Deutschland hat die Photovoltaikmärkte jahrelang angeführt. Der Zubau wird 2013 sicher geringer ausfallen als im Vorjahr, in dem mit 7,6 Gigawatt noch einmal ein Rekord verzeichnet wurde. Verliert die Intersolar in München ihre globale Spitzenstellung?
Markus Elsässer Die Märkte verschieben sich, das stimmt. In China erwarten wir in diesem Jahr zwischen acht und zehn Gigawatt. Damit wären die Chinesen nicht nur in der Produktion von Solarzellen und Solarmodulen führend, sondern auch bei der Neuinstallation. In der Solarthermie ist das Reich der Mitte schon seit Jahren der stärkste Markt. Die Intersolar als weltweite Leitmesse der Branche ist inzwischen in vielen Wachstumsmärkten auf vier Kontinenten präsent. Nach wie vor ist die Intersolar Europe das weltgrößte und internationalste Schaufenster der Branche. Auch die größten chinesischen Modulhersteller sind weiterhin vertreten. Allerdings sind 2013 insgesamt weniger kleinere und mittelgroße Unternehmen aus China vertreten, was mit der globalen Konsolidierung der Branche zusammenhängt. 2011 waren über 530 chinesische Unternehmen auf der Messe in München, 2012 waren es noch 385. In diesem Jahr werden es etwa 230 sein.
Und dann steigen auch deutsche Hersteller aus. Jüngstes Beispiel ist Bosch. Wie wirkt sich der Rückzug der Stuttgarter auf die Messe aus?
Die Konsolidierung ist keine Überraschung. Wir haben sie erwartet. Einige Jahre herrschte regelrecht Goldgräberstimmung. Bosch wird übrigens weiterhin auf der Messe vertreten sein, der Rückzug betraf hier nicht alle Unternehmensbereiche. Das Unternehmen hat sich entschieden, aus der Fertigung von kristallinen Modulen auszusteigen, wird im Wechselrichter- und Energiespeicherbereich aber weiterhin in der Branche aktiv sein. Als zentrale Branchenplattform ist die Intersolar ein Spiegel des Marktes. Die Konsolidierung führt natürlich auch zu einem Rückgang der Ausstellerzahl.
Müssen Sie auf das Messegelände in Freiburg zurück?
Oder nach Pforzheim, wo wir 1991 angefangen haben, mit 300 Besuchern und fünf Ausstellern? Ganz bestimmt nicht. Auch von den Freiburger Dimensionen sind wir weit entfernt. Wir haben in diesem Jahr rund ein Viertel weniger gebuchte Ausstellungsfläche als im Vorjahr. Wir belegen mit rund 1.500 erwarteten Ausstellern zwölf Hallen und ein Freigelände, mit brutto rund 121.000 Quadratmetern. Netto sind das etwa 60.000 Quadratmeter, eine ordentliche Hausnummer. Das ist immer noch das Fünffache der in Freiburg verfügbaren Hallenfläche. Trotz des starken Wettbewerbs mit internationalen Messen ist die Intersolar heute viel stärker und größer als in Pforzheim oder Freiburg.
Wird es Lücken in der Hallenbelegung geben?
Wir haben uns bei der Hallenbelegung dafür entschieden, eine klare thematische Segmentierung beizubehalten, um den Besuchern eine einfache Orientierung zu bieten. Dies hat dazu geführt, dass es einige wenige Segmente gibt, die die ursprünglich dafür vorgesehenen Hallenbereiche nicht komplett belegen. Da die Hallenaufteilung zu einem sehr frühen Zeitpunkt erfolgen muss, war es in der jetzigen von Umbrüchen geprägten Marktphase besonders schwierig, genaue Prognosen für die einzelnen Segmente zu machen.
Kurz nachgefragt: Wer storniert? Wer bucht neu?
Die stärksten Rückgänge gibt es bei den Herstellern von Solarzellen und Solarmodulen. Das sollte niemanden überraschen. Sie füllen drei Hallen. Auch beim Equipment für die Fabriken sind es in diesem Jahr weniger Aussteller. Ein deutliches Wachstum sehen wir dagegen bei den Herstellern von Wechselrichtern und Energiespeichern, ebenso einen leichten Zuwachs bei den Montagesystemen. Eine Halle wird wieder von der Solarthermie belegt.
Welche Rolle spielen Dienstleister?
