumindest teilweise von dem Speicher aufgefangen werden. Das Wirtschaftsministerium des Landes Brandenburg fördert den Großspeicher mit 2,85 Millionen Euro. Insgesamt kostet er 6,25 Millionen Euro.
THEMENDOSSIER
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