Wir verzeichnen viele Aussteller aus dem Bereich der Projektentwicklung und Anlagenfinanzierung. Diese Bereiche verändern sich momentan stark. Neue Finanzierungsprodukte sind notwendig, wenn es um Eigenverbrauch für Gewerbebetriebe oder Direktvermarktung des Solarstroms geht. Sicherheiten spielen dabei auch eine größere Rolle. Derzeit entstehen auch viele neue Partnerschaften zwischen den klassischen Stromversorgern, den Stadtwerken und Anbietern von Photovoltaik.
Wie sieht es mit den Besuchern aus? Welche Veränderungen erwarten Sie?
Der Anteil der Handwerker und Installateure hat sich im Bereich der Photovoltaik-Fachbesucher auf rund 25 Prozent und in der Solarthermie auf rund 8 Prozent eingepegelt. Wir erwarten sehr viele Planer, Projektentwickler, Solarhändler und Gebäudeenergieberater. Unter den Besuchern sind auch viele ausländische Distributoren. Der deutsche Markt ist der innovativste Markt weltweit, beispielsweise im künftig stark wachsenden Bereich der Stromspeicherung.
In den vergangenen Jahren haben sich viele Installateure auf der Intersolar unwohl gefühlt. Die Industrie dominierte, die schnelle Rendite mit Photovoltaik. Findet langsam ein Umdenken statt?
Der Markt für Photovoltaik ändert sich im Moment grundlegend. Ich bin seit 1991 dabei, damals haben wir in Pforzheim die erste Veranstaltung organisiert. Dies war die Zeit des 1.000-Dächer- und später des 100.000-Dächer-Programms. Photovoltaik, das waren damals sehr kleine, hochpreisige Anlagen für Idealisten. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 wurde die Photovoltaik plötzlich zum attraktiven ökologischen Finanzprodukt. Solarstrom einspeisen, Rendite erzielen und fertig. Das war ganz einfach und hat ganz andere Zielgruppen aktiviert.
Diese Zeit ist abgelaufen …
Ja, denn nun kommen wir in die dritte Phase. Wir haben völlig neue Themen auf dem Tisch. Der Eigenverbrauch wird zum wichtigsten Markttreiber bei privaten und gewerblichen Anlagen. Das ist ein beratungsintensives Geschäft, das im Wesentlichen durch die steigenden Strompreise und die sinkenden Systemkosten in Gang kommt. Die Finanzierung der Anlagen ist nicht mehr so leicht wie früher, und man muss die Stromverbräuche im Gebäude oder im Unternehmen genau anschauen. Die Sache wird komplizierter, das ist eine Chance für das installierende Handwerk und die Planer.
Das SHK-Handwerk ist bislang nicht auf die Photovoltaik angesprungen, weil die Margen nicht so hoch sind wie etwa in der Heiztechnik. Jetzt stehen die Photovoltaikanlagen in Konkurrenz unter anderem zur Solarthermie. Die Integration in die Haustechnik ist der Dreh- und Angelpunkt …
Das sehen wir auch an der Entwicklung der Ausstellungsbereiche. Wir füllen zwei Hallen allein mit den Herstellern von Wechselrichtern und Batteriesystemen. Die intelligente Integration von Photovoltaikanlage, Stromverbrauchern, Energiespeicher und anderen erneuerbaren Energien in Gebäuden ist ein Wachstumsfeld. Die Erzeugung von Warmwasser durch Sonnenstrom ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Denn die Systemkosten in der Photovoltaik sinken weiter.
Lassen Sie auch Hersteller von Wärmepumpen auf die Intersolar?
Wenn sie als Systemanbieter mit Solarthermie oder Photovoltaik auftreten, ja. Das machen wir schon seit Jahren so. Allerdings verzahnen sich die verschiedenen Technologien zunehmend, sodass dieses Thema künftig neu ausgerichtet wird.
Welche Bedeutung werden die Stromspeicher in diesem Jahr erlangen, eine vergleichsweise junge Branche?
Dieses Thema ist wichtig, und es wird kontrovers diskutiert. Klar, die Batterien sind noch ziemlich teuer. Aber das waren die Solarmodule auch einmal, und es ist noch nicht lange her. Derzeit werden große Kapazitäten zur Batteriefertigung aufgebaut und Technologien weiterentwickelt. Die Kosten werden sinken. Wir erwarten, dass sich die Preise in den nächsten Jahren halbieren. Zunehmend werden Eigenverbrauchslösungen mit Stromspeichern und Wirtschaftlichkeit auch ohne staatliche Vergütung die bestimmenden Trends sein.
Wie viele Aussteller erwarten Sie in diesem Segment?
Insgesamt rund 170 Firmen präsentieren sich mit der Einbindung eines Stromspeichers, über den Wechselrichter oder ein Energiemanagementsystem oder durch Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Dabei sind auch 40 bis 50 reine Batteriehersteller.
Eigentlich müssten Sie Ihre Messe stärker auf die Installateure ausrichten, oder nicht?
Klar, das tun wir auch in vielen Bereichen. Insbesondere durch das erweiterte Themenspektrum, das sich durch die steigende Bedeutung der Systemeinbindung von Solarstrom, Solarwärme, anderen erneuerbaren Energien und Energiespeichern in die Haustechnik ergibt. Wir haben zur Integration in die Haustechnik spezielle Veranstaltungen geplant, beispielsweise zur Installation von Batteriespeichern. Das detaillierte Programm ist im Internet veröffentlicht.
Welche Rolle wird die solare Prozesswärme auf der Messe spielen?
Das ist ein Thema unserer Konferenzen. Die Prozesswärme steht noch am Anfang, zum Beispiel um Lackierereien oder Brauereien mit Wärme zu versorgen. In diesem Segment spielt die Photovoltaik bislang keine Rolle, das ist eine Domäne der solarthermischen Kollektoren.
Wie sieht es generell mit Ausstellern aus der Solarthermie aus? Eine einzige Ausstellungshalle ist nicht gerade üppig …
Die Intersolar ist eine der größten Plattformen der Solarthermiebranche. Im vergangenen Jahr hatten wir 229 Aussteller aus der Solarthermie und 286 weitere Aussteller, die sowohl solarthermische wie auch Photovoltaikprodukte zeigten. So viele werden es in diesem Jahr nicht, denn auch in der Thermie haben viele Unternehmen massiv zu kämpfen. Die Solarthermie ist bei der ganzen Diskussion um die Energiewende eher etwas ins Hintertreffen geraten. Hinzu kommt die wachsende Konkurrenz innerhalb der erneuerbaren Energien.
In diesem Jahr gibt es einen neuen Intersolar Award: für das beste Solarprojekt. Welches Ziel verfolgen Sie damit?
Wir wollen die anspruchsvollsten Projekte in Europa küren. Bisher hatten wir nur Preise in den technischen Kategorien, die wir natürlich weiterführen. Einen Projekt-Award haben wir in San Francisco im vergangenen Jahr auf der Intersolar North America und der Intersolar India eingeführt. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie derzeit in Ihrem Organisationsteam?
Mittlerweile sind es rund 40 Mitarbeiter. Allerdings betreuen sie auch die internationalen Messen. Dies sind die Intersolar North America und die Intersolar India, die wir bereits fünf- beziehungsweise viermal durchgeführt haben. Dazu kommen die Intersolar China und die Intersolar South America, die jüngste Veranstaltung der Intersolar. Im vergangenen Jahr sind wir in Brasilien gestartet, mit einer eintägigen Konferenz in São Paulo. In diesem Jahr planen wir bereits drei Tage Konferenz mit einer kleinen Messe. Die Veranstaltung wird im September 2013 stattfinden.
Haben Sie eigentlich eine Solaranlage auf Ihrem Haus?
Sogar eine mit richtiger Integration, also direktem Eigenverbrauch des Sonnenstroms. Das Haus entspricht nahezu dem energetischen Standard eines Passivhauses. Wir nutzen den Sonnenstrom direkt, beispielsweise um die Ventilatoren der Lüftungsanlage anzutreiben. Wir haben auch Solarkollektoren auf dem Dach und eine Pelletheizung für den Winter. Mit der Photovoltaik versorgen wir auch ein Elektroauto, das funktioniert sehr gut. Die Anlage auf unserem Dach leistet acht Kilowatt, die nachträgliche Installation eines Stromspeichers ist in Vorbereitung, um unseren Eigenverbrauchsanteil zu erhöhen.
Markus Elsässer
ist ein Urgestein der Solarszene. Vor mehr als 20 Jahren baute Elsässer in Pforzheim die Intersolar auf, die weltgrößte und erfolgreichste Solarmesse. Seit 2008 befindet sich die Messe in München. Seitdem ist die Intersolar auf vier Kontinente expandiert, jüngst nach Brasilien. Elsässer ist Geschäftsführer der Solar Promotion GmbH in Pforzheim. Derzeit hat das Unternehmen rund 40 Mitarbeiter.— info@solarpromotion.de
Foto: Solar Promotion
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Weitere Informationen zur Messe in München finden Sie unter http://www.intersolar.de